S21: Ehrenwerte Gesellschaft

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Das System Berlusconi können sie selbstverständlich nicht nur in Italien. Das ergibt sich bereits aus dem baden-württembergischen CDU-Slogan: „Wir können alles außer Hochdeutsch“. Natürlich alles ein paar Nummern kleiner, provinzieller, schwäbischer, „christlicher“.

Also stechen wir doch einfach mal in die Eiterbeu....äh... den Stuttgarter Wahlkreis III. Dort hatten zum 11.02.2011 der CDU-Kandidat Reinhard Löffler, Möchtegern-Sonnen-König Mappus und ein K21- Widerständler zu einem Wahlkampf-Termin im Bürgerhaus Rot geladen. Und in der ganz und gar unschwäbischen Hektik dieser Tage muss bei den CDU-Herren der Wahlkampf-Termin mit dem erst späteren Faschingstermin durcheinandergeraten sein (1).

Wo im „Bürgerhaus“ die Bürger waren, ergibt sich bereits aus der Presse-Überschrift: „Drinnen Beifall, draußen Protest“. Dass aber auch drinnen durchaus nicht eitel Sonnenschein herrschte, zeigt sich in dem für die Stuttgarter Nachrichten ungewöhnlich kritischen Bericht (2). Mit allzu großer Primitivität will man sich offenbar selbst in den wohlwollenden Medien nicht gemein machen. Da rebelliert dann doch wohl die Rest-Intelligenz.

"Es macht mich nachdenklich, dass wir uns ohne sie [=den Stuttgarter Widerstand] nicht mehr ungezwungen versammeln können," wird Löffler zitiert und beklagt damit wohl, dass es, zumindest bis zum 27.03.2011 und trotz des Umlüg-Ausschusses, mit der Ungezwungenheit des Schwarzen Donnerstag erst einmal vorbei ist, wo man noch so unbefangen auf Kinder einprügeln und Augen ausschießen konnte.

Als Höhepunkt es Abends macht der Reporter dann diesen Satz Löfflers aus: "Mit der Freiheit ist es wie mit dem Schießpulver. Die Dummen haben es nicht erfunden, aber sie ballern damit rum." Weshalb der Reporter sich hier erregt, ist nicht unbedingt nachvollziehbar. Im Gegenteil, da könnte man spontan zustimmen, besteht doch Ferrari-Fahrer und (Selbst-)Justizminister Ulrich Goll von der FDP weiterhin auf seine letzte hauseigene Schusswaffe – eine weitere hat er inzwischen abgegeben. Fürs zweihändige Schießen fühlt er sich wohl nunmehr doch zu alt.

Aber eine Waffe muss denn doch sein, denn die lasche Einstellung offizieller Leibwächter kann Goll nun wirklich nicht akzeptieren: "Wenn man dem Günther Oettinger eine Torte auf die Brust werfen kann, dann weiß ich eigentlich schon alles. Und die Personenschützer machen erstaunte Gesichter" (3). Nicht dumm genug fürs Schießpulver? Jedenfalls meint BILD,„er werde oft bedroht und fühle sich einfach sicherer, wenn er „blitzschnell” seine Waffen zur Hand habe“(4).

... „PS-Minister Goll“ (BILD) toleriert übrigens durchaus auch andere Automarken: „Jödeldödeldu“ jodelte er bei 195“ (BILD) zum Beispiel während einer Fahrt im Porsche („Megascharf“) (5). Nur damit kein falscher Eindruck entsteht......

Nun aber aus Zuffenhausen zurück nach Rot, was nicht politisch gemeint ist. Schließlich wurde Max Horkheimer in Zuffenhausen geboren, während Rot eher anderen Zwecken zugedacht war:

In den "Allgemeinen Richtlinien für die Kleineigenheime am Rotweg im Stadtteil Zuffenhausen vom Februar 1938", die der Bauträger aufstellte, konnte man annehmen, dass zwar nicht ausschließlich, aber doch zu einem erheblichen Teil Angehörige der SS und andere NS-Parteigliederungen sowie der Gestapo bei der Vergabe der Eigenheime zum Zuge kamen. Fest steht, dass das Siedlungsvorhaben insgesamt von Seiten der örtlichen SS vorangetrieben und trotz der allgemeinen Kriegsvorbereitungen und der dadurch gebundenen Mittel zur Durchführung gebracht wurde“(6).

An einem solchen Ort gilt es natürlich, dem historischen Hintergrundrauschen gerecht zu werden. Und Reinhard Löffler, der sich, in aller Bescheidenheit, in einer großen Tradition sieht - "Ich schreibe immer wieder mal sarkastische Kommentare im Stile von Tucholsky"(7) - gab alles. Mittlerweile „warmgeschossen“, besser vielleicht: eingeschossen, nannte er den Widerstand draußen vor der Tür "das wandelnde Orchester der grünen Jakobiner-Söldner auf Tournee". ..pries .. die Roter Bürger als "die Fleißigsten im Lande", jubilierte ... über "das Paradies", in das die Christdemokraten das Ländle verwandelt hätten und säuselte sich hinauf bis zu dem Hymnus: "In keinem Land fühlen sich die Menschen so wohl." Ein Heiligmäßiges, das eine ältere Dame mit einem über den Tisch hinweg hörbaren "Amen" beschied (3). Ein Halleluja dazu auch noch meinerseits.

Soweit, so ökomenisch. Bleibt noch der katholische Pfeffer, die Höllenpredigt: "Sie werden dieses Land von seinen Spitzenpositionen katapultieren auf das Niveau von Bremen und Mecklenburg-Vorpommern." Oh, Gott! Bitte nicht!

Nachdem die Dame Wahlvolk solchermaßen angerichtet war, folgte der Akt politischer Befruchtung durch Herrn Mappus höchstselbst:

"Man darf kritisch sein. Aber so nicht!" rief er in den Saal und empfahl sich selbst als Gegenbeispiel, das auch schon mal demonstriert hatte: "Aber für etwas, nämlich für den Nato-Doppelbeschluss"(3).

Das erregt die schwarzen erogenen Zonen und macht sie bereit für die abschließende Mappussche Exstase, in der er Bewährtes ausstößt: "dass man den Rechtsstaat achtet", [sofern er den schwarzgelben Interessen nicht im Wege steht], Länderfinanzausgleich [der selbstverständlich den Reichen nützen muss, daher S21], Energie, bei der "wir auf keinen Fall vom Ausland abhängig" werden dürfen [Ich sage nur: Schröder & Russland!] und natürlich die Bildung, für die nicht die Lehrer, Eltern und Schüler verantwortlich sind, sondern selbstverständlich allein die CDU. Gut, das hat man in letzter Zeit etwas vernachlässigt. Aber der Untersuchungsausschuss hat eine entsprechende Überarbeitung der Bildungspläne ja schon angeregt:

...will die Regierung die Bereitstellung von Schutzausrüstungen verbessern sowie die politische Bildung stärken, "damit die [Jugendlichen, die Red.] wissen, was ihre Rechte und Pflichten sind", so Kluck“ (8).

Schutzausrüstung empfiehlt sich für Schüler allerdings nicht nur bei Besuchen im Stuttgarter Schlossgarten, sondern auch bei Begegnungen mit Herrn Löffler von der CDU – zumindest, wenn „Irrer Liebes-Zoff“ (BILD) im Spiel ist. Das jedenfalls musste ein Unternehmensberater leidvoll erfahren, als er zu Besuch bei der „schönen Geliebten Renate M. (48)“ (BILD) von Herrn Löffler weilte, der „(55, verheiratet, drei Kinder) für Nächstenliebe, intakte Familien und gegen Gewalt“ steht (BILD) (9).

Und das ging laut Unternehmensberater so: „Wir [Er und Renate] kennen uns seit vielen Jahren beruflich, haben nichts miteinander.“ Sie machten es sich unterm Weihnachtsbaum gemütlich. ..

Plötzlich stürmte dieser dümmliche Mensch in die Wohnung, schrie, polterte auf mich zu und stieß mir seinen Kopf ins Gesicht. Ich landete im Christbaum, blutete wie ein Stier“ (9).

Nun haben wir ja bereits am Beispiel des Fraktionsvorsitzenden der CDU im Stuttgarter Gemeinderat, Alexander Kotz (10), die CDU-spezifische politische Sehstörung kennengelernt, der am 30.09.2010 zwar jede Menge „Kind und Kegel“ im Stuttgarter Schlossgarten entdeckte, aber beim besten Willen keine Spur von Wasserwerfer finden konnte (11). Und die schwarzgelbe Mehrheit im Stuttgarter Untersuchungsausschuss hat diese Diagnose eindrucksvoll bestätigt.

Insofern kann es uns nicht überraschen, dass der Landtagsabgeordnete Löffler die oben geschilderte Begegnung der blutigen Art ganz anders erlebte:

Das mit Renate war schön. Aber jetzt bin ich wieder bei meiner Frau gelandet, das habe ich ihr sagen wollen...Dieser Fleischberg baute sich vor mir auf, ich duckte mich instinktiv. Dabei muss wohl mein Kopf seine Nase berührt haben. Ich hab’s gar nicht bemerkt – bin kurzsichtig“(9). Dachten wir's uns doch. CDU-Sichtigkeit.

Damit hätten wir, BILD sei Dank!, für diese Faschingssaison eigentlich schon genug gelacht. Aber wir wollen über der CDU-Sichtigkeit natürlich nicht den CDU-Rechtsstaat vergessen, der , auch ohne den Wunsch-Dienstwagen-Porsche des baden-württembergischen Landtagspräsidenten Straub so richtig in Fahrt kommt. Der Unternehmensberater erstattet nämlich Anzeige wegen Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft verneint ein öffentliches Interesse an Ermittlungen - ein solches besteht bekanntlich nur bei S21-Gegnern - und verweist den Mann auf den Weg der Privatklage (12).

Das aber ging nun auch wieder nicht, da Landtagspräsident Straub sich weigerte, „den Antrag auf Aufhebung [der Immunität] dem Ständigen Ausschuss vorzulegen, Seine Begründung: ein Privatmann könne das Verfahren überhaupt nicht in Gang bringen.“ Dumm, dass nun offenbar alle bewährten CDU-Juristen so mit S21 beschäftigt waren, dass es Straub an der nötigen Unterstützung fehlte und er am Ende einlenken musste (12). Und so passierte das Malheur: „Im Namen des Volkes wurde ihm [Löffler] auferlegt, seinem Widersacher ein Schmerzensgeld in Höhe von 800 Euro zu bezahlen“(13).

Gut, es ist ein etwas harsches Urteil, vergleicht man es mit der Strafe gegen den „Altkommunisten“ Gangolf Stocker „wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz am 27.August 2010 ", der im Namen des Volkes" zu einer Geldstrafe von 1500 Euro“ verurteilt wurde (14). Bei Löffler war es schließlich nur eine Gewalt-Lapalie, wie sie unter (CDU?-)Männern völlig normal ist, während Stocker durch die Nichtannahme eines Mobilanrufs der Polizei als Versammlungsleiter sich eines Kapitalverbrechens schuldig gemacht hatte. Aber in der angeheizten Situation in Stuttgart muss man hin und wieder auch mal in den saueren Apfel beißen und das eine oder andere Urteil zur Befriedung des Wutbürgers sprechen.

Löffler selbst muss diese Ungerechtigkeit umso mehr schmerzen, als er sich nicht nur um das römisch-katholische Familienleben, sondern auch um die politische Diskurs-Kultur und die Integrationspolitik verdient gemacht hat, als er Cem Özdemir nach dessen Mappus-Attacke (15) in die Schranken wies:

„Özdemir habe den Ministerpräsidenten "in der Pose eines Westentaschen-Djangos" attackiert, schreibt der Parlamentarier auf seiner Facebook-Seite. Und weiter heißt es mit Blick auf den Grünen-Politiker mit türkischen Wurzeln: "Könnte es sein, dass noch immer Gedankengut von Blutfehde aus der anatolischen Vergangenheit in ihm lebendig ist?"

….

„Als fremdenfeindlich wollte Löffler aber nicht gelten: "Wenn es sich um einen Italiener gehandelt hätte, dann hätte ich eben den Begriff Vendetta in der Frage verwendet" (16).

Damit soll es für heute genug sein. Lesen Sie in der nächsten Folge: Wahlkreis Stuttgart IV. CDU nominiert Gattin von Christoph-“Rechte Hand“-Palmer ….(17)

(1) www.bratek-immobilien.de/news.php

www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=151583051562116&;id=135659806479013&_fb

(2) www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.drinnen-beifall-draussen-protest.8bd45459-7dda-43d8-aeb6-6a1bfcde1f05.html

(3) www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.geladen-vor-wut-polizei-will-minister-goll-entwaffnen.218616e3-8c26-4fc1-b77c-592742841b27.html

(4) www.bild.de/BILD/news/telegramm/news-ticker,rendertext=15447546.html

(5) www.bild.de/BILD/news/politik/2008/08/10/fdp-minister-goll/nach-ferrari-jetzt-wieder-porsche.html

(6) www.stuttgart-rot.info/460_Historie.html

(7) www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2667818_0_4888_-streit-um-reinhard-loeffler-auf-tucholskys-spuren-verirrt.html

(8) www.taz.de/1/zukunft/schwerpunkt-stuttgart-21/artikel/1/mappus-ein-bisschen-schuld/

(9) www.bild.de/BILD/politik/2010/02/18/liebes-zoff/cdu-politiker-verpasste-er-nebenbuhler-eine-kopfnuss.html

(10) www.alexander-kotz.de/

(11) www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2649654_0_7445_-stuttgart-21-keinen-krieg-fuehren-in-der-stadt-.html

(12) www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2750417_0_4285_-streit-um-immunitaet-straub-gibt-nach.html

(13) www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2789396_0_6731_-urteil-gegen-loeffler-800-euro-fuer-nasenstueber.html

(14) www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2783223_0_9223_-prozess-gegen-gangolf-stocker-als-versammlungsleiter-versagt.html

„Grünen-Bundeschef Cem Özdemir erhob schwere Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten. „Herr Mappus wollte hier Blut sehen“, sagte Özdemir am Freitagabend in Stuttgart. Es sei kein Zufall gewesen, dass die Räumung des Schlossplatzes während einer Schülerdemonstration begonnen habe. Mittlerweile entschuldigte sich Özdemir für seine Anschuldigung. Er nehme dies vollständig zurück, sagte er am Samstag in Berlin.“

(15) www.bild.de/BILD/politik/2010/10/02/stuttgart-21-blutige-proteste-dieser-mann-bangt/um-sein-augenlicht.html

(16) www.zeit.de/politik/deutschland/2010-10/stuttgart21-oezdemir-loeffler

(17) www.arlt-palmer.de/

Christoph Palmer galt als „rechte Hand“ von Ministerpräsident Erwin Teufel. Er trat am 25. Oktober 2004 als Minister zurück, nachdem ihm dieselbe in einem Streit um Rücktrittsforderungen an Erwin Teufel ausgerutscht war und er den den CDU-Bundestagsabgeordneten Joachim Pfeiffer geohrfeigt hatte.

de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Palmer

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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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