S21: Ehrenwerte Gesellschaft 2, Teil 1

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Nach den neuesten Enthüllungen der Stuttgarter Zeitung verdichten sich die Hinweise, dass S21 ein Projekt sein könnte, hinter dem eine Art organisierter Kriminalität steckt. Dass die Mainstream- Medien nach meiner Kenntnis dazu bislang aktiv schweigen kommt nicht überraschend. Diese Art von wohlwollendem Beschweigen anstelle investigativer Recherche gab es ja bereits früher, zum Beispiel als die Frankfurter Rundschau im Jahre 1999 über den massenhaften Missbrauch an der Odenwaldschule berichtete und alle anderen schwiegen. Im Zweifel schützt der deutsche Journalismus offenbar vor allem seine Pfründe und sein Weltbild – weniger Demokratie und Rechtsstaat.

www.freitag.de/community/blogs/mcmac/s21--bahn-offensichtlich-massiv-geleakt

www.zeit.de/2010/13/DOS-Missbrauch-Schweigen-Odenwald-Internat

Es ist ein Zufall, aber ein gelungener, dass ausgerechnet parallel zu den Enthüllungen der Stuttgarter Zeitung die Universität Tübingen am 6.Juli 2011 folgende aktuelle Mitteilung herausgab:

Der Promotionsausschuss der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen hat nach intensiver Prüfung der Dissertation sowie nach einer schriftlichen Anhörung des Betroffenen in seiner Sitzung am 5. Juli 2011 beschlossen, Matthias Christoph Pröfrock den Doktortitel zu entziehen.“

bit.ly/pPjDEU

Zum einen wird damit nämlich die Plagiatorenzone in der herrschenden schwarz-gelben Politikerkaste ausgeweitet. Zum andern wirft diese Art, die eigene Karriere zu beflügeln aber vor allem ein Licht auf das offenbar in der herrschenden Politik verbreitete Verhältnis zu Recht, Gesetz und Moral. Und da scheint zumindest bei einigen die Auffassung vorzuherrschen: Legal, illegal, scheißegal. Recht und Moral ist das, was mir – und meinen Kumpels in der Wirtschaft - nützt.

Und das oben vermutete Schweigen der Blätter scheint darauf hinzudeuten, dass man diese Auffassung in den Medien längst teilt. Anders ist jedenfalls nicht zu erklären, weshalb nicht längst ein Sturm, der Entrüstung durch die Republik fegt, der den ganzen Lügenklüngel wegfegt. Wenn selbst die S21-Missionarin StZ online „Skandalöses Geschäftsgebaren“ titelt und es passiert NICHTS, dann stellt sich ziemlich dringend die Frage, was denn eigentlich noch passieren muss, bevor dieses Land endlich aufwacht.

Dass der oben postulierte Zusammenhang durchaus nicht konstruiert ist, zeigt sich exemplarisch an der politischen Einbettung Pröfrocks. Er ist nämlich nicht nur einfach einer, der es mit der wissenschaftlichen Sauberkeit etwas zu locker nahm, er ist auch Teil des S21-Systems und dessen, was am Schwarzen Donnerstag und beim ENBW-Kauf am Parlament vorbei passierte:

geboren am 14.05.1977 in Düren, katholisch
Beruf: Volljurist, Oberregierungsrat im Stab von Innenminister Heribert Rech, Bundesratsreferent

..

2008-2010 Persönlicher Referent von Ministerpräsident Günther H. Oettinger, Staatsministerium Baden-Württemberg“ ( www.matthias-proefrock.de/person )

Und das allerschlimmste:Am 19. März 2010 wurde Matthias Pröfrock bei der Nominierungsversammlung der CDU in Winnenden im dritten Wahlgang als Erstkandidat für den Landtagswahlkreis Waiblingen mit 56,1 % der Stimmen gewählt... Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011 erreichte Pröfrock im Wahlkreis Waiblingen 36,8 % der Stimmen und damit ein Landtagsmandat. Er ist zugleich Koordinator der Kreisverbände der CDU in der Region Stuttgart.“

de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Pr%C3%B6frock

Mehr muss man eigentlich nicht sagen, um zu verstehen, was in Baden-Würrtemberg – ähnlich wie in Bayern übrigens - von Anfang an schief gelaufen ist. Wie S21 im Kleinen bereits alles enthält, was diese Republik zunehmend zu einer Art Hort der kriminellen Machenschaften macht, so zeigt der Fall Pröfrock, wie wenig der Wähler hierzulande fragt, was er da eigentlich wählt. Selbst der Einkauf bei ALDI ruft offenbar mehr kritisches Bewusstsein hervor, als eine Wahl, bei der es immerhin unter Umständen um Überlebensfragen geht.

Aber man kann – ausgehend von Pröfrocks beruflicher Verankerung bei Oettinger - mehr sagen. Zumindest kann man auf mehr hinweisen bzw. an ein paar Dinge erinnern. Zum Beispiel an den Immobilienfilz, wo sich in der sogenannten ECE-Stiftung bis zur Aufdeckung der Verhältnisse beispielsweise die CDU-Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, Tanja Gönner, der CDU-Oberbürgermeister von Stuttgart, Dr. Wolfgang Schuster, der Düsseldorfer S21-Architekt Christoph Ingenhoven und die Lebenspartnerin von Ex-CDU-MP Oettinger Friederike Beyer zu einer äußerst fruchtbaren Verbindung vereinten.

www.bei-abriss-aufstand.de/2010/10/13/stuttgart-21-fur-investoren-vor-allem-immobilienprojekt/

Die Haie versammelten sich – nicht nur bei ECE – natürlich nicht ohne triftigen Grund:

In der wohl reichsten Kommune der Republik investiert man in den nächsten zwanzig Jahren Milliarden Euro, um die bisher als brav und bieder eingestufte Metropole von Grund auf zu modernisieren. Ein Bauboom kündigt sich an, den man getrost historisch nennen darf. Dabei geht es keineswegs nur um Stuttgart 21, sondern um weit mehr: vom Killesberg bis hinunter in den Neckarpark, von der Kultur bis zur Kulturmeile, von den Schulen bis hinein in die Kindergärten läuft gegenwärtig das größte Investitionsprogramm in der Geschichte der Landeshauptstadt an. In ein paar Jahren wird man diesen Ort kaum wiedererkennen.“

www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/1677739_0_9223_-leitartikel-im-rathaus-ist-der-teufel-los.html

Und wer Oettinger sagt, kommt nicht umhin, auch „Mafia“ zu sagen, ist doch Stuttgart „ seit Jahrzehnten eine Hochburg der Mafia“ ( www.faz.net/-01ijfb ):„Das deutsche Zentrum des Clans sehen italienische Ermittler im Raum Stuttgart. Dort hatten Mafiafahnder beider Länder schon Anfang der 90er Jahre mehrere mutmaßliche ’Ndrangheta-Mitglieder im Visier.“

www.badische-zeitung.de/suedwest-1/waschsalon-germania--6314469.html

Und irgendwie mittendrin die CDU, vertreten durch ihren Vormann Günther Oettinger:

Der baden-württembergische CDU-Fraktionschef Günther Oettinger hat sich offenbar mit zweifelhaften Freunden umgeben. Oettinger ließ zwischen 1991 und 1993 Fraktionsfeste seiner Partei von dem italienischen Wirt Mario Lavorato ausrichten und zahlte dafür aus der Fraktionskasse, also aus Steuermitteln, knapp 40 000 Mark. Gegen den Wirt ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Der Pizzeriabesitzer soll überdies enge Verbindungen zur italienischen Mafia haben. Gegenüber der CDU zeigte sich Lavorato großzügig: Er spendete insgesamt 3000 Mark. Obwohl Oettinger bereits im September 1992 von dem Mafia-Verdacht und von Abhöraktionen gegen Lavorato wußte, lud er den Wirt weiter als Party-Impresario ein. Der CDU-Politiker gibt an, er habe damit verhindern wollen, daß der Italiener Verdacht schöpfe.“

www.spiegel.de/spiegel/print/d-13692710.html

Einer der genannten Namen ist den Beamten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität bestens bekannt. Es handelt sich um einen früheren Promiwirt aus Stuttgart-Weilimdorf, der 1993 deutschlandweit in die Schlagzeilen geriet, weil man ihn der Geldwäsche im großen Stil bezichtigte. Der Fall bekam dadurch besondere Brisanz, dass der süditalienische Kneipier häufiger einen Gast hatte, den er gern als "meinen Minister" bezeichnet hat. Gemeint ist der damalige CDU-Fraktionschef im Landtag und heutige EU-Kommissar Günther Oettinger, der gerne und oft seinen Feierabend im Weilimdorfer Restaurant ausklingen ließ. Da Fahnder das Telefon des Lokals über Monate abhörten, wurde auf diese Weise so manches auf Tonbändern konserviert, was der italophile Christdemokrat zu vorgerückter Stunde über politische Freunde und Feinde zu erzählen wusste. Die Sache mündete in einen für Oettinger pikanten Untersuchungsausschuss baden-württembergischen im Landtag.“

www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2651982_0_9223_-organisiertes-verbrechen-in-der-region-stuttgart-unsere-nachbarn-von-der-mafia.html?_skip=0

1993 war es zur "Pizza-Affäre" gekommen, als bekannt wurde, dass der damalige Landesjustizminister Thomas Schäuble seinen Parteifreund Oettinger, damals CDU-Fraktionschef im Landtag, über Mafia-Ermittlungen gegen L. informiert hatte. Oettinger hatte regelmäßig in L.s Pizzeria verkehrt und ihn mehrfach Fraktionsfeste ausrichten lassen. L. wiederum spendete der CDU mehrere tausend Mark.“

www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/zur-geldwaesche-nach-stuttgart/

www.stern.de/politik/deutschland/guenther-oettinger-druck-in-mallorca-affaere-waechst-605

www.stern.de/wahl-2009/bundestagswahl/berlin-vertraulich-die-problemfaelle-oettinger-und-schmidt-1505083.html

Teil 2 :

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/s21-ehrenwerte-gesellschaft-2-teil-2

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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

seriousguy47

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