S21: Großer Ratschlag des Widerstandes und die Turner-Falle der CDU

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Heute fand im Stuttgarter Rathaus ein Großer Ratschlag des Stuttgarter Widerstandes zum weiteren Vorgehen in Sachen S21 statt, während die CDU den Tunnelpromoter und Werbefritzen Sebastian Turner zu ihrem OB-Kandidaten für Stuttgart wählte. Damit sind die Fronten in Stuttgart scharf und in unübersehbarer Klarheit neu aufgestellt. Die Stuttgarter Tunnelparteien bleiben - angeführt von der CDU - weiter auf dem Weg in die finale Postdemokratie. Dem Stuttgarter Widerstand fällt – als Konsequenz – höchste Verantwortung für die Bewahrung von Demokratie zu. Die offene Frage ist, ob er dies erkennt und sein Handeln daran ausrichtet. Oder, ob er nach all den Fallen, in die er bereits getappt ist, jetzt auch noch in die Turner-Falle tappt.

Schon die Person Turner ist nämlich Programm. Obwohl eindeutig schwarz justiert, firmiert er - formal korrekt - als "parteilos". Solche formal korrekten Täuschungen kennen wir schon bis zum Erbrechen aus den S21-Vorgängen. Dass der Werbefritze sich als "Unternehmer" bezeichnet/ bezeichnen lässt, liegt auf derselben Linie.

Dass er gewählt wurde, um besser zu lügen und nicht, um es besser zu machen, ist unübersehbar, auch wenn er in seiner Bewerbungsrede zeigte, dass er noch viel zu plump daher redet und noch viel lernen muss, um die Mehrheit optimal verführen zu können:

Turner "fährt scharfe Angriffe auf die Grünen - und erhält dafür viel Applaus. Ein grüner OB müsse unbedingt verhindert werden. Andernfalls bestehe die große Gefahr, dass die Horrorvision, die die Grünen vom neuen Bahnhof verbreiteten, Wirklichkeit werde. Stuttgart habe sich in den vergangenen Jahren prächtig entwickelt, das müsse so bleiben."

Also: erst wenn ein grüner OB gewählt wird, besteht Gefahr für das Stuttgarter Mineralwasser, für den restlichen Schlossgarten, für betroffene Gebäude und für Kinder, Alte und Behinderte im Katastrophenfall. Und nur dann wird der Tunnelbahnhof zu einem Zusammenbruch/ Rückbau des Schienenverkehrs in Stadt und Region führen. Mit Lügenplanung und Inkompetenz hat das alles natürlich gar nichts zu tun.

Geht's noch, Herr Turner? Sind Sie so blöd oder tun Sie nur so, um auf Augenhöhe mit Ihrer Partei zu sein? Aber Sie haben ja das nötige Gehirnwäsche-Personal zur Verfügung. Die werden ihnen schon noch die nötigen Kärtchen schreiben.

Soweit zum Lügenpotential. Aber auch die wohlbekannten miesen Tricks beherrschen der saubere Herr Turner und seine Promoter bestens. CDU-Kreischef Kaufmann hat ihn per innerdemokratischer Entscheidungsfindung im Alleingang aus seinem Freundeskreis/ Filz gezaubert. Dann hat man - unter dem Motto "vom Fall Wulff lernen, heißt abschießen lernen"- dem Gegenkandidaten noch schnell eine staatsanwaltliche Ermittlung an den Hals gehängt. Und, um ganz sicher zu gehen, lag im Wahllokal in letzter Minute noch ein Empfehlungsschreiben aus, mit dem der Gegner auf der Torlinie gefoult wurde:

"Für Diskussionen sorgt noch vor Beginn der Veranstaltung ein persönlicher Brief des Alt-Oberbürgermeisters Manfred Rommel, den die Unionsmitglieder auf ihren Plätzen finden - und in dem er sich auf die Seite Turners schlägt. "Ich habe Sebastian Turner persönlich kennengelernt", so Rommel. "Er ist ein unabhängiger Kopf, der mit neuen Ideen die Stadt voranbringen kann. Deshalb bin ich mittlerweile überzeugt davon, dass ihm dies gelingen kann. Ich spreche mich für ihn aus." Es müsse das Interesse aller Christdemokraten sein, dass die erfolgreiche Arbeit des scheidenden Amtsinhabers Wolfgang Schuster fortgesetzt werde. Dazu müsse die CDU die Oberbürgermeisterwahl gewinnen. "Darum geht es", so Rommel, "und nicht darum, ob und wie lange ein Kandidat CDU-Mitglied ist."

......

"Das Ergebnis wird verkündet - und ist überraschend eindeutig. Auf Sebastian Turner entfallen 462 Stimmen, auf Andreas Renner 231."

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.parteitag-in-degerloch-turner-tritt-fuer-die-cdu-zur-ob-wahl-an.6324471c-c80e-4fb4-b2c3-53d36401f612.html

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kommentar-zum-cdu-kandidaten-nicht-ohne-risiko.8ac79643-5794-4ee3-a06a-5300bc8c4a5e.html

Damit wäre die Generation Wulff hierzulande wohl endgültig abgehakt. Ebenso die liberale Tradition in der Stuttgarter CDU. Jetzt soll stramm postdemokratisch/ neofaschistisch alternativlos durchregiert werden. Der Neoliberalismus und seine Barbarei sollen mit schönen Werbeplakaten zugestellt werden. Zur Hartz IV-Kürzung und/ oder zur nächsten Schlossgarten-Abholzung dürfen wir, wenn die Linie sich erfolgreich durchsetzen sollte, in Zukunft als Anlage vielleicht das nackte Girl erwarten, das die BILD von der ersten Seite verbannt hat. Die virtuelle Thermalnutte als Belohnugsleckerli für die demokratische Duldungststarre, sozusagen....

Stuttgarter Widerstand hör' die Signale! Und tappe nicht in die Falle, in die Renner getappt ist. Also: kurz vor der Kandidatenwahl der CDU kommt überraschend eine staatsanwaltliche Ermittlung gegen Renner. Und gerade, als die überstanden ist kommt ein Umfrageergebnis von Forsa (!), wo man im Auftrag von Turner herausgefunden hat, was Turner gerade dringend braucht: 1.dass er - als zweitplatzierter hinter Kuhn - die meisten Erfolgschancen gegen diesen hat. Und 2., dass Kuhn der Favorit sei.

Nun haben wir im Stuttgarter Widerstand des Öfteren lernen müssen, dass es gelegentlich darauf ankommt, wonach und wie gefragt wird. In diesem Fall weiß ich es nicht. Es stinkt aber sehr danach, dass hier nicht die Wahl-Chancen der einzelnen Bewerber erhoben wurden, sondern ihr aktueller Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung. Turner hatte schon längst wegen seines angeblichen Exotenstatus ausgiebig höchste Medienaufmerksamkeit genossen, als Renner auf die Bühne trat, der nur mehr seinen konservativ-klerikalen Gegnern ein Begriff (rotes Tuch) war. Turner dagegen wurde immer in Zusammenhang mit seinem Slogan "Wir können alles außer Hochdeutsch" genannt. Und dieser Slogan rührt nicht nur den schwäbischen Provinzspießern sehr ans Herz. Man braucht also keine Meinungsumfrage, um herauszufinden, dass er im Moment - also vor dem Wahlkampf - populärer ist als Renner.

Auch braucht man keine Meinungsumfrage, um herauszufinden, dass Fritz Kuhn weithin bekannt ist. Er ist schließlich lange genug im politischen Geschäft. Weshalb also braucht man eine Meinungsumfrage, die angeblich wissenschaftlich fundiert, die Wahlchancen der Bewerber erhebt? Antwort: Um sich selbst nach vorne zu manipulieren. Bei Renner und der CDU ist das heute gelungen.

Das Umfrageergebnis von Kuhn dürfte dagegen auf die potentiellen Wähler von Fritz Kuhn zielen. Insbesondere auf den Stuttgarter Widerstand. Der soll, angesichts des vermeintlich sicheren Vorsprungs des grünen Kandidaten leichtsinnig werden und seinem Spiel-/ Zocktrieb nachgeben. Ein eigener Kandidat und die Zersplitterung des Widerstandes steigert automatisch Turners Chancen. Und wenn dann noch genügend andere Kuhn-Fans zuhause bleiben, kann die Sache schon nach dem ersten Wahlgang gelaufen sein.

Turner ist also kein bloßer Bewerber mehr. Er ist schon voll im Lügengeschäft. Und die Methoden kennen wir von den S21-Betreibern längst zur Genüge. Die Falle für den Widerstand ist bereits aufgestellt. Fallen wir nicht wieder darauf herein! Denn das ist erst der Anfang.....

Links zum schwarzen Kandidaten:

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-mit-sebastian-turner-aus-stuttgart-wird-greengart.49ef17cc-a08e-493f-aed2-3fc312d8435a.presentation.print.html

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ob-wahl-in-stuttgart-wulle-bier-oder-tannenzaepfle.7ec00aaf-14c9-4bd0-92b4-c74e11e22548.presentation.print.html

de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Turner

Zum Thema OB-Wahl siehe auch hier:

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/s21--next-stop-ob-wahl

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.sebastian-turner-im-portraet-werbeprofi-startet-seine-eigene-kampagne.afb395a1-d179-45cb-8530-608d32f7c92e.html

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ob-kandidat-fritz-kuhn-spaltung-der-stadt-muss-aufhoeren.5d275dc6-c508-47ff-800f-a12233a2efc8.html

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ob-wahl-in-stuttgart-stuttgart-21-gegner-suchen-eigenen-bewerber.56b61000-9239-46cb-b390-c5c6e3a6cfc6.html

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.umfrage-zur-wahl-in-stuttgart-stuttgarter-wollen-vertrauenswuerdigen-ob.a889a7ce-a6e0-499b-adec-1be9909c67f8.html

Und der Große Ratschlag? Bei der OB-Frage herrscht, Gott-sei-Dank, noch Ratlosigkeit. Das ist besser, als ein vorschneller Fehler. Hannes Rockenbauch hat auf die Parlamentarismus-Falle hingewiesen, die ebenfalls geeignet ist, den außerparlamentarischen Widerstand seiner Potenz zu berauben. Ansonsten sieht das Ergebnis, glaubt man dem Schwäbischen Tagblatt, so aus:

  • keine Einigkeit über die Aufstellung eines eigenen Kandidaten;

  • die Montagsdemos werden – Gott-sei-Dank – fortgesetzt;

  • der Themenhorizont soll über Stuttgart und S21 hinaus ausgeweitet werden.

www.tagblatt.de/Home/nachrichten/ueberregional/alles-zum-bahnprojekt-stuttgart-21_artikel,-Stuttgart-21-Gegner-noch-uneins-ueber-OB-Kandidaten-_arid,167143.html

www.bei-abriss-aufstand.de/2012/03/18/presseerklarung-groser-ratschlag-zeigt-burgerbewegung-lebt-ungebrochen/

Mehr und direkte Informationen gibt es in den Videoaufzeichnungen der camS21-Reporter vom Großen Ratschlag (man muss jeweils am Anfang etwas vorspulen!):

1. Vorstellung der im Vorfeld erhobenen Meinungen und Themen

bambuser.com/v/2478620

2. Überblick über den "Markt der Möglichkeiten"

bambuser.com/v/2478035

3. Vorstellung der Ergebnise der Arbeitsgruppen

bambuser.com/v/2477406

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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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