Die Bahn hat wieder einmal dementiert. Und unter den Online-Kommentatoren der beiden Stuttgarter Tageszeitungen macht sich zunehmend Heiterkeit breit.
Am Morgen hatte der Stern aus einem Dokument der Bahn mit dem harmlosen Namen BAST zitiert, das die Bahn den Teilnehmern der Schlichtung aus Geheimhaltungsgründen bis heute strikt vorenthalten hat. "BAST" stammt aus dem Jahr 2002, heißt "betriebliche Aufgabenstellung zur Umsetzung der Konzeption Netz 21" und ist, laut Stern, die Bibel und gültige Grundlage aller Arbeiten bei S 21 für die Planer, Entwickler, Ingenieure.
Und in dieser BAST waren bereits 2002 die Kosten für das Projekt S21 mit 4, 203,0 Milliarden Euro angesetzt, also etwas höher als die heute von Bahnchef Grube herunter gerechnete Summe von 4,0878 Milliarden Euro. Den Parlamentariern aber, die über die Finanzierung des Projektes abzustimmen hatten wurden ganz andere Summen genannt: "2003 hieß es, S 21 kostet 2,5 Milliarden Euro. 2007 hieß es, S 21 kostet 2,8104 Milliarden Euro. 2008 hieß es, S 21 kostet 3,1 Milliarden Euro. Und jetzt, 2010, S 21 soll 4,1 Milliarden Euro kosten."
www.stern.de/politik/deutschland/interne-dokumente-zu-stuttgart-21-bahn-verschwieg-kosten-fuer-s21-1626945.html
Das wäre Betrug gewesen. War es aber nicht, sagt die Bahn. Der Stern habe da etwas mißverstanden. Die Euro, die in dem Dokument durchgehend zu finden sind, seien in Wahrheit DMark. Bei der Umstellung von DMark auf Euro im Jahr 2002 (!) sei ein "redaktioneller Fehler" passiert. Der Stern hätte doch bloß anrufen brauchen, dann hätte man den streng geheimen Sachverhalt leicht aufklären können:
"Die bei „stern.de“ aufgestellte Behauptung, die DB habe bereits im Jahr 2002 mit Gesamtkosten für das Projekt Stuttgart 21 von über 4 Milliarden Euro gerechnet, erweist sich damit als völlig haltlos. Ein Anruf des „stern“ bei der DB hätte genügt, um das Missverständnis aus der Welt zu schaffen. So ist die vermeintliche Enthüllung nicht mehr als die Entdeckung eines Schreibfehlers."
www.deutschebahn.com/site/bahn/de/presse/presseinformationen/ubd/ubd20101124a,version=2.html
Und schon war für viele die Meldung erledigt und die Pros krähten munter "Hitler-Tagebücher, Hitler-Tagebücher!". Aber die Bahn hatte die Rechnung ohne den Stern gemacht. Und vor allem ohne die Schwaben. Bei Geld wird der Schwabe hellhörig. Sehr hellhörig. Der Stern konterte:
"Die BAST besteht aus Hunderten Seiten. Überall, in allen der vielen Tabellen, die das Werk enthält, sind die Angaben in Euro. Das Euro-Zeichen steht fast auf jeder Seite. Das Rechenwerk, aus dem sich die Gesamtsumme von 4,2 Milliarden ergibt, besteht aus 20 Seiten. Auf diesen 20 Seiten ist alles in Euro dargestellt. Das DM-Zeichen wird hier nirgendwo verwendet. Nirgendwo."
Und weiter:
"Während man nämlich bei der Auflistung von "Paket 1" und "Paket 2" korrekterweise alles bereits in Euro umgerechnet hätte, seien die Angaben für "Paket 3 – Stuttgart 21" in DM aufgelistet worden, allerdings als Euro verbucht."
Und schließlich:
"Grube bezifferte im Juli die Kosten für die Neubaustrecke nach Ulm mit 2,9 Milliarden Euro. Euro! In der Tabelle in der BAST steht, dass die Neubaustrecke nach Ulm 2,887 Milliarden Euro kostet. Euro!"
www.stern.de/politik/deutschland/bahnprojekt-stuttgart-21-schwere-fehler-in-der-bibel-1627395.html
Also solch ein selektiv gehäufter Fehler ist, mit Verlaub, doch etwas zu seltsam, um glaubhaft zu sein. Noch seltsamer wird es, zieht man die Summe heran, mit der die Bahn damals öffentlich operierte:
"Im Jahr 2002 war man bei der Bahn laut internen Papieren aus den oberen Konzernetagen von 2,6 Milliarden Euro ausgegangen; diese Zahl wurde damals auch der Öffentlichkeit genannt."
2,6 Milliarden Euro gleich 4,203 Milliarden DMark? Mein lieber Herr Leiter Kommunikation Oliver Schumacher, diese Art von Kommunikation kennen wir nun seit mehr als 15 Jahren zur Genüge. Aber auch das, was die Stuttgarter Tageszeitungen so "kommunizieren". Während beide zunächst vom Dementi der Bahn berichtet hatten, legt die Stuttgarter Zeitung später angemessen nach mit "Weitere Ungereimtheiten aufgetaucht" und bringt dabei gleich noch weitere Ungereimtheiten zur Sprache. Die Nachrichten dagegen blamieren sich mit "Bahn hat Kosten nicht verheimlicht". *) Die Sache mit dem 2,6 und 4,2 fällt ihnen gar nicht erst auf.
Beide aber erhalten dann noch ein bisschen Nachhilfe in Recherche von ihren Lesern (und Hörern). So schreibt "stefan1531":
" Der Euro wurde am 1.1.99 bereits als Buchwert eingeführt, Rechnungen mussten beide Währungen ausweisen. Und jetzt will uns die Bahn weismachen, dass es sich im BAST, der (lt. Herrn Kefer) "Bibel" für das am besten geplante und kalkulierte Projekt, um einen Schreibfehler handelt??? Das ist irgendwie schwer zu glauben!"
www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=7202922/1qutfo9/index.html
"Hoss" weiß noch mehr:
"Also wenn man sich den Geschäftsbericht der DB AG von 1999 mal anschaut rechnen die schon seit damals in Euro! Das macht die Erklärung eines Tippfehlers 3 Jahre später unglaubwürdig und selbst wenn es so wäre liegen bis heute ja nochmals 8 Jahre dazwischen!? Hat sich dieses angeblich so wichtige Dokument in der Zwischenzeit niemand mehr angeschaut..."
Und auch Rainer Daeschler wird stutzig:
"Im Spiegel standen März 1999 noch Kosten von 5 Mrd. DM für den Bahnhof (3 Mrd. DM für die Neubaustrecke). Wie hat es die Bahn geschafft, die Kosten für den Bahnhof bis 2002 um 800 Mio. DM zu reduzieren?"
www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2719739_0_1111_-stuttgart-21-bahn-dementiert-medienbericht.html
Andere Kommentatoren denken weiter. "Dummer Bürger" schließt messerscharf:
"...stimmt wie konnten wir nur so doof sein DM statt € da hätten wir ja selber drauf kommen können und was kommt als nächstes. Die Schienen sind nicht aus Stahl sondern aus Holz und die Züge brauchen keinen Strom sondern Kohle. Die Züge kommen pünklich genau..."
"P." denkt ganz lebenspraktisch und rät:
"Immer nachfragen bei der Bahn! "Diesen Irrtum hätte der Journalist mit einem Anruf beim Unternehmen aufklären können." - so die Bahn. Also Leute, nicht einfach glauben, was die Bahn schwarz auf weiß zu Papier bringt Wenn ihr z.B. die Abfahrtszeiten auf dem Fahrplan an der Wand im Bahnhof studiert, und dort steht meinetwegen "20.12 Tübingen Hbf" - nichts wie ran ans Handy und mit einem Anruf klären, ob das auch stimmt. Könnte ja sein, dass die Bahn die Uhrzeit mit dem Jahr der Abfahrt verwechselt hat oder mit dem Geburtstag des Lokführers, und Tübingen muss ja nicht Tübingen sein, vielleicht meint sie Ulm, das kann man ja schon mal verwechseln, wie sie ein paar lumpige Milliarden DM mit ein paar lumpigen Milliarden Euro verwechselt hat."
Und Politblogger weist nach, dass der Stern in Wahrheit einem Fake aufgesessen ist. Die echte BAST hat er in einem Papierkorb der DB gefunden und könnte deshalb das Rätsel ultimativ auflösen - wäre da nicht wieder so ein verdammter Schreibfehler.....:
www.politblogger.eu/politblogger-investigativ-aus-dem-papierkorb-der-bahn-zentrale/
Den ultimativen Spruch aber hat eindeutig Markus Schweiß auf Lager:
"Tja, "Zeit ist Geld" sagte die Bahn und addierte das Datum zur Rechnung."
www.parkschuetzer.de/statements/48093
*) Mittlerweile geändert in "Bahn dementiert. Haben Kosten nicht geändert". Meine Angaben zur ursprünglichen Fassung sind aber weiterhin zutreffend.
.
Kommentare 17
Was unterscheidet einen normalen DB Bahnhof von S 21?
Bei einem normalen Bahnhof kannst Du den Schaffner fragen
"Herr Bahnhofspräsident, wann komm die Bahn?
Worauf der wissend gewiss doch antwortet:
"Bald! Die Schienen liegen schon da"
Bei dem S 21 heißt es notwendig:
"erst die Schienen weg,
der BAHNHOF WEG;
ALLES WEG UND
UNTER DIE ERDE.
Was haben Sie gefragt?
habe ich vergessen.
ich befürchte, daß kefer diese sache ebenso aussitzen wird wie die skandalösen sachen zuvor ...
Die Frage ist nicht, wie lange er noch lacht, sondern wer zuletzt lacht.
Oder besser gesagt: Ob überhaupt noch einer lacht am Ende. Schaue ich in manche Gesichter, sehe ich hinter den Grinse-Masken eher so etwas wie: "Wir können auch anders". Grube sagte erst vor ein paar Tagen sinngemäß, dass es ihn einen feuchten Kehricht interessiere, was das Ergebnis irgendwelcher Schlichtungen oder Wahlen beträfe; er baut in jedem Fall weiter.
siehe hier: Südwest Presse aus Ulm vom 16.11.
Natürlich wird Kefer am Schluss lachen oder wollen wir ernsthaft mit diesen drei Kameraden in die Zukunft marschieren?
sphotos.ak.fbcdn.net/hphotos-ak-snc4/hs775.snc4/67504_107596155972992_100001678237947_58905_6491038_n.jpg
Fotomontage? -Ja, klar, geht auch (damit Sie auch mal was zu lachen haben...)
http://www.bei-abriss-aufstand.de/wp-content/uploads/wolfgang_und_stefan_dick_und_doof.jpg
(für den Fall, dass das Bild nicht eingebunden wird, bitte diesen Link anklicken: www.bei-abriss-aufstand.de/wp-content/uploads/wolfgang_und_stefan_dick_und_doof.jpg)
Nun da fällt mir doch glatt das hier ein...
sphotos.ak.fbcdn.net/hphotos-ak-snc4/hs1121.snc4/148339_1680982863845_1215765658_31806971_3415876_n.jpg
Jetzt habe ich es kapiert, mandelbrot: Sie sind derjenige, der
BAST geschrieben hat!. Jetzt wundert mich nichts mehr. Frage mich nur noch, ob es Absicht oder Unvermögen ist.....
Hinter den Zahlen von BAST stecken doch mit Sicherheit Einzelpositionen. Anhand deren Wertigkeit zu durchschnittlichen Preisen/Kosten von 2002 sollte doch recht schnell zu klären sein, ob das DM oder Euro waren.
2,6 Milliarden * 1,95583 = 5,1 Milliarden und nicht 4,2 Milliarden.
2,6 Milliarden DM sind die 1998 ermittelten Plankosten.
DM und Euro verwechselt, im Jahr 2002 - und in 8 Jahren hat das keiner bemerkt? Was die Bahn da erzählt, ist völlig unglaubwürdig. Langsam beginnt der Kefer mir leid zu tun. Es ist ja nicht so, dass er das Projekt erfunden hat. An dessen Stelle würde ich mich langsam nicht mehr in die Schlichtungsrunden trauen.
mcmac schrieb am 25.11.2010 um 09:50
„Grube sagte erst vor ein paar Tagen sinngemäß, dass es ihn einen feuchten Kehricht interessiere, was das Ergebnis irgendwelcher Schlichtungen oder Wahlen beträfe; er baut in jedem Fall weiter.“
Hier ist eine Nuance zu beachten. Der Bahnchef sagte beim Südwestpresse Forum in Ulm durchaus nicht, dass in jedem Fall weitergebaut werde. Er drohte vielmehr, im Falle eines Projektabbruchs „habe ich ’ne Rechnung und die muss bezahlt werden. […] Das sollen sich die Stuttgarter sehr gut überlegen.“
„Problemlose Euro-Umstellung
Seit Ende 1995 hatte sich der DB-Konzern unter Leitung des zentralen Treasury auf die Euro-Einführung vorbereitet. Nachdem bereits seit dem 1. Januar 1999 unsere Kunden Rechnungen in € erhielten und Fahrgäste bargeldlose Zahlungen in € tätigen konnten, erfolgte zum Jahreswechsel 2002 die Umstellung aller Kassen- und Verkaufssysteme auf die neue Währung. Diese große logistische Aufgabe konnten wir aufgrund der intensiven Vorbereitungen plangemäß umsetzen. Ebenfalls mit Wirkung zum 1. Januar 2002 stellten wir unsere Hauswährung von DM auf € um. Die rückwirkende Umstellung im Rechnungswesen erfolgte nach Abschluss der Jahresabschlussarbeiten.“ (Geschäftsbericht 2001 der DB AG, S.37)
Bei einer Vorbereitung ab Ende 1995 wird es sich um die am besten geplante Währungsumstellung aller Zeiten handeln. Im Zweifel wird sich die DB aber auf den letzten Satz berufen und nicht auf den vorletzten.
Danke wieder einmal für die erhellenden Kommentare!
Nur, wenn sich die Bahn hier auf den letzten Satz berufen sollte, stellt sich ja trotzdem die Frage, wie es kommen kann, dass diese Umstellung SELEKTIV in einem so zentralen Bereich nicht geklappt haben sollte. Das wird doch heutzutage nicht mehr Stück für Stück von Hand gemacht, sondern über zentrale Programme, die das einheitlich erledigen????
Das ist völlig unglaubwürdig, was die Bahn da erzählt.
Zitat aus dem Stern:
"Die Gesamtsumme ergibt sich aus der Summe der über 20 Seiten aufgelisteten Einzelposten, die für das "Paket 3 – Stuttgart 21" für die Jahre 2002 – 2010 aufgestellt wurden. Diese wiederum sind auch in einer Tabelle zusammengefasst. Immer in Euro. Addiert man die Einzelpositionen (z.B. 293 Millionen für 2005 und 457,3 Millionen für 2006), die laut BAST samt und sonders Euro-Angaben sind, so ergibt sich 4,2 Milliarden – und was sonst als Euro? Euro + Euro = Euro.
Doch "Nein" – sagt die Bahn. Denn, so hatten die Fachleute des Konzerns in diversen Sitzungen am Nachmittag herausgefunden, auch diese Euro-Angaben müssten eigentlich DM-Angaben sein. Während man nämlich bei der Auflistung von "Paket 1" und "Paket 2" korrekterweise alles bereits in Euro umgerechnet hätte, seien die Angaben für "Paket 3 – Stuttgart 21" in DM aufgelistet worden, allerdings als Euro verbucht.
Und nun wird es nicht nur kompliziert, sondern auch peinlich - denn dieses würde, wenn die Bahn-Version stimmt, nichts anders bedeuten, als dass das gesamte Zahlenwerk der BAST mit einem grundlegenden Fehler durchzogen ist, der bei Beiträgen in dreistelliger Millionenhöhe Euro mit DM verwechselt."
www.stern.de/politik/deutschland/stuttgart-21-schwere-fehler-in-der-bibel-1627395.html
Und das haben PWC angeblich nicht bemerkt.
Passend zum Thema noch ein kleines Schmankerl aus München:
"Bei den Planungen zum S-Bahn-Stammstreckentunnel in München ist es zu einem Fehler gekommen: Laut Münchner Stadtwerke verfehlen sich die beiden Tunnelröhren."
www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Bayern/Artikel,-Panne-Muenchner-Tunnelroehren-verfehlen-sich-_arid,2302193_regid,2_puid,2_pageid,4289.html
Leute, es ist ja nun wirklich ernst, aber ich muss gestehen, ich habe schon lange nicht mehr so viel gelacht, wie gestern und heute.....
Auch anderswo erkennt man nun die Vorzüge von S21:
sphotos.ak.fbcdn.net/hphotos-ak-snc4/hs965.snc4/75834_1497735047667_1362848471_31164826_1992295_n.jpg
Geht mir auch so. Die SPD kommt bei der Sonntagsfrage der StZ nicht in den Landtag, die Bahn kann DM und Euro nicht unterscheiden, Gönner geht baden... ich bin gespannt, was noch alles kommt.