Staatsanwaltschaft lässt SS-Mörder laufen

OStA Häußler Grün-Rot hat ein Justizdebakel allerersten Ranges (mit)zu verantworten: in Italien rechtskräftig verurteilte SS-Mörder müssen in Deutschland nicht vor Gericht. *)

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"Am 12. August 1944, kurz nach 6 Uhr, umzingelten vier Kompanien der 16. SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division „Reichsführer SS” der Waffen-SS das Dorf Sant’Anna, das etwa 400 Einwohner und mehrere hundert Flüchtlinge beherbergte. Offiziell sollte die Waffen-SS gegen Partisanen vorgehen, doch zu den etwa 560 Opfern zählten überwiegend Frauen und 116 Kinder. Sie wurden in Gehöften und auf dem Kirchplatz zusammengetrieben. Die Waffen-SS warf Handgranaten in die Menge und erschoss wahllos Männer, Frauen und Kinder. Außerdem brannten sie die Häuser des Dorfes nieder. Nach nur gut drei Stunden war das Dorf ausgerottet. Das jüngste Opfer war 20 Tage alt."

http://de.wikipedia.org/wiki/Sant%27Anna_di_Stazzema

Dies soll nach dem Willen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft und basierend auf deren 10jährigen Ermittlungen auf ewig ungesühnt bleiben. Die letzten Überlebenden jener 17 SS-Mörder, die am 12. August 1944 in Sant‘ Anna di Stazzema ca. 560 Menschen brutal ermordet hatten, darunter ca.107 Kinder im Alter bis zu 14 Jahren und 29 Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren, können demnach nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden

Und das war – schon wegen des offenkundigen staatsanwaltlichen Prügelns nach links und des Zwinkerns nach rechts - leider zu erwarten. Die Dreistigkeit und Unsensibilität aber, mit der die Stuttgarter Staastanwaltschaft das jetzt tut, verschlägt mir den Atem und lässt meine Emotionen kochen:

...Die Staatsanwaltschaft Stuttgart konnte den acht noch lebenden Beschuldigten eine Beteiligung an der Greueltat nicht individuell nachweisen.“ ...

Trotz der umfangreichen und äußerst aufwändig geführten Ermittlungen der Behörde und des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg konnte den Beschuldigten eine strafbare Beteiligung an den Geschehnissen nicht nachgewiesen werden.

Es könne nicht mit ausreichender Sicherheit belegt werden, dass es sich bei dem Massaker der Panzergrenadierdivision "Reichsführer SS" um eine "befohlene Vernichtungsaktion gegen die Zivilbevölkerung gehandelt" habe, teilte die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit.

Den Ermittlungen zufolge besteht auch die Möglichkeit, dass der Einsatz dazu dienen sollte, arbeitsfähige Männer nach Deutschland zu verschleppen und die Erschießung der Zivilbevölkerung erst befohlen wurde, als dieses Ziel nicht erreicht werden konnte. Damit sei es aber nicht möglich, eine Mordanklage der mutmaßlichen Täter mit der "bloßen Teilnahme an dem Einsatz" zu begründen. ...“

http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=10390374/1ox2tob/

Dies teilt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft 3 Tage vom dem 69. Jahrestag von Heinrich Himmlers Posener Rede vom 4. Oktober 1943 den Opfern und der Öffentlichkeit mit, in Himmler die Leitlinien für jenen "wahren Deutschen" vorgab, der, so vermute ich mal, auch in Sant'Anna wütete:

....Es ist grundfalsch, wenn wir unsere ganze harmlose Seele mit Gemüt, wenn wir unsere Gutmütigkeit, unseren Idealismus in fremde Völker hineintragen. Das gilt, angefangen von Herder, der die „Stimmen der Völker“ wohl in einer besoffenen Stunde geschrieben hat und uns, den Nachkommen, damit so maßloses Leid und Elend gebracht hat. Das gilt, angefangen bei den Tschechen und Slowenen, denen wir ja ihr Nationalgefühl gebracht haben. Sie selber waren dazu garnicht fähig, sondern wir haben das für sie erfunden.

Ein Grundsatz muss für den SS-Mann absolut gelten: ehrlich, anständig, treu und kameradschaftlich haben wir zu Angehörigen unseres eigenen Blutes zu sein und zu sonst niemandem. Wie es den Russen geht, wie es den Tschechen geht, ist mir total gleichgültig. Das, was in den Völkern an gutem Blut unserer Art vorhanden ist, werden wir uns holen, indem wir ihnen, wenn notwendig, die Kinder rauben und sie bei uns großziehen. Ob die anderen Völker in Wohlstand leben oder ob sie verrecken vor Hunger, das interessiert mich nur soweit, als wir sie als Sklaven für unsere Kultur brauchen, anders interessiert mich das nicht.....Wir Deutsche, die wir als einzige auf der Welt eine anständige Einstellung zum Tier haben, werden ja auch zu diesen Menschentieren eine anständige Einstellung einnehmen, aber es ist ein Verbrechen gegen unser eigenes Blut, uns um sie Sorge zu machen und ihnen Ideale zu bringen, damit unsere Söhne und Enkel es noch schwerer haben mit ihnen. …

Nun zu Italien, dem anderen Kriegsschauplatz! Wir müssen uns darüber klar sein, die Schwäche dieses Volkes liegt in seinem Blut, in seiner Rasse. Bei der Betrachtung dieses Problems muss man unterscheiden zwischen dem, was uns heute angenehm oder unangenehm ist, und dem, was uns für die Zukunft angenehm oder unangenehm ist. Italien war ein schwacher Bundesgenosse, von Griechenland und Afrika angefangen bis Russland. Es gibt ja kein Volk, das die Italiener nicht verdroschen hat, von denen die Italiener nicht Prügel bekommen hätten. Italien wird, dieses Endergebnis kann man gleich vorausnehmen, das geschmähteste Volk der Welt sein, denn keiner, kein Albaner, kein Montenegriner, kein Franzose, kein Amerikaner, kein Engländer, kein Russe, kein Deutscher wird vor ihnen Achtung haben, denn sie waren überall als Soldaten, als Männer feige. Das ist das erbärmlichste Urteil, das man über ein Volk und eine Rasse fällen kann. …

...Von Euch werden die meisten wissen, was es heisst, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte...“ [Hervorhebung SG]

http://www.nationalsozialismus.de/dokumente/texte/heinrich-himmler-posener-rede-vom-04-10-1943-volltext.html

Wer nun denkt, mehr Schande geht nicht mehr, der wird in der SZ eines anderen belehrt:

Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) sagte, er bedauere sehr, dass es trotz des großen Ermittlungsaufwands nicht gelungen sei, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. "Ich bin mir bewusst, dass dies besonders für die Angehörigen der Opfer dieses Kriegsverbrechens eine große Belastung ist." [Hervorhebung SG]

Die Ermittlungsbehörden seien an Recht und Gesetz gebunden, führte der Minister an. Hierzu gehöre vor allem auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Soldaten im Zusammenhang mit Tötungen während des Krieges wegen Mordes oder Beihilfe zum Mord verantwortlich gemacht werden könnten....“

Wir haben also, fast 70 Jahre nach diesem Verbrechen, immer noch Gesetze und höchstrichterliche Urteile, die die Verbrecher von damals ungeschoren davon kommen lassen? Und ein grün-roter SPD-Minister hat dafür nicht mehr als ein mäßiges verbales Achselzucken übrig? Schämt sich hier inzwischen eigentlich gar niemand mehr? Noch nicht mal der Form halber?

Aber wenn du glaubst, jetzt kommt wirklich nichts mehr, kommt irgendwo noch mehr braune Scheiße daher. Neun von den ursprünglich 17 Beschuldigten waren nämlich bereits 2005 von einem Gericht in La Spezia in Abwesenheit zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Die Urteile sind rechtskräftig, konnten aber angeblich nicht vollstreckt werden, da Deutschland - auf diesen Fall polemisch zugespitzt - eigene Mörder nicht ausliefert.

http://www.sueddeutsche.de/politik/massaker-im-weltkrieg-keine-anklage-gegen-ehemalige-ss-angehoerige-1.1483755

Das also ist der „Rechts“-mit-NSU-Staat, in dem wir leben. Bei Nazi-Mördern wird subtil unterschieden. In S21-Verfahren muss schon mal eine Richterin Beweise einfordern. Da scheint das nicht mehr so selbstverständlich zu sein (Link leider nicht mehr auffindbar).

Und die NSU gibt's einfach nicht, es sei denn die sind so blöd und verraten sich selber. Aber nicht zu leise, bitte! Sonst merkt man trotzdem nichts. Dann aber - wenn's so richtig kracht - staunen alle: Ja was? Ja gibt's das? Ja davon haben wir ja gaaaar nichts gewußt! Eeeeeehrlich.....

Und ich dachte, wir hätten das Dritte Reich endlich hinter uns. Und beim kritischen Bürgertum ist das wohl auch der Fall, was u.a. die folgende Petition beweist, die ausgerechnet ein SPD(!)-Minister meinte, zurückweisen zu müssen:

Wir fordern die unverzügliche Entlassung von Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler!

Von: Nico Nissen aus Ludwigsburg

An: Landesregierung in Baden-Württemberg

Seit Jahren fällt Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler in der Staatsanwaltschaft Stuttgart durch nachlässige oder parteiische Ermittlungen auf und lässt uns zunehmend am deutschen Rechtsstaat zweifeln......“

Einzelheiten hier:

https://www.openpetition.de/petition/online/wir-fordern-die-unverzuegliche-entlassung-von-oberstaatsanwalt-bernhard-haeussler

Pfui aber auch, du linkes Geschmeiß und Wutbürgertum:

Auch der Behördenchef Mahler wies die Kritik an Häußler scharf zurück. Der für Politiker zuständige Abteilungsleiter führe seine Verfahren „objektiv, personen- und sachangemessen“.... Er sei ein besonders erfahrener, in schwierigen Arbeitsfeldern erprobter Ermittler. Der Vorwurf parteiischer Ermittlungen sei „unrichtig und entbehrt jeder Grundlage“. ..

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.reaktion-auf-internet-kampagne-rueckendeckung-fuer-staatsanwalt.ee50a3cc-eefd-4c1f-85c2-0cb151e6ddf4.html

Aber, wenn Stickelberger schon keinen Bock hat, auch in Ba(n)den-Württemberg juristisches Personal vorzuhalten, bei dem Recht und Gesetz auch ohne die „richtige“ ideologische Einfärbung gelten, so hat er doch eine wohlfeile Krokodilsträne für die Angehörigen übrig. Wir können schließlich alles außer Recht sprechen. (Das mit dem Hochdeutsch glaubt nur der Turner).

War's das jetzt endlich? Leider nein. Denn es bleibt die Frage, welchem Zweck denn nun die lange "Ermittlungszeit" seit 2002 in Wahrheit diente. Wurde verzweifelt nach Gründen gesucht, das Verfahren einzustellen? Oder hatte man die längst und ließ die Sache einfach so lange liegen, dass der/ die Angeklagte(n) selbst eine neue Ermittlung und Anklage durch eine andere Staatsanwaltschaft nicht mehr erleben würde(n)? Kam dann dieser blöde Machtwechsel und schließlich noch die Petition dazwischen? Hatte man Angst, es könnte genauer hingeschaut und ein paar Schweinereien entdeckt werden? Hatte man Stickelbergers Kompetenz und Rückgrat hinreichend lange getestet, um sicher gehen zu können, dass er sich auf die hanhnebüchene Argumentation kritik- und hilflos einlassen würde?

Zur Erinnerung: seit 2010 ermittelte und klagte OStA Häußler so intensiv gegen alles, was sich in Stuttgart je in Zusammenhang mit einer Demonstration gegen S21 durch Schlossgarten und Stadt bewegt hatte, dass er es sogar für nötig hielt, auch in Bagatellverfahren schon mal persönlich vor Gericht anwesend zu sein, damit auch ja nichts schief ging. Selbst wenn man berücksichtigt, dass man die so verlorene Zeit durch Nicht-Ermitteln gegen Polizisten locker ausgleichen kann - rein theoretisch natürlich -, ist nur schwer vorstellbar, dass da noch Zeit für anderes war.

Und dann wäre auch noch interessant, woher eigentlich die Ente von der möglichen Anklage in die Presse gelangte, die dem ganzen dann die allerletzte Krone der Verhöhnung der Opfer aufsetzte.....

Ich kann gar nicht so viel schreiben, wie ich kotzen möchte....

Siehe ergänzend auch meine Kommentare hier: 02.10.2012 12:04. und hier: 03.10.2012 13:05 . Und natürlich die anderen weiter führenden Kommentare.

*) "im April 2004 eröffnete das Militärgericht von La Spezia einen Prozess gegen mehrere noch in Deutschland lebende Täter, die jedoch in ihrer Heimat als hochbetagte Rentner kein Strafverfahren oder gar den Strafvollzug fürchten müssen. Am 22. Juni 2005 endete dieser Prozess mit der Verurteilung von zehn früheren SS-Angehörigen zu lebenslanger Haft sowie Entschädigungszahlungen in Höhe von etwa 100 Millionen Euro. Alfred Mathias Concina, Karl Gropler, Georg Rauch, Horst Richter, Gerhard Sommer, Alfred Schöneberg und Ludwig Heinrich Sonntag legten Revision gegen das Urteil ein, das jedoch 2006 von einem Militärgericht in Rom bestätigt wurde."

http://de.wikipedia.org/wiki/Sant%27Anna_di_Stazzema

Die Überschrift bezieht sich auf dieses einzige rechtskräftige Urteil in dieser Sache. Ob deutsche Staatsanwälte in dieser Sache anklagen oder nicht ist für mich insoweit irrelevant. Solange die Beschuldigten sich auf keinen gegenteiligen rechtskräftigen Beschluss eines deutschen Gerichtes berufen können, gilt das italienische Urteil für mich uneingeschränkt. Schon gar nicht zählt für mich die Meinung eines OStA Häußler.

Überarbeitet und ergänzt am 02-10-2012, 13:00 h und 18:00 h.

Die Mitteilung der Stuttgarter Staatsanwaltschaft im Original (Nachgetragen am 02.10.2012, 12:15):

http://www.staatsanwaltschaft-stuttgart.de/servlet/PB/menu/1177707/index.html?ROOT=1177700

Ein Kommentar von mcmac mit ergänzenden Facetten:

https://www.freitag.de/autoren/mcmac/es-reicht

Eine Dokumentation von mcmac zur Rolle der Stuttgarter Staatsanwaltschaft findet sich hier

http://www.freitag.de/autoren/mcmac/grun-braunt-ohne-rot-zu-werden

Weitere Berichte zu Sant'Anna:

http://www.independent.co.uk/news/world/europe/ss-massacre-a-conspiracy-of-silence-is-broken-551764.html

http://www.wsws.org/articles/2004/oct2004/germ-o07.shtml

http://www.resistenza.de/content/view/74/82/

http://moerderunteruns.blogsport.de/2008/03/17/die-moerder-von-santanna-di-stazzema-sind-unter-uns-bericht-zum-aktionstag-gegen-kriegsverbrecher-am-06-mai-2006-in-freiberg/

http://antifa-frankfurt.org/verantaltungen/schendel.html

http://www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2012/08/neuer-ns-prozess/

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.stuttgart-prozess-zu-ss-massaker-moeglich.4d75243a-b8d1-45ce-9c23-1218fb346201.presentation.print.v2.html





Nach einer Mitteilung der Stuttgarter Staatsanwaltschaft vom 01.10.2012 dürfte der Massenmord, der am 12. August 1944, zwischen 6 und 10 Uhr, in dem italienischen Dorft Sant'Anna durch Mitglieder der Waffen-SS verübt wurde ungesühnt bleiben. Ein Grund für Polemik?

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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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