Staatsanwaltschaft verfassungsfeindlich?

S21 Ging OStA Häußler jetzt endgültig zu weit? Das Bundesverfassungsgericht soll klären, weil SPD-Justizminister versagt.

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"Kostenxplosion", menschenverachtender "Brandschutz", Behindertenfeindlichkeit, immer neue Tricks und Lügen, Amok laufende SPD-Baggerfreaks- der S21-Kessel kocht mal wieder über. Das scheint auch die Stuttgarter Justiz - insbesondere die politische Staatsanwaltschaft unter OStA Häußler- neu zu elektrisieren, die nicht erst seit ihrem heldenhaften Kampf gegen den Widerstand gegen S21, eine neutrale Justiz und die Wahrheit durch ein eigenartig bräunliches Verhältnis zu Demokratie und Rechtsstaat auffallen. Jetzt wird endlich das Bundesverfassungsgericht zur Klärung eingeschaltet. Hier der entsprechende Bericht bei BAA im Wortlaut:

Durchsuchung bei S21-Gegnern – Bundesverfassungsgericht eingeschaltet

Publiziert am 9. Dezember 2012 von Petra A

EXKLUSIV zum Bahn- und Immobilienprojekt Stuttgart 21

DER SPIEGEL online:
Strafverfolgung - Streit um Durchsuchung bei Stuttgart-21-Gegnern

Die Justiz in Baden-Württemberg geht hart gegen Stuttgart-21-Demonstranten vor: Beamte durchsuchen Häuser von Gegnern des Projekts, darunter sind ein Kripobeamter und ein pensionierter Richter. Ein Grünen-Politiker aus der Regierung kritisiert nach SPIEGEL-Informationen das Vorgehen.

Hamburg - Über die juristische Verfolgung von Gegner des Projektes Stuttgart 21 gibt es Streit in der grün-roten Koalition Baden-Württembergs. Hans-Ulrich Sckerl, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, äußert in einem Schreiben an Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) "Zweifel an der Verhältnismäßigkeit" staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. .. weiterlesen bei SPIEGEL.

Inzwischen wurde beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchungsentscheidungen eingelegt und dargelegt, dass grundgesetzwidrig die Wahrnehmung demokratischer Rechte zur Begründung eines angeblichen Tatverdachts verwendet wurde. Dieter Reicherter, vor seiner Pensionierung Vorsitzender Richter am Landgericht Stuttgart (Strafrichter) und ehemaliger Staatsanwalt, erläutert die näheren Umstände zu den Durchsuchungen, die auf eine "recht eigenartige Einstellung zum Recht" in einigen Justizkreisen schließen lassen.

Über die Hausdurchsuchung bei Richter a.D. Dieter Reicherter berichtete der SPIEGEL damals: "Wut auf die Wutbürger", sowie div. BAA-Artikeln wie: Hausdurchsuchung: Erklärung von Richter Reicherter oder HIER.

Wir zitieren nachstehend das Dokument in voller Länge:

Öffentliche Erklärung zu einer neuerlichen Hausdurchsuchung
Anlass: Veröffentlichung bei SPIEGEL online am 09.12.2012

Dieter Reicherter, Althütte, den 9.12.2012

Die Einschüchterung geht weiter
Bundesverfassungsgericht eingeschaltet

Vorgeschichte:
Bekanntlich wurde mein Haus am 27.6.2012 von einer Staatsanwältin und fünf Polizeibeamten in meiner Abwesenheit durchsucht. Grund dafür war, dass bereits am 25.2.2012 im Internet ein von mir stammendes Schreiben veröffentlicht worden war, in dem ich aus angeblich geheimen polizeilichen Unterlagen zitiert haben soll. Es handelt sich hierbei um den Rahmenbefehl Nr. 2 des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 20.12.2011 sowie um ein Gefährdungslagebild des Landeskriminalamts BW für den Zeitraum 8.9. - 28.9.2011. Aus den Unterlagen ergibt sich unter anderem, dass die Landespolizeidirektionen offene sowie verdeckte Aufklärung im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 betreiben und das Landeskriminalamt „unter Einbeziehung der Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz“ alle drei Wochen ein Gesamtgefährdungslagebild zu Stuttgart 21 erstellt, und zwar „insbesondere hinsichtlich entsprechender Versammlungen und Protestformen, relevanter Veranstaltungen, potentieller Störer sowie gefährdeter Personen und Objekte“. Deswegen wurden und werden beispielsweise Gottesdienste im Schlossgarten beobachtet und als Gefährdung der Sicherheit bewertet.

Die Durchsuchung und die Umstände ihrer Durchführung führten zu erheblichem Medieninteresse und bundesweitem Aufsehen. Beispielsweise berichteten DER SPIEGEL in seiner Ausgabe Nr. 29 vom 16.7.2012, mehrere Fernsehprogramme und zahlreiche Zeitungen. Über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung sowie der Beschlagnahme und Auswertung meiner Computer ist bis heute, also nach mehr als fünf Monaten, nicht entschieden, eben so wenig über die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme meiner schriftlichen Unterlagen.

Fälschlich teilte das Justizministerium dennoch Menschen, die aus Solidarität gegen die Durchsuchungsmaßnahmen protestierten, mit, dass „die rechtliche Beurteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart, insbesondere was die Anordnungsvoraussetzungen und die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung“ betreffe, durch eine amtsrichterliche Entscheidung bestätigt worden sei. In Wahrheit handelte es sich um einen Beschluss, mit dem z.B. die Beschlagnahme des Koalitionsvertrags, der Tagesordnung der Juristen zu S 21 und einer Terminabsage des Justizministers als Beweismittel für Geheimnisverrat bestätigt worden war. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart verweigert mir weiterhin jegliche Auskünfte zu den Einzelheiten der Durchsuchung und Auswertung, insbesondere der Computerdateien, obwohl ich nicht Beschuldigter, sondern Zeuge bin.

Folgemaßnahme: Durchsuchung bei einem Polizeibeamten
Obwohl bislang nicht geklärt ist, ob die Maßnahmen gegen mich rechtmäßig waren und meine Computerdaten als Beweismittel verwendet werden dürfen, hat die von Herrn Oberstaatsanwalt Häußler geleitete Politische Abteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart meine Computerdateien ausgewertet und daraus den Verdacht abgeleitet, Herr X, der Polizeibeamter beim Landeskriminalamt BW ist, habe mir die angeblich geheimen Unterlagen übergeben.

Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin beim Amtsgericht Stuttgart einen Durchsuchungsbeschluss gegen Herrn X erwirkt.

Zum Tatverdacht gegen Herrn X wird im wesentlichen ausgeführt, auf meinem Computer sei ein umfangreicher E-Mail-Verkehr zwischen mir und dem Beschuldigten sowie dessen Ehefrau mit Bezug zu „Stuttgart 21“ festgestellt worden. Unter anderem wird zitiert, der Beschuldigte habe sich „im Abschiedsgruß bis zur Demo“ verabschiedet. Insgesamt wird der Schluss gezogen, der Beschuldigte sei als engagierter Gegner des Projekts Stuttgart 21 zu sehen. Es wurde vermutet, der Täter stamme mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Bereich der Inspektion des Landeskriminalamts, die für das Gefährdungslagebild zuständig ist, oder aus einer benachbarten Inspektion des LKA, wozu die Dienststelle des Beschuldigten gehöre.

Richtig ist, dass mich mit Frau X eine intensive Zusammenarbeit bzgl. der Aufklärung des Schwarzen Donnerstags, insbesondere im Bürgertribunal zum 30.9.2010, verbindet. Herr X hatte an den Aktionen seiner Frau keinen Anteil und hielt sich mit Rücksicht auf seine dienstliche Tätigkeit immer sehr stark zurück.

Zwischenzeitlich wurden der Arbeitsplatz des Herrn X im Landeskriminalamt und das Haus der Eheleute X im Rems-Murr-Kreis durchsucht. An der Hausdurchsuchung waren zwei Staatsanwälte und sieben Polizeibeamte nahezu einen ganzen Tag lang beteiligt. Außer den Computern der Eheleute wurden schriftliche Unterlagen in großer Menge beschlagnahmt, die nicht von Herrn X stammen, sondern ausschließlich von Frau X. Es handelt sich um Unterlagen zu Stuttgart 21, zum Buch „Schwarzer Donnerstag 30.9.2010 - Wir klagen an“ sowie auch um Kopien zahlreicher von mir stammender und Frau X überlassener Korrespondenz mit Medien, Politikern, Behörden usw.

Die meisten schriftlichen Unterlagen wurden später an Frau X zurückgegeben. Allerdings wurde ihr keine Auskunft erteilt, welche ihrer Dokumente beschlagnahmt bleiben und welche vor der Rückgabe kopiert wurden – bemerkenswert deswegen, weil sich der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss überhaupt nicht gegen Frau X richtet. Dieses Verhalten entspricht genau den Methoden bei der Auswertung meiner Dokumente und Dateien.
Kurz nach der Durchsuchung hat das Polizeipräsidium Stuttgart damit begonnen, Zeugen zum 30.9.2010, die in dem Buch des Bürgertribunals zu Wort gekommen waren, zur Vernehmung vorzuladen. Selbstverständlich geht es dabei um die Aufklärung möglicher Polizeiübergriffe und nicht etwa um Einschüchterung der Zeugen und der Mitglieder des Tribunals.
Die Beschwerde des Herrn X gegen die Durchsuchung wurde vom Landgericht Stuttgart verworfen. Im Beschluss wird ausgeführt, dass zwischen Frau X und mir E-Mail-Kontakte zur Thematik „Stuttgart 21“ bestanden hätten. Zwischen Herrn X und mir habe es E-Mail-Kommunikation u.a. zur Hilfestellung bei WLAN-Einrichtung und zu einer Stellenanfrage beim LKA (Anmerkung: betraf meine Tochter, die eine Stelle als Biologin sucht!) gegeben. Daneben aber stützte sich die Strafkammer auch auf zwei E-Mails, die mir Herr X übersandt hatte und die „sich auf „Stuttgart 21“ beziehen dürften“, nämlich eine E-Mail, die Herr X unter der E-Mail-Anschrift seiner Frau „im Auftrag von... (Vorname der Frau)“ an mich übersandt habe sowie eine weitere E-Mail unter dem Absender der Frau X mit der Formulierung „auftrags ... (Vorname der Frau)“.

Besonders verdächtig war folgendes:
„Aus dem Beschwerdevortrag ergibt sich zudem, dass Frau X und der Zeuge Reicherter gemeinsam an einem Buch zum Thema „Stuttgart 21“ mitgearbeitet haben, das inzwischen veröffentlicht wurde. Schließlich wurde in einem Artikel der Stuttgarter Zeitung vom 30.09.2011 über das Ehepaar X u.a. wie folgt berichtet: „Das Rebellentum wurde der 53-jährigen (gemeint war Frau X) nicht in die Wiege gelegt. Wenn sie über ihr Verhältnis zur Polizei redet, dann erzählt die schmale Frau mit den dunklen Haaren als Erstes von ihrem Mann, der beim Landeskriminalamt arbeitet. Wie weit der Rechtsstaat gehen darf, darüber unterhalten sich die beiden beim Abendessen...“ Auch dies deutet auf die sich bereits aus dem oben genannten E-Mail-Verkehr des Beschuldigten ergebende Beschäftigung des Beschuldigten mit „Stuttgart 21“ und den Reaktionen seitens der Polizei in diesem Zusammenhang hin.“

Dazu eine Anmerkung: Leider wird nicht mitgeteilt, woher das Landgericht Kenntnis von dem Zeitungsbericht über Frau X hat. Entweder wurden auf der Grundlage des früheren Rahmenbefehls bereits im September 2011 Erkenntnisse über Frau X gesammelt oder die bei der Durchsuchung beschlagnahmten Unterlagen der Frau X, darunter der Zeitungsbericht, wurden in Kenntnis dessen, dass nur Beweismittel des Herrn X beschlagnahmt werden dürfen, dennoch ausgewertet.

Zum Tatverdacht gegen Herrn X stellte das Landgericht fest: „Die E-Mail-Korrespondenz zwischen den Eheleuten X und dem Zeugen Reicherter belegt, dass beide Seiten sich kannten, duzten, und Interesse dran hatten, sich zum Thema „Stuttgart 21“ bzw. „Demonstrationen“ oder „Polizeieinsatz“ auszutauschen.“
Weiter wird ausgeführt, auch mein E-Mail-Verkehr mit zwei anderen namentlich genannten Polizeibeamten sei ausgewertet worden, „wobei diese Korrespondenz keine Anhaltspunkte auf einen Zusammenhang mit dem hier gegenständlichen Tatverdacht ergab.“

Im Beschwerdeverfahren konnte nachgewiesen werden, dass Herr X im Zeitpunkt meiner Veröffentlichung noch in Stuttgart-Bad Cannstatt und somit nicht in Fellbach im Nachbargebäude der für „Stuttgart 21“ zuständigen Inspektion beschäftigt war und auch keinen Zugang zu jener elektronisch gesicherten Inspektion hatte. Darauf hatte er erfolglos schon vor Beginn der Durchsuchung hingewiesen. Dennoch war ihm verboten worden, nochmals an seiner Dienststelle zu erscheinen, und er war zur Einreichung von Zwangsurlaub gezwungen worden.
Das Landgericht zählt nach Widerlegung der ursprünglichen Begründung des Verdachts nun den Verteilerkreis des Rahmenbefehls auf (grob hochgerechnet haben die dort genannten Dienststellen ca. 30 000 Beschäftigte) und kommt zur Erkenntnis: „.... konnte es für die Begründung des Verdachts nicht darauf ankommen, an welcher konkreten Dienststelle der Beschuldigte im mutmaßlichen Tatzeitraum beschäftigt war. Vielmehr wurde der Tatverdacht zu Recht auf die sich aus den sichergestellten E-Mails ergebenden persönlichen Beziehungen zwischen dem Beschuldigten und seiner Ehefrau zu dem Zeugen Reicherter und auf deren gemeinsames Interesse am Thema „Stuttgart 21“ bzw. an den Reaktionen der Polizei auf durchgeführte oder durchzuführende Versammlungen gegründet. ...Tatsächlich wurden bei der Durchsuchung auch Unterlagen aufgefunden (beispielsweise „1 Hülle mit Schreiben H. Reicherter“), die als Beweismittel für das Verfahren in Betracht kommen können.“

Dass diese Begründung für den Tatverdacht auch auf Hunderte anderer Personen passt, die Kontakt mit mir hatten und Zugang zu den Unterlagen haben konnten (bis hin zu Polizeipräsident Züfle, Landespolizeipräsident Prof. Dr. Hammann, Oberstaatsanwalt Häußler, Innenminister Gall, Staatsrätin Erler, Ministerpräsident Kretschmann...), spielte offensichtlich keine Rolle.

Zum Hintergrund der Aktion berichtet Herr X, er sei schon seit Jahren am Arbeitsplatz gemobbt worden, was er durch Unterlagen über die Einschaltung einer Rechtsanwältin und längere Krankschreibungen belegen kann. Er erzählt weiter, sein Vorgesetzter habe angekündigt, ihn fertig machen zu wollen, und zwar mit Beweisen, gegen die er sich nicht wehren könne.

Seit der Durchsuchung ist Herr X psychisch angeschlagen und nicht mehr dienstfähig. Seine Frau, die viele Jahre selbst bei der Stuttgarter Justiz beschäftigt war, hat ihren Glauben an den Rechtsstaat vollends verloren und fühlt sich, obwohl sie nicht Beschuldigte ist, als Opfer von gegen sie ausgeübter Willkür. Die Eheleute sind gegenwärtig nicht in der Lage, sich selbst um die nötigen Rechtsbehelfe zu kümmern.

Ein beauftragter Rechtsanwalt hat am 29.11.2012 beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchungsentscheidungen eingelegt und dargelegt, dass grundgesetzwidrig die Wahrnehmung demokratischer Rechte zur Begründung eines angeblichen Tatverdachts verwendet wurde.

Die Frage wird nun sein, wen als Folge der Auswertung der Dateien der Frau X, einer aktiven Projektgegnerin, die nächste Durchsuchung treffen wird.

Dieter Reicherter

Diese Erklärung darf weitergegeben und auch veröffentlicht werden.

Ende des vollständig übernommenen Textes.

Der Fall Mollath lässt grüßen. Während Bayern allerdings das "Glück" hat, von einer CSU regiert zu werden, die, wenn Wählerstimmen verloren zu gehen drohen, sehr schnell Kurskorrekturen vorzunehmen bereit ist(Wackersdorf, Transrapid, Mollath), fällt Grün-Rot in BW bislang eher durch ein Fehlen von Rückgrat und die Anbiederung an einen rechtsgewirkten Apparat auf.

Ebenso wird allmählich eine Tradition im Stuttgarter Justiz- und Polizeiapparat sichtbar, die anscheinend von Weimar über das "Dritte Reich" rechsstaatlich unbeeinträchtig bis heute andauert. Und die SPD-Minister Gall und Stickelberger blicken stumm auf der rechten Scheiße herum.

Bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht diesem Treiben jetzt ein deutliches Stoppsignal setzt.



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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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