Stuttgart 21: Das neue A...loch Europas

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„Trickdieb auf frischer Tat ertappt“ lautete die Überschrift eines Feed von Tagesspiegel Online am 23.11.2011, und ich dachte spontan: Jetzt haben sie den Grube endlich dingfest gemacht. War dann aber doch nur ein kleiner Manipulator von Bankautomaten. Nicht der Rede wert, sofern man nicht selbst betroffen ist. Da dreht der Grube ganz andere Dinger. (1) Und orientiert man sich an der Werbung für S21, dann ist die Volksabstimmung am 27.11.2011 für ihn ein Idiotentest, in dem er am Beispiel von Baden-Württemberg herausfinden will, ob es genügend Dumme und/ oder Uninformierte gibt, die auf seine Tricks noch hereinfallen.

Und nicht nur er will es wissen. Seit der Finanzkrise sind nämlich die Dummen, Verführbaren und Leichtgläubigen, denen man Schrott andrehen kann, global ziemlich rar geworden. Aber in BW gibt es noch Geld zu holen. Auch in Stuttgart. Schließlich haben die dortigen Polit-Schwaben an Schultoiletten u.a. jahrelang vorbildlich gespart, und der mittelmäßige OB-Darsteller Schuster hat es, trotz Trump-Towerle-Visionen und Wasser-Privatisierung nebst späterer Ent-Privatisierung bislang einfach nicht geschafft, die Stadt finanziell zu ruinieren. Bleibt nur noch eine letzte Chance für Stuttgart, mit anderen Verzocker-Kommunen mitzuhalten: das Milliardengrab. Die ganz große Steuergeldversenke. Das ganz große Schulden-Ding, mit dem Schuster und seine bornierten Provinzspießer endlich einmal GANZ GROSS, GANZ GROSS rauskommen wollen. Solche Klientel aber ist seit jeher die ideale Kundschaft für alle, die ihre Macht- und Geldgier durch den Verkauf von als Träume deklarierten Seifenblasen befriedigen. (2)

Und so stehen die globalen Drückerkolonnen nun Schlange und warten auf das ganz große Startsignal, das ihnen zunächst in Baden-Württemberg und dann in ganz Deutschland die Geldbeutel und Sparkonten der noch unerschlossenen Dummen öffnen soll. Das ganz große Ding eben. Keine Peanuts wie Bankautomaten...Gott wie primitiv....

Nun will die Mehrheit in diesem Land natürlich ihr Geld nicht – Pardon - für Scheiße ausgeben. Man nimmt als feiner Bürger so ein Wort noch nicht einmal in den Mund, geschweige denn das so Benannte in die Hand. Aber „Herz“, das klingt doch schon ganz anders. Vor allem in Schwaben, wo man sich doch mit dem Image der Hartherzigkeit plagt. Und dann auch noch „geschenkt“ (Grube) – bezahlt zwar mit Geld, das einem der Staat vorher aus der Tasche gezogen hat, aber das merkt ja keiner, dem die eigene kleine Geldgier das Hirn vernebelt.

Und gar das „neue Herz Europas“! Oohhhh! Der Duft der großen, weiten Welt! Im Kessel, aus dem man bislang flüchten muss, will man ihn schnuppern!

Aber Moment mal: Dunkle, stinkende Röhren, die hin und wieder mehr oder weniger feste Würste ausscheiden? Das schien mir dann doch eher nach Darm zu klingen. Und auch der Blick auf eine Europa-Karte sprach nicht unbedingt für Herz. Also da wäre der Stiefel Italien....obwohl... seit Berlusconi vielleicht doch eher ein Penis? Egal. Auf jeden Fall wäre Stuttgart eher ... gut, nicht gerade der Arsch....vollgefressener Wohlstandsbauch schon eher ....ach, sagen wir einfach mal: der Nabel? Und dann könnte man im Tiefbahnhof doch zumindest einen künstlichen Ausgang sehen – also irgendwie schon das neue Arschloch Europas. Oder?

Würde auch inhaltlich passen. Denn wo sonst in Europa gibt es noch Deppen, die sich so etwas andrehen lassen wie einen Tunnel-Bahnhof, der die Stadt für Durchreisende zu einem schwarzen Loch macht, das Herz der Stadt zerstört, den Nahverkehr ruiniert und auch noch Milliarden kostet ?

Also wird das Unaussprechliche gründlich gebürstet und geschrubbt und so lange mit weißer Creme eingeschmiert, bis es glänzt und strahlt. Und dann wird das Schild „Herz“ angebracht. Und wenn der Bürger den Betrug bemerkt, sitzt er längst ...ja, wo wohl? ...in der Scheiße.

Das geeignete Fachpersonal für Bahn-Proktologie glaubte man im Büro Aldinger+Wolf gefunden zu haben. Und die schrubbten und schminkten gleich so gekonnt, dass man Stuttgart, seine Geographie und Geschichte auf dem Lügenbild gar nicht wieder erkennt, das OB-Darsteller Schuster seinem Lügenbrief beidruckte, der heute u.a. auch in meinem Briefkasten landete und meine spärliche Intelligenz beleidigte. Fluegel.tv stellte gestern ein Video ins Netz, in dem – reichlich garniert mit schwäbischer Folklore und Kammermusik – ab ca. Minute 13 die Klitterung auseinander genommen wird. (3) Siegfried Busch, einer der Redner hat das Bild auch in seinem Blog kommentiert. Man beachte besonders die neue Baumzüchtung von Aldinger+Wolf, den sogenannten Betonflachwurzler, einen Baum, der vorwiegend auf Beton mit geringer Erdauflage wächst. (4)

Busch verlinkt auch zu einem Werbefilm von Aldinger+Wolf , der gekonnt das Thema „Dichtung ohne Wahrheit“ aufgreift und vielfältig variiert. Am besten gefiel mir der Kernsatz: „Menschen verbinden. Der neue Hauptbahnhof in Stuttgart“. Denn er trifft so voll die aktuelle Realität in der vor Liebe glühenden Stadt, wo Befürworter und Gegner sich chronisch in den Armen liegen und abküssen. Sehr wirklichkeitsnah getroffen scheint mir auch der menschenleere, ariel-tiefenporig-gereinigte Tunnelbahnhof, wo ein älterer Wutbürger tief befriedigt einem Zug entsteigt, nachdem zuvor eine stolze Blondine die autofreie Hauptverkehrsstraße vor dem Bonatzbau überquert hatte..nein, Moment, da war genau 1 Auto. Das wollen wir nicht unterschlagen, denn das hielt sehr freundlich an, um die Dame zur Inempfangnahme ihres ständigen Begleiters queren zu lassen.

Süß auch, dass Aldinger+Wolf den Alibi-Rollstuhlfahrer nicht vergessen haben. Er macht sich gerade daran, den Aufzug im „völlig barrierefreien“ Bahnhof zu benutzen. Denn der ist gerade nicht wegen Reparatur für ein paar Monate außer Dienst und eine Katastrophe gibt es gerade auch nicht. Und so kann man ihn tatsächlich benutzen. Aber eine Katastrophe ist auch nicht wirklich schlimm, meint Herr Kefer (der mit dem Geißler grinst). Denn es sind ja drei Leute plus Schaffner da, die den Rollschuhfahrer aus dem Bahnhof tragen würden, sofern die Lautsprecheranlage funktioniert und die entsprechende Durchsage nicht vergessen wird. Und der neue Bahnslogan lautet ja bekanntlich: Alle reden von Pannen. Wir machen sie. (5)

Grinse-Kefer dazu: „Wir gehen davon aus, dass Mitreisende, sowie Mitarbeiter der Deutschen Bahn und gegebenenfalls anwesende Sicherheitskräfte die Evakuierung von Menschen mit Gehbehinderungen im Rahmen der Hilfeleistungspflicht schon in der Selbstrettungsphase unterstützen“, schreibt Kefer. In Lautsprecherdurchsagen würden gesunde Menschen zur Mithilfe im Störungsfall aufgerufen.“ (6)

Dass man Wahrheit und Klarheit in „Stresstests“ der Bahn garantiert nicht zu sehen bekommt, wissen wir mittlerweile. Und jetzt ist es auch noch wissenschaftlich bestätigt worden.* Deshalb zur Validität der Bahnaussagen ein Blick in einen Werbeprospekt für S21 aus dem Jahr 1997. Dort hieß es u.a.:

- der derzeitige Kopfbahnhof könne das Fahrgastaufkommen 2010 in keiner Weise mehr bewältigen (zum Vergleich: wir haben jetzt Ende 2011 und besitzen den zweitpünktlichsten Großstadtbahnhof in D)

- mit der Bebauung des freiwerdenden Bahngeländes könne nach Fertigstellung des Tunnelbahnhofs 2008 begonnen werden (Kommentar überflüssig)

- S21 werde das erste von einer ganzen Reihe von S21-Projekten in D sein und damit . Vorbildcharakter für andere Städte haben, die alsbald folgen würden (Kommentar überflüssig). (3)

Weshalb dann immer noch dieses massive und manipulative Engagement für das neue Arschloch Europas? Dies wurde schon vielfach beantwortet. (7) Weniger beantwortet ist die Frage, weshalb, laut jüngster Umfrage, dennoch 55 Prozent der Baden-Württemberger bereit sind, sich in der Volksabstimmung zu Deppen des Kapitals zu machen. Die Antwort darauf ist, dass sich die hiesigen Medien nach dem Fall der Mauer das „Tal der Ahnungslosen“ (8) aus der Erbmasse der DDR sicherten und es nach Baden-Württemberg importierten. Von der umfassenden aufklärerischen Öffentlichkeitsarbeit des Stuttgarter Widerstandes bekommt die Mehrheit der Baden-Württemberger schlicht und einfach nichts mit.

Zur Erinnerung an die Zeit davor: „Ohne das Kernkraftwerk Wyhl werden zum Ende des Jahrzehnts in Baden-Württemberg die ersten Lichter ausgehen“, so Ministerpräsident Filbinger selig 1975. Fünf Kernkraftwerke sollten damals auf dem deutschen Rheinufer zwischen Basel und Mannheim gebaut werden. Aber: trotz solchen – aus heutiger Sicht – totalen Schwachsinns errang er bei der Landtagswahl 1976 mit dem Wahlkampfslogan „Freiheit statt Sozialismus“ 56,7 Prozent und feierte damit den bis dato größten CDU-Wahlerfolg in der Bundesrepublik. Erst der Hochhuth-Faktor stürzte ihn schließlich. (9)

Es braucht also wohl auch bei der Volksabstimmung wieder einen -Faktor. Als der KÖNNTE sich der rassistische Rechtsterror erweisen, der den Migranten drastisch die Augen dafür geöffnet hat, was sie von der derzeit herrschenden Kaste zu erwarten haben. Mich hat es jedenfalls überrascht, dass ich ausgerechnet am Tag nach Veröffentlichung der letzten Umfrage-Ergebnisse von zwei türkischstämmigen Youngstern auf offener Straße zum Thema angesprochen wurde. "Iptale evet", "Ja zum Ausstieg" heißt deswegen richtigerweise die entsprechende Infobroschüre der S21-Gegner. (10)

(1) www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/trickdieb-auf-frischer-tat-ertappt/5878522.html

(2) www.youtube.com/watch?v=GMJlsQjLnTg

(3) www.fluegel.tv/beitrag/1408

(4) s21.siegfried-busch.de/index.html (Falsche Werbung)

s21.siegfried-busch.de/page2/files/pastedgraphic.pdf

(5) www.youtube.com/watch?v=StfqRMXjGmk

(6) www.welt.de/politik/deutschland/article13510683/Stuttgart-21-Gegner-warnen-vor-Brandkatastrophe.html

* www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1500798/Das-war-kein-Stresstest?setTime=0#/beitrag/video/1500798/Das-war-kein-Stresstest

(7) www.freitag.de/community/blogs/mcmac/der-feind-in-deinem-bett?loggedin=1

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/stuttgart-21-ein-formaldemokratischer-staatsstreich

(8) de.wikipedia.org/wiki/Tal_der_Ahnungslosen

(9) de.wikipedia.org/wiki/Hans_Filbinger

(10) www.morgenweb.de/nachrichten/politik/20111123_mmm0000002515178.html

Ergänzt am 24.11.2011 00:06 Uhr

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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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