„Der Fall ist schockierend. Vor allem, weil hauptsächlich über den Täter gesprochen, aber kaum an die Jungen auf den Fotos, die Edathy legal gekauft haben will, gedacht wird.“ So nimmt der Traumaberater Thomas Schlingmann in einem Interview der taz einen Alarmruf auf, der immer noch eher am Rande ertönt, wenn es um schwerste Verbrechen geht, aber immer & und zunehmend immer schriller, wenn es um Sachverhalte um das Unwort „Kinderschändung“ geht.
Damit geht einher eine Inflationierung des Missbrauchsbegriffs bis zu dem Grad, dass Menschen mittlerweile schon in einem Fall von vermutlich derzeit noch legalen Nacktphotos als „Kinderficker“ [Links hierzu spare ich mir] tituliert werden, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit staatsanwaltlichen Vorgehens äußern, die sich auf ein breites Spektrum von Experten und unmissverständliche Urteile des Bundesverfassungsgerichtes stützen. (1)
Eine exzellente Analyse des staatsanwaltschaftlichen Vorgehens unter eher sprachtaktischen Gesichtspunkten versucht aktuell die Bürgerrechtlerin & Autorin Bettina Hammer bei telepolis:
„Wer sich mit der Thematik befasst, der stößt auch bei der sogenannten Kategorie 2 auf den Aspekt, dass hier nicht mehr das tatsächlich abgebildete Geschehen bewertet wird, sondern die ggf. vorhandene [besser: spekulativ angenommene -sg]Wirkung auf den Betrachter: "Aufnahmen von Kindern, die keine sexuellen Handlungen zeigen – aber auf Pädophile stimulierend wirken können. …..
Tatsächlich ist dieses "Kategorie 1 und 2"-Gerede, das legale Inhalte in die direkte Nähe zu illegalen rückt, eine perfide Strategie um den Gedanken, dass es letztendlich egal ist, ob das Material illegal ist oder nicht, in den Köpfen zu verankern, als sei es insofern auch egal, ob jemand rechtlich gesehen unschuldig ist oder nicht, wenn nur Staatsanwaltschaft bzw. Ermittler der Meinung sind, es sei fragwürdig genug, was getan worden war.
Auf diese Weise wird ….immer wieder aufs Neue der Delinquent in die Nähe der Kinderpornographie in rechtlicher Hinsicht gerückt.“ [Hervorhebungen von mir] (2)
Ebenfalls bei telepolis macht Arno Klönne deutlich, dass man speziell im Fall E. jenes beklagte notorische Übersehen der Opfer auch durchaus nicht auf die Gegenpole Täter – Opfer beschränken kann:
„Bei der Straftat, auf die hin bei Edathy ermittelt wird, geht es um den rechtlichen Schutz für Kinder, nicht um Abwägungen, wie denn in Sachen Parteienpolitik "Schaden" vermieden, begrenzt oder auch herbeigeführt werden kann. Aus dieser Sicht heraus wären Fragwürdigkeiten dieses Falles zu erforschen, dazu besteht wenig Neigung.“
Ein Alarmruf also, der bei einem Traumaberater geradezu zwingend ist, kann im breiten öffentlichen Diskurs mannigfachen Zwecken dienen, die mit den Opfern selbst nicht das geringste zu tun haben: Ablenkung von Mißständen, Diskreditierung von Andersdenkenden, Legitimierung eigener „niederer“ Instinkte wie Lynch- und Mordlust.
Was also als moralisierender, hoch emotionaler Ruf nach Gerechtigkeit für die (Missbrauchs)Opfer daherkommt, kann durchaus schmirerig-schäbiger Missbrauch realen Leids von Opfern zur eigenen Befriedigung oder zu eigenen verwerflichen Zwecken sein. Der „gelbe Stern“ sucht verzweifelt nach neuen, „legitimen“ Opfern (das waren die „Juden“ übrigens damals nach herrschender Meinung auch). Und nach dem Wegfall von „Kommunisten“, „Vaterlandsverrätern“, „Zigeunern“ und Homosexuellen ist der Kreis der Kandidaten für allgemein akzeptierte „Sonderbehandlung“ zunehmend auf den Kreis der „Kinderschänder“ geschrumpft.
Nichts wäre für das „gesunde Volksempfinden“ schlimmer, als wenn man aus diesem Täterkreis jetzt auch noch Nacktphotobesitzer, die direkt womöglich nur den Photos „etwas antun“ oder gar Pädophile herausdividieren würde, die vermutlich nur eine Minderheit von ca. 10 der Täter ausmachen. Am schlimmsten wäre dies natürlich für jene ca. 90 Prozent der nicht-pädophilen Täter, die dann selbst ausschließlich ins Blickfeld gerieten. Wäre es sehr weit hergeholt, wenn man annehmen würde, dass genau diese Gruppe Anlass hätte, am lautesten zu schreien: „Haltet den Dieb!“?
https://de.wikipedia.org/wiki/Sexueller_Missbrauch_von_Kindern (Tätertypologie)
Nichts genaues allerdings weiß man nicht. Und auch sonst muss man es nicht bei dieser polemischen Rabulistik belassen. Man kann den Alarmruf auch von anderer Seite in Frage stellen. Insbesondere dann, wenn, wie im aktuellen Fall, der Besitz von vermutlich noch legalen Nacktphotos in einen Topf mit dem Betatschen von Kindern, und das mit dem „vollendeten“ sexuellen Missbrauch, und jener wiederum mit dem brutalst möglichen Missbrauch, und dieser schließlich mit dem Sexualmord gleichgesetzt und alles auf den Nenner „Kinderschänder“ oder „Kinderficker“ gebracht wird.
Für die am schlimmsten misshandelten Opfer inflationiert man nicht nur den Begriff, sondern auch die zugrunde liegende Tat. Für die eher harmloser Geschädigten („natürliche“ Nacktphotos) *) bläst man den Sachverhalt ins Monströse auf – und fügt dem wankenden Selbstbild der Betroffenen so erst recht Schaden zu.
Ist das vielleicht im Interessen der Kinder? Oder ist das eher im Interesse der narzistischen Befriedigung eigener „niederer“ Instinkte? Ist das vielleicht gar selbst „Kinderschädung“? Werden hier vielleicht Kinder auf dem Altar von „Moral“ & Staatsräson geopfert und man verkauft es sich selbst und anderen als „Kinderschutz“?
Und: zeigt nicht gerade die Tatsache, dass wir Kinderschutz hier, wie so oft, nur aus der Sicht des Strafrechtes ableiten & definieren, dass es uns um alles mögliche dabei geht, nur nicht um die Kinder? Ergibt sich die Unrechtmäßigkeit des öffentlich Machens von Kinder(nackt)photos nicht bereits aus den Grund- und Menschenrechten? Wer gibt eigentlich irgendjemandem das Recht, Photos von Kindern öffentlich zu machen oder gar kommerziell zu verwerten?
Mit der letzten Frage kommen wir nun aber schon in einen Bereich des Kindesmissbrauchs, der auf keinen Fall ins Blickfeld geraten darf. Denn es könnten „Arbeitsplätze gefährdet“ sein!!!!! Schließlich geht es um die Werbebranche, den Markt für „Kinderprodukte“, das „Kinderfernsehen“ und Kino und Fernsehen überhaupt. Und weil diese Interessen allemal über den Rechten der Kinder stehen, hat man sich die Frage der Kinderphotos nie auf dieser Basis gestellt, sondern läuft mit immer engeren strafrechtlichen Verengungsversuchen mit einem gewollten Schweizer Käse-Gesetz erfolglos einer Pornoindustrie und ihrem Kometenschweif hinterher.
Das Geschrei jetzt ist also wohlfeil, verlogen und am Ende wohl auch folgenlos. Und es wird so lange folgenlos sein, solange wir nicht versuchen, die Stimme der Kinder zu sein, anstatt die Kinder als Transportmedium für unsere ganz eigenen, mehr oder weniger schrägen, Ideologien, Voreingenommenheiten & Interessen zu missbrauchen.
Womit der eingangs zitierte Traumaberater ausdrückllich nicht gemeint sein soll. Aber jenseits davon ist daran zu erinnern, dass wir – offiziell - ein säkularer Rechtsstaat und kein „Gottesstaat“ sind. Und die Inquisition, bzw. deren faschistisches/ stalinistisches Äquivalent des „Volksgerichtshofes“ sind noch nicht wieder eingeführt.
*) Update:
„Solche Aufnahmen spielen eine ganz große Rolle. Betroffene müssen als Erstes lernen: Ausleben der Sexualität mit Kindern fällt aus. Für immer. Das müssen die Patienten akzeptieren. Wer seine Sexualität nicht ausleben kann, sucht nach Ersatz – etwa in Form von Bildern oder Videos.
…......
Erlaubt wären demnach "Bilder aus Wäschekatalogen, Fotos aus dem Schwimmbad oder Urlaubsvideos vom FKK-Strand, die ohne sexuelle Motivation aufgenommen wurden, und deren Besitz und Verbreitung nicht strafbar ist.
…....
Die meisten Pädophilen stellen sich zärtlichen Kontakt zu Kindern vor, etwa Streicheln, erotisches Küssen, Umarmen. Viele finden es erschütternd und abstoßend, wenn Vergewaltigungen von Kindern gezeigt werden. ....Aber es tritt bei manchen auch ein fataler Effekt ein. Sie denken: Wenn es da draußen so etwas gibt, wenn so etwas Krasses wirklich gemacht wird, dann kann das, was ich mir wünsche, doch nicht so schlimm sein.
.......
Meist werden von denselben Kindern ganze Strecken fotografiert, die nach unserem Ampelsystem bei Grün anfangen, über Gelb weitergehen und bei Rot aufhören. Und für letztere werden de facto Kinder sexuell missbraucht.“
ZO-Interview mit Christoph J. Ahlers, Klinischer Sexualpsychologe und Leiter der Praxis für Paarberatung und Sexualtherapie am Institut für Sexualpsychologie in Berlin, Mitbegründer des Präventionsprojekts Dunkelfeld und Klinischer Leiter am Leipziger Standort von Kein Täter werden, wo Pädophile behandelt werden.
Zur Vertiefung siehe auch:
(1)
http://www.sueddeutsche.de/politik/fall-edathy-strafrecht-ist-kein-moralrecht-1.1890180
http://www.heise.de/tp/blogs/8/150454
http://www.kanzleikompa.de/2014/02/13/die-gummiparagrafen-die-er-rief/
http://www.heise.de/tp/artikel/41/41002/
(2)
https://www.lawblog.de/index.php/archives/2014/02/17/fuenf-saetze-haetten-genuegt/
http://www.kanzleikompa.de/2014/02/11/die-harke-macht-sich-ein-falsches-bild/
http://www.kanzleikompa.de/2014/02/12/anmerkungen-zur-berichterstattung-ueber-edathy/
http://www.kanzleikompa.de/2014/02/08/schuldig-bei-verdacht/
http://www.sz-online.de/sachsen/ex-npd-abgeordneter-muss-1000-euro-zahlen-2144115.html
Kommentare 16
danke für den beitrag und die link´s ...
hab mir gerade gedacht, was wohl alle die, die jetzt ohne nach rechts und links zu schauen beim thema rechtsstaat/edathy auf den zug: "was ist mit den kindern" aufspringen, machen werden, wenn es an ihrer tür klingelt und auf ihren computern illegales material gefunden wird, dies ungeprüft medial veröffentlicht wird, der chef und die nachbarn und der rest des dorfes dies erfahren ... und sie dann versuchen um ihr eigenes recht zu kämpfen ... nur mal so ... sich einen funktionierenden rechtsstaat wünschen ...
"wenn es an ihrer tür klingelt und auf ihren computern illegales material gefunden wird, dies ungeprüft medial veröffentlicht wird,"
Bei diesem Zitat werden wohl manche - wie auch Edathy - mit den Schultern zucken und sagen: Hab ja nur Legales.
Deshalb ergänzend: es muss gar nicht illegal sein. Je nach Ruf, Position usw. genügt ja schon eine ganz legale breite Beinspreizung in Großaufnahme.....
Und nicht immer bekommt auch das "Härteste" die größte Aufmerksamkeit.
Am 15.02.2014 erschien z.B. dieser Beitrag bei telepolis:
„Jedes Jahr werden in Deutschland 160 Kinder durch körperliche Gewalt getötet mindestens.....
Die beiden Ärzte beschränken sich dabei auf das Thema der physischen Misshandlung; sexueller
Missbrauch und psychische Misshandlung kommen im Buch nicht vor, weil dies eigenständige
Themen sind bzw. in andere Fachgebiete gehören. …..
Und wir sprechen hier nicht vom Fremden, nicht vom Kindermörder, der umherfährt und ein Opfer im Landschulheim sucht, sondern von Gewalt in der Familie. An Kindern, die vorher schon in Obhut des Jugendamtes waren! Wo Gewalt in der Familie bekannt war! Das kam immer wieder vor, das ist ein systematisches Versagen. …..
Fast immer waren es die Eltern oder ein neuer Lebenspartner, Stiefvater oder Lebensgefährte.“
http://www.heise.de/tp/artikel/40/40936/1.html
Hat es danach irgendeine dem Fall E. auch nur entfernt vergleichbare Empörung gegeben. Und solche Dinge werden ja z.B. im TV immer wieder thematisiert. Aufregung? Im Null-Komma-Bereich. Aberrr Naaaacktphotos.....!
Vielleicht erzeugt es in manchen Kreisen ja einen ganz besonderen (juristischen) Kick, jemanden wegen etwas Legalem dranzukriegen?
"wenn es an ihrer tür klingelt und auf ihren computern illegales material gefunden wird, dies ungeprüft medial veröffentlicht wird,"
Bei diesem Zitat werden wohl manche - wie auch Edathy - mit den Schultern zucken und sagen: Hab ja nur Legales.
Deshalb ergänzend: es muss gar nicht illegal sein. Je nach Ruf, Position usw. genügt ja schon eine ganz legale breite Beinspreizung in Großaufnahme.....
Und nicht immer bekommt auch das "Härteste" die größte Aufmerksamkeit.
Am 15.02.2014 erschien z.B. dieser Beitrag bei telepolis:
„Jedes Jahr werden in Deutschland 160 Kinder durch körperliche Gewalt getötet mindestens.....
Die beiden Ärzte beschränken sich dabei auf das Thema der physischen Misshandlung; sexueller
Missbrauch und psychische Misshandlung kommen im Buch nicht vor, weil dies eigenständige
Themen sind bzw. in andere Fachgebiete gehören. …..
Und wir sprechen hier nicht vom Fremden, nicht vom Kindermörder, der umherfährt und ein Opfer im Landschulheim sucht, sondern von Gewalt in der Familie. An Kindern, die vorher schon in Obhut des Jugendamtes waren! Wo Gewalt in der Familie bekannt war! Das kam immer wieder vor, das ist ein systematisches Versagen. …..
Fast immer waren es die Eltern oder ein neuer Lebenspartner, Stiefvater oder Lebensgefährte.“
http://www.heise.de/tp/artikel/40/40936/1.html
Hat es danach irgendeine dem Fall E. auch nur entfernt vergleichbare Empörung gegeben. Und solche Dinge werden ja z.B. im TV immer wieder thematisiert. Aufregung? Im Null-Komma-Bereich. Aberrr Naaaacktphotos.....!
Vielleicht erzeugt es in manchen Kreisen ja einen ganz besonderen (juristischen) Kick, jemanden wegen etwas Legalem dranzukriegen?
pardon, ich meinte es so:
Die Snowden-Veröffentlichungen dieses Wochenende geben uns endlich schriftlich, dass die Dienste "Beweise" auf kompromittierten Computern hinterlegen, um Unschuldige anzuschwärzen.
Liebe Rechercheuse,
ich bin wieder mal kurz drin. Aufatme.....
Ja, so klingt es etwas anders. Aber bei E. müssen die ja was verbockt haben. Womöglich haben sie es versehentlich der Mutti oder dem Pofalla untergeschoben und finden es nun nicht mehr..... ;)
Es geht aus meiner Sicht in der aktuellen Diskussion viel weniger um Kinder und ihren Schutz, sondern um Tabu, Ahndung von Gedankenverbrechen, Delegation eigener Potentiale und die Schleifung von Ohne Gesetz keine Strafe.
Von Edathy ist nicht bekannt, ob er pädophil, geschweige denn, ob er pädokriminell ist - bereits der Verdacht aber gerät zur Lynchjustiz. Mir blieb z.B. gestern der Mund offen anhand der perfiden Ferndiagnostik der Zeit-Journalistin Mariam Lau: Die zwei Gesichter des Aufklärers.
Sehr lesenswert fand ich hingegen Hans Hütt Zur politischen Kultur des Neobiedermeiers Die Staatsaffäre Edathy zeigt, was aus uns geworden ist: Absolute Macht wird durch absolute Unterwerfung unter ihre Opportunitäten vorauseilend legitimiert. Und alle spielen mit. (vielen Dank an ed2m)
Es stellt sich mir ergänzend dazu die Frage, warum eigentlich alle so bereitwillig mitspielen. Neben den üblichen journalistischen und politischen Opportunismen und möglichen offenen Rechnungen von 'Ermittlerkreisen' und Diensten wegen Edathys exzellent durchgeführter Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuß liegt für mich ein Punkt auf der Hand: sexualisierte Gewalt gegen Kinder ist nach wie vor ein Tabu (klingt wahnsinnig banal, n'est ce pas?)
Wird aber ein Tabu gebrochen und zwar nicht nur durch die allgegenwärtigen Lolita-Mythen und das massenhafte Unterlaufen in Form der existenten sexualisierten Gewalt (jedes 3.-4. Mädchen, jeder 5.-7. Junge macht mindestens eine Erfahrung sexualisierter Gewalt vor dem 16. Lebensjahr), sondern hier zusätzlich durch die Prominenz eines Verdächtigen, dann schlagen die Tabu-Regeln von Wahrnehmungs- und Sprechverbot in ihr Gegenteil um.
Weil: ein gar nicht kleiner Teil der Bevölkerung reagiert auf Bilder nackter Kinder mit sexueller Erregung (laut Prof. Werner bekommen z.B. 25% aller Männer eine meßbare Erektion). Das Tabu verhindert vermutlich nicht nur bei vielen den Schritt von Phantasie zu Tat, sondern auch bereits die Wahrnehmung eigener Erregbarkeit durch nicht-pornografische Kinderbilder, alles unterhalb des Radars.
Da kommt dann (immer noch unterhalb des Radars) die Delegierung der eigenen Erregbarkeit, der eigenen Phantasien an den Prominenten, weit Entfernten gelegen. Je heftiger Vernichtungswünsche geäußert werden, desto weniger wird ja die eigene Person und die eigenen Phantasien verhandelt. Tauchte Edathy morgen in einer belebten Fußgängerzone auf, er wäre seines Lebens nicht sicher.
Läßt man die medialen Erregungsstürme der letzten Jahre Revue passieren, haben sie alle ein gemeinsames Merkmal: Ferne. Ob Kampusch, Amstetten, RKK, Eliteinternate, Edathy - das gemeinsame Merkmal ist Ferne von der eigenen Person, dem engen Umfeld, der eigenen Familie.
Die Familie ist aber bekanntlich der Haupttatort sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Über 90% der Kinder mit sexualisierter Gewalt-Erfahrung kennen ihre Täter m/w gut.
Sehr ähnlich verhält es sich mit der Abhandlung des Themas Pädophilie generell. Nur ein kleiner Teil der Verbrechen sexualisierter Gewalt gegen Kinder wird von Pädophilen verübt, laut Dunkelfeldforschung 12-20%. Der ganze große Rest von 80-88% der Pädokriminalität wird von 'Normalen' verübt, 15-20% davon von Frauen. Die 'Normalen', das sind wir, Sie und ich.
Nun zu den 'Anderen': etwa 1% aller Männer ist kernpädophil, sprich: hat keine Varianz im Begehren, es gilt ausschließlich Kindern - das sind etwa 200.000 Männer in Deutschland (pädophile Frauen scheinen eine verschwindend kleine Minderheit zu sein, pädokriminelle Frauen s.o.)
Legt man nun diese Zahlen nebeneinander, wird die Absurdität und gesamtgesellschaftliche Gefährlichkeit der aktuellen Diskussion deutlich. So, wie sie geführt wird, könnte man ja annehmen, Edathy sei der einzige Kinderficker der Nation - ich wiederhole: von Edathy ist nicht bekannt, ob er pädophil, geschweige denn, pädokriminell ist. Von Edathy ist bekannt, daß er Filme bestellte, die in Deutschland nicht strafbar sind. Meines Wissens wurde eine der Grundlagen unserer Justiz - keine Strafe ohne Gesetz - noch nicht geschleift. Daran scheint man aber gerade zu arbeiten.
Pädophilie und Pädokriminalität wird von den Medien seit Anfang 2010 konsequent gleichgesetzt (parallel zur medialen Wiedereinführung der Vokabel Mißbrauch (wie Gebrauch)).
Es gibt aber Pädophile, die nie ein Kind in sexualisierter Weise anfassen würden, weil sie wissen, daß sie damit dessen Leben gefährden. Ich vermute, daß es sogar recht viele Pädophile sind, die ihr sexuelles Begehren mit Hilfe von 08/15 Werbebildern, FKK-Filmen und -Bildern, Familienurlaubsfotos mit dem gemeinsamen Merkmal der Nicht-Pornografie in Bahnen der Monosexualität lenken, sprich: sie onanieren. (Disclaimer: KiPo-Konsum ist etwas völlig anderes. Wer Dokumentationen sexualisierter Gewalt gegen Kinder nutzt, braucht Hilfe, er/sie macht sich strafbar und mitschuldig)
Das kann man als aktive Maßnahme zum Schutz von Kindern begreifen, als reflektierten Umgang mit einem Begehren, das sich niemand aussucht.
Ich möchte das von Edathy bis zum Beweis des Gegenteils annehmen (falls er überhaupt pädophil ist, was ohne Verstoß gegen geltendes Recht niemanden etwas angeht). Der Umstand, daß er sogar im Bundestagsbüro Filme bestellte, läßt für mich auf ein zu ausgeprägtes Vertrauen in Rechtsstaatlichkeit schließen, ähnlich, wie seine Befürwortung der Vorratsdatenspeicherung.
Mariam Lau hat die im Pressekodex niedergelegte Selbstverpflichtung grob vernachlässigt, sie hat ganz offenbar eine schmutzige Phantasie und eine extrem schäbige politische Agenda.
"Mariam Lau hat die im Pressekodex niedergelegte Selbstverpflichtung grob vernachlässigt, sie hat ganz offenbar eine schmutzige Phantasie und eine extrem schäbige politische Agenda."
Das denke ich schon lange. Und wer so unreflektiert über Beschneidung schreibt wie sie & ihr Gespons, dem höre ich gar nicht erst zu, wenn es um Kinderrechte geht.
Leider scheint sie medialer Mainstream zu sein. Und wenn ich in der WELT in homöopathischer Dosis mehr Rechtsstaatlich-Liberales lese als im SPIEGEL, dann bin ich froh, schon im fortgeschrittenen Alter zu sein. Vielleicht habe ich ja Glück und das liberale Zeitfenster bleibt noch lange genug offen für mich.
Bei Tabu & "Lolitas" fiel mir ein, dass das gesunde Volksempfinden vielleicht deshalb bei dem Thema so um sich schlägt, weil es den Blick hinter den bürgerlichen Schleier der Lolitas frei macht. Ist vielleicht ein bisschen Wahrheit zu viel für die kleinbürgerliche Doppelmoral mit Direktverbindung nach "Thailand".
Und wer so unreflektiert über Beschneidung schreibt wie sie & ihr Gespons, dem höre ich gar nicht erst zu, wenn es um Kinderrechte geht.
Jörg Lau kann wohl kaum für die Ausfälligkeit seiner Frau verantwortlich gemacht werden, Sippenhaft?
Seine Fassungslosigkeit über die Wut eines angeblich kinderschützenden Lynchmobs, auch seine Haltung zur Deckungsgleichheit von Antisemitismus und Muslimhaß teile ich und wundere mich eher über seine späte Erkenntnis.
In Mariam Laus gestriger Perfidie geht es mit keinem Wort um Kinderrechte. Zum Thema Beschneidung hat sie zweiArtikel geschrieben, die primär die Diskussion spiegeln. Die Diskussion wiederum werde ich mit Ihnen garantiert nicht nochmal führen - let's agree to disagree.
Sie haben offenbar meinen Kommentar nicht ganz verstanden, das gesunde Volksempfinden macht keinen Blick frei, sondern verschleiert das eigene Begehren nach den Lolitas m/w, indem es auf Edathy verschoben wird. Ich fürchte auch, das beschränkt sich nicht aufs Kleinbürgertum, sondern klappt von Geld und Klasse ungebunden.
hihi ... wenn die bei mutti was finden ...
vielen dank, genau so sehe ich es auch, hab mich jedoch im blog vom gvg dazu geäussert, weil ich keine lust hatte, seine dort verbreitete haltung zu ignorieren
liebe grüsse
es wundert mich nicht, wie unterschiedlich die reflektionen sind:
Magda 20.02.2014 | 22:31@mymind
http://www.zeit.de/2014/09/sebastian-edathy-portraet
Hier ist ein ganz guter Beitrag in der "Zeit"
https://www.freitag.de/autoren/georg-von-grote/der-mann-die-bilder-und-die-opferrolle-3#1392954964454643
In dem Zusammenhang möchte ich an den "alten" Adorno erinnern, der 1963 (!) in dem Aufsatz "Sexualtabus und Recht heute" schrieb:
Die Gesellschaft scheint, trotz allem expansiven Wesen, auch im Überbau, in Recht und Politik, vielfach auf ältere Stufen sich zurückzubilden. Das nötigt peinlich dazu, altvertraute Argumente aufzuwärmen. Noch dem kritischen Gedanken droht Ansteckung an dem, was er kritisiert ...
Und weiter unten:
Das stärkste Tabu von allen jedoch ist im Augenblick jenes, dessen Stichwort "minderjährig" lautet und das schon sich austobte, als Freud die infantile Sexualität entdeckte. Das universale und begründete Schuldgefühl der Erwachsenenwelt kann, als seines Gegenbildes und Refugiums, dessen nicht entraten, was sie die Unschuld der Kinder nennen, und diese zu verteidigen, ist ihnen jedes Mittel recht. Allbekannt, dass Tabus um so stärker werden, je mehr der ihnen Hörige unbewusst selber begehrt, worauf die Strafe gesetzt ist. Der Grund für den Minderjährigenkomplex dürfte in ungemein mächtigen Triebregungen liegen, die er abwehrt. Man muss ihn zusammendenken damit, dass im zwanzigsten Jahrhundert das erotische Ideal infantil wurde, zu dem, was man vor dreißig oder vierzig Jahren mit lüsternem Schauer Wedekind nannte. Der Erfolg der Lolita, die nicht lasziv ist und immerhin zuviel literarische Qualität für einen Bestseller hat, wäre einzig durch die Gewalt jener Imago zu erklären. Wahrscheinlich hat das verpönte Wunschbild auch seinen gesellschaftlichen Aspekt, den akkumulierten Widerwillen gegen einen Zustand, der Pubertät und Selbständigkeit der Menschen temporal auseinanderreißt. Zu Lolita, Tatjana und Baby Doll sind Komplemente die Vereine, die am liebsten auf jeden Spielplatz hinter jedes Kind eine sittlich gereifte Polizistin stellen möchten, welche es vor dem Bösen behütet, auf das die Erwachsenen lauern. Beschenkte ein Nachkomme des Herrn von Ribbeck die kleinen Mädchen mit Birnen, so machte seine Humanität sogleich sich verdächtig...
Weiterhin warnt Adorno vor dem "gesunden Volksempfinden, der allgemein geltenden Anschauung, der natürlichen Moral und ähnlichem" und fährt fort:
Besonders zu achten wäre auf die more iuridico rationalistischen Begründungen von Handlungen, die in Wahrheit nach Gesetzen psychologischer Irrationalität verliefen.
Ich habe mich gestern °nur° über das Video aufgeregt. Erst via Magda wurde ich auf den dazugehörigen Artikel von Mariam Lau aufmerksam, der Einfachheit halber verlinke ich meinen Kommentar an sie.
Schön, dass Sie das hier eingestellt haben - auch wenn ich mal wieder mit der bürgerlichen Kultur, die er da einbaut (Lolita, Tatjana und Baby Doll ) gänzlich unvertraut bin...Kein Scherz.....
Liebe dame,
mein diesbezüglicher Kommentar war spontan, unreflektiert und sozusagen „aus dem Bauch heraus“ formuliert. Deshalb hier noch ein paar Nach-Gedanken dazu.
1. & 2. Die Ausfälligkeiten sehe ich bei Jörg Lau, während ich Mariam Laus Beiträge zur Beschneidungsdebatte nach erneutem kurzen Überfliegen eher in etwa so einschätze, wie Sie es in Ihrem weiter unten verlinkten Kommentar zum aktuellen Beitrag zu Edathy getan haben.
Sippenhaft? Nein. Es geht ja nicht um irgendeine Haftung, sondern nur darum, dass ich ganz persönlich nur eine möglichst klare und unzweideutige Haltung zu den Grund- und Menschenrechten ernst nehmen möchte. Egal, was für Interessen dagegen stehen.
3. Ich sehe in der Art, wie Lau, ausgehend von jener Karikatur, Rufmord indirekt auch an mir persönlich betreibt, durchaus Parallelen zu dem Rufmord an Edathy – ohne dies nun en detail darlegen zu wollen.
Es ist meine Meinung. Und die Notwendigkeit zu irgendeinem Fraktionszwang sehe ich dabei nicht.
4. Ich denke, wenn man zu Edathys Bestellungen schreibt, schreibt man auch über Kinderrechte. Das ergibt sich auch aus meinem Beitrag?
Soweit meine Nachreichung.
Ich sehe in der Art, wie Lau, ausgehend von jener Karikatur, Rufmord indirekt auch an mir persönlich betreibt...
Öhm, mir scheint eher, Sie nehmen sich ein ganz klein bißchen ZU wichtig. Erkennbar nicht nur am Furor, mit dem Sie Verbotsgegnern (=/= Beschneidungsbefürwortern) unter jeder Gürtellinie begegneten, nein, u.a. auch an Ihrem Blog unter Zweitnick jüngst, in dem Sie die technischen Verschlimmbesserungen des Freitag als Zensur bis hin zur Sperrung gegen Sie höchstpersönlich interpretierten.
Geht's einzwei Nümmerchen kleiner?
Andernfalls würde ich lieber zum Ignorieren Ihrer Beiträge zurückkehren wollen. Ich hatte mich eigentlich gefreut, mit Ihnen wieder in's Gespräch zu kommen, auf eine Wiederholung von Form und Inhalt der Beschneidungsdiskussion habe ich allerdings weniger als gar keine Lust. Auch meine Verbotsgegnerschaft ist eine möglichst klare und unzweideutige Haltung zu den Grund- und Menschenrechten.
Let's agree to disagree.
Hinweis:
Ein Kommentar wurde eingeklappt, um den Blog einigermaßen auf einer dem Thema angemessenen Sachebene zu halten.