Gefühlsmarketing: Sport

WM 2014, Halbfinale Die emotionale Schiene zu bedienen hat seine Gründe

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Kürzlich erschien in der hiesigen Wochenzeitung ein Beitrag von Jürgen Busche, in dem dieser anhand der Fußballkommentiererei und der damit einhergehenden und angesprochenen Emotionen das nunmehr zunehmend verwandte Wort "Gänsehaut" kritisch betrachtet.

Nun kochen die Emotionen hoch angesichts der bevorstehenden Partie zwischen Brasilien und Deutschland.
Und es wird erörtert, ob der Ausfall von Neymar die Brasilianer schwächt oder einen Jetzt-erst-recht-Schub entfacht, welche Aufstellungen sich nunmehr aufdrängen, und bemerkenswerterweise auch: Wie wird sich der Schiedsrichter verhalten?
Denn die Brasilianer liegen in der Statistik der begangen Fouls vorne, und den Referees wird vorgehalten, zu viel durchgehen zu lassen, auch unter dem Blickwinkel der nicht geahndeten taktischen Fouls.

Nun hat Thomas Kistner von Brasilien aus einen Kommentar geschrieben (SZ online von heute) und, von diesem Befund ausgehend, den Eindruck gewonnen, dass das Schiedsrichterverhalten durchaus gewollt sei.
"Die ohnehin enormen Emotionen werden weiter aufgeheizt, auf Rasen, Rängen und vor den Fernsehern." Womit wir wieder beim Stichwort wären. Kistner konstatiert kühl, dass bei einem solchen Turnier dem globalen Publikum ja nicht Fußball "verkauft" würde, "sondern: Emotion." Hinzugefügt werden muss aber, um die Gleichung aufgehen zu lassen, dass selbstverständlich nicht Emotionen verkauft werden, sondern die Emotionen dazu dienen, Waren oder Dienstleistungen zu verhökern. Werbung via Emotion - die Konsumenten, die gern Verbraucher genannten Menschen kennen den Dreh. Der unentwegt auf sie niederprasselnden Mentaldusche können sie indes jedoch nicht entrinnen.

Logischerweise führt also das Wortgeklingel der Werbefachleute die beiden Begriffe "Werbung" und "Emotion" als siamesische Zwillinge spazieren. Vielen Menschen ist indes jedoch -auch wenn sie nicht unbedingt danach handeln mögen- bewußt, an welchem Nasenring sie durch die Konsumarena geführt werden sollen.

Und dieser sich aufgeklärt wähnende Mensch kann sich das erste Halbfinalspiel dieses Turniers anschauen mit dem Gefühl, dass es nur auf das Ballspiel auf dem grünen Rasen ankommt.
Und sich nachher, ja, es muss an dieser Stelle noch mal zitiert werden, mit Andy Möller sagen: "Ich hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl."

Jürgen Busche, Zur Etablierung der Gänsehaut, der Freitag 26/2014, auch online

Thomas Kistner, Vorteil Brasilien, Süddeutsche Zeitung

Der dritte und vierte Absatz sind am 23. Juli 2014 überarbeitet worden, weil zwei, drei Sätze zur Gleichung Sport <-> Emotion <-> Werbung/Promo/Marketing fehlten.

JEDOCH / INDES

Die Texte im öffentlichen Raum -beziehungsweise deren Verfasserinnen- haben das entschiedene "jedoch" nahezu vollständig verbannt zugunsten des dahingetupften, vermutlich als elegant eingeschätzten "indes".
Das ist fatal.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Rüdiger Grothues

Musiker, Jurist, Autor

Rüdiger Grothues

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