Besser, aber nicht gut genug

Ampel-Koalition Rot-Gelb-Grün sollte weder Hoffnung verbreiten noch zu sehr Enttäuschung hervorrufen. Es ist eine logische Konsequenz inhaltlicher Ausrichtung. Eine Einschätzung

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Der SPIEGEL berichtet, dass führende Politiker von SPD und FDP für ein Bündnis mit den Grünen werben. Rot-Gelb-Grün sei die präferierte Regierungskoalition von sowohl Kanzlerkandidat Martin Schulz als auch Außenminister Sigmar Gabriel. SPD-Bundestagsabgeordnete lassen sich damit zitieren, dass die Gemeinsamkeiten mit FDP und Grünen am größten seien. "Die Ampel funktioniert in unserem Land sehr, sehr gut." ergänzt Rheinland-Pfalz-Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). FDP-Partei-Vize Wolfgang Kubicki meint, die Ampelkoalition treibe ihm keine Schweißperlen auf die Stirn. Und sein Parteikollege und Europa-Abgeordneter Wolfgang Graf Lambsdorff sieht im Sozialliberalen die sinnvollste Antwort auf große Zukunftsfragen.

Damit enden vorerst Spekulationen, die vor allem auf ein zukünftiges Mitte-Links-Bündnis mit SPD, Linken und Grünen zielten. Diese Entwicklung war allerdings schon, wenn man die inhaltliche Grundsteinlegung der Parteien in den letzten Wochen und Monaten verfolgte, deutlich absehbar.

Die inhaltliche "Wende" der SPD, die mit dem Kanzleraspiranten Schulz einherging, war nie eine um 180°. Soziale Rhetorik, wie die von den "hart arbeitenden Menschen", gesellte sich zu symbolischen Korrekturen, wie denen von Hartz IV. Nach dem mehrmonatigen Schwanken zwischen dem Hervorheben der "GroKo-Erfolge" und dem Narrativ, die SPD stehe für einen Wechsel, erklärten sowohl Sigmar Gabriel als auch Martin Schulz, die Große Koalition und damit die Zusammenarbeit mit der CDU sei an ihre Grenzen gekommen.

Überzeugte Linke, die auf Rot-Rot-Grün hofften, könnten enttäuscht sein angesichts dieser Neuigkeiten von der Wunschkoalition Ampel. Doch man sollte nicht dem Trugschluss unterliegen, einem solchen Bündnis keine soziale Politik zuzutrauen. Was die Themen Einwanderungsgesetz, Investitionen in Integration, Bürgerversicherung, Lobbyregister, gebührenfreie Bildung, Homoehe, Abschaffung sachgrundloser Befristung, Investitionsprogramme auf europäischer Ebene oder die Bekämpfung von Rechtsextremismus angeht, sind auch in einer solchen Koalition durchaus kleine bis signifikante Verbesserungen zu erwarten.

Bei der grundlegenden Vermögensverteilung, der Wirtschaftspolitik oder Dogmen wie der "Schwarzen Null" liegt ein solches Bündnis allerdings in äußerst engen Fesseln. Dass Rot-Gelb-Grün einen substanziellen Krieg mit den Reichen und Mächtigen in diesem Land anzettelt, ist nicht zu erwarten. So mag es eine steuerliche Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen, aber ganz sicher keine Mehrbelastung für höhere Einkommen geben. Eine Erhöhung des Mindestlohns auf ein angemessenes Niveau, eine Grundsicherung, die den Namen verdient, oder gar die Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionspraxis ist unter der Ampel nicht zu erwarten.

Glauben wir den Umfragen, sieht es für Rot-Gelb-Grün gar nicht so schlecht aus. Für die SPD wäre dies als Kanzlerpartei - nach 12 Jahren - ein bedeutender Aufbrauch. Die Liberalen hätten 4 Jahre Zeit, sich als relevante Kraft auf Bundesebene neu aufzustellen. Und die Grünen müssten die 4 Jahre wohl einen erheblichen inhaltlichen Klärungsprozess durchlaufen - angesichts schlechter innerparteilicher Ergebnisse für die beiden konservativen Spitzenkandidaten, dem eher mittig-linken Wahlprogramm und einer Basis, die fast den Outsider und schleswig-holsteinischen Vize-Ministerpräsidenten Robert Habeck mit ins Spitzen-Duo wählte.

Der Bundestag bestünde dann im September wohl zusätzlich aus einer mit knapp 40% der Mandate vertretenen äußerst starken rechten Opposition aus CDU und AfD und einer marginalisierten Linken. Und die Bevölkerung dürfte sich mit einer Politik rumschlagen, die die Linkspartei Ende Januar in internen Strategiepapieren zur SPD-Programmatik als "sozial flexibilisierten Neoliberalismus" bezeichnet. Das ist wohl besser als bisher, aber nicht gut genug.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Steven Hartig

Freier Journalist und Autor

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden