Das eigentliche Problem

Debattenkultur Es gab einen klaren Rechtsruck in den drei Landtagswahlen. Er hätte verhindert werden können, ginge man mit der AfD um wie mit jeder anderen Oppositionspartei

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Frauke Petry nach den ersten Prognosen
Frauke Petry nach den ersten Prognosen

Bild: JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images

Es ist passiert, was alle befürchteten und/oder heraufbeschwörten. Die Alternative für Deutschland sitzt von nun an in 8 Landesparlamenten. Meiner Meinung nach hätte das verhindert werden können. Dieser Akt erforderte jedoch keine neue Strategie, wie mit vermeintlich demokratiefeindlichen und nationalistisch-neoliberalen Parteien umzugehen sei. Notwendig wäre schlichtweg, der AfD nicht mehr und nicht weniger massenmediale Aufmerksamkeit zu geben wie jeder anderen Oppositionspartei.

Zu den bereits 42 existenten Landtagsmandaten kommen zusätzlich etwa 60 durch die Ergebnisse dieses Wochenendes. Macht summa summarum etwa 100 der 1857 Sitze in deutschen Landtagen. Zusammen genommen mit den Umfragen, die die AfD national bei 10% sehen, macht das faktisch eine demoskopisch ansehnliche Oppositionspartei, aber auch nicht mehr als das.

Tatsächlich aber ist die AfD die national zurzeit stärkste und offensivste Oppositionspartei, die alle anderen aufmerksamkeitstechnisch in den Schatten stellt. Sie bestimmt den politisch-rhetorischen Diskurs wie keine andere.

Man müsse unerlässlicherweise "provokante Aussagen" tätigen, welche widerum die "notwendige Aufmerksamkeit" generierten, schrieb Frauke Petry, Bundessprecherin der AfD, in einer geleakten internen Anweisung an Parteifreunde. So verwerflich diese Öffentlichkeitstaktik auch ist, da sie natürlich den rhetorischen und thematischen Diskurs deutlich verschiebt, so hat sie in ihrer Einschätzung dennoch leider recht.

Die Genese der AfD

Talkshows, Themenabende, Hauptstorys in den Abendnachrichten. Alles mit und über die Alternative für Deutschland - monatelang. Faktisch bestimmte und bestimmt sie in der Bundesrepublik den politischen Diskurs der letzten Monate. Das ist fatal, da sie trotz aller Umfragen und Wahlergebnisse in ihrer Essenz keineswegs eine Mehrheit der Bevölkerung repräsentiert. Und unter den Wählern der AfD selbst findet sich auch nur eine Minderheit, etwa ein Viertel, die die Partei tatsächlich aufgrund ihrer politischen Inhalte wählt. Etwa 50% geben an, anderen politischen Parteien lediglich einen Denkzettel verpassen zu wollen, wie Umfragen des ZDF heute ergaben.

Die AfD ist vor allem eine Internetpartei, da ihr klassische Mittel und Strukturen beim Aufbau fehlten, und weiß natürlich, wie Sascha Lobo kürzlich auf Spiegel Online schrieb, mit rhetorischen "Entgleisungen als kommunikative Katalysatoren" zu spielen. Die AfD vereint mehr Facebook-Likes als CDU, SPD und die Liberalen zusammen. Mittlerweile fast 250.000.

Dennoch: Sie wurde erst groß geschrieben, groß berichtet. Widmete man der AfD die gleiche mediale Aufmerksamkeit wie linken Ideen, stände sie bundesweit bei nicht mehr als 5% und die Landtagswahlen wären deutlich erfreulicher für die sogenannten etablierten Parteien ausgefallen. Das mag manch einem Linken auch nicht wünschenswert erscheinen, ist aber angesichts der Wahlerfolge der AfD jetzt durchaus desiderabel. Lieber 30% CDU oder SPD statt 30% AfD.

Oder anders: Linken Ideen auch zur Flüchtlingskrise, wie Katja Kipping und Sahra Wagenknecht sie zuhauf in Talkshows der letzten Tage verbreiteten, gab man gar nicht die Chance sich in gleicher Weise in der Öffentlichkeit und Wahrnehmung der Bevölkerung zu bewähren, wie jenen der AfD. Resultat auch dessen ist das schlechte Abschneiden der Linkspartei in allen 3 Bundesländern.

Die Genese oder wohl eher die erfolgte Reinkarnation der Alternative für Deutschland ist nicht zuletzt ein Produkt der tendenziell immer stärker rechten und emotionalisierten Presselandschaft.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Steven Hartig

Freier Journalist und Autor

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