US-Präsidentschaftsdebatte der Republikaner

Analyse Der Wahlkampf ist in vollem Gange. Die Vorwahlen beginnen Anfang Februar in Iowa. Die Republikaner zeichnen düstere Dystopien. Der Versuch eines Überblicks

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Sieht jede Menge Disaster: Donald Trump
Sieht jede Menge Disaster: Donald Trump

Bild: Aaron P. Bernstein/Getty Images

„And with every day, the end of the world gets closer“, leitet ein Sprecher in heroischer Atmosphäre in einem Anfangstrailer die sechste Präsidentschaftsdebatte der Republikaner ein. Die Worte sollen die Grundstimmung des Abends bereits determinieren: Wir leben im Vorabend einer möglichen Dystopie – verkörpert durch eine weitere Amtszeit eines Demokraten.

Die Moderation bemüht sich bereits mit der ersten Frage um die Auflösung der republikanisch thematischen Monotonie bestehend aus Terror, Migration und Außenpolitik - jeweils bunt vermischt. Wie er zur von Obama als „strongest, most durable economy in the world“ bezeichneten US-Wirtschaft stehe, weicht Ted Cruz jedoch bereits geschickt aus, indem er emotionalisierte Tagespolitik aufgreift. Einen Tag vor der Debatte wurden 10 Navy-Soldaten vom Iran festgenommen, da sie iranisches Hoheitsgebiet unerlaubt befahren hatten. Dies ist kein unlegitimes Handeln der iranischen Führung, reicht Cruz jedoch für eine Schelte gegenüber Obama, dem er vorwirft, den Vorfall in seiner Rede zur Nation nicht erwähnt zu haben.

Weiter geht’s mit Jeb Bush, der (ähnlich wie Obama einst) vom Terrorismus und im gleichen Atemzug von China und Russland als äquivalente Bedrohungen spricht.

Faktenresistenz par excellence

Marco Rubio, Senator von Florida, reiht sich ein in den Kanon der Feindbildkreation und spricht offen vom Iran als „enemy“. Er entrüstet sich darüber, dass Obama sich schon viel zu oft in der Welt für amerikanische Politik entschuldigt habe. Rubio skizziert seine Strategie gegen den IS und offenbart damit Faktenresistenz par excellence. Ein Teil seiner Strategie ist es, lebendig gefangene IS-Terroristen nach Guantanamo zu bringen. Sein „we are going to find out everything they know“ zeigt, dass er den CIA-Folterbericht von 2014 nicht so gründlich studiert hat. Dort hätte er (empirisch bewiesen) nachlesen können, dass Menschen unter Folter, einem alles, wirklich alles sagen und frei erfinden, nur um die Folter zu beenden. Sie brachte nie den erhofften Erfolg. Bei der Bewertung dieser „verschärften Verhörmethoden“ muss gelten: weniger Glaube an Hollywood, mehr Empirie.

Es folgt eine ominöse Debatte darüber, ob Cruz wählbar sei. Trump hatte ihm dies aufgrund angeblichem Nichtamerikanerseins abgesprochen. Viel interessanter ist jedoch Cruz´ Konter, man solle sich lieber mit der Frage beschäftigen, wer am besten darauf vorbereitet ist, der militärische Oberbefehlshaber der Vereinigten Staaten zu werden. Militarismus und militärisches Know-How als wichtigster (und für Cruz einziger?) Faktor des amerikanischen Präsidentendaseins – interessant.

Weiter geht’s mit den essentiellen Themen: „Our military is a disaster“, posaunt Trump, also jemand, der vorhat ein Militär zu leiten, dem täglich über 1,6 Milliarden Dollar an amerikanischen Steuergeldern zur Verfügung stehen – mehr als interessant.

Gun control

Und wer denkt, skuriler geht’s nicht mehr, wird beim Thema „gun control“ gerne eines besseren belehrt. „We cannot have a president who supports gun control“, agitiert Rubio gegen seinen Konkurrenten Chris Christie, der vermeintlich noch gemäßigteste Kandidat der Republikaner. Als wäre die Aussage ansich nicht schon absurd genug, sieht sich Christie gezwungen, sich mit seiner Vetovergangenheit gegenüber Waffenregulierungen zu rechtfertigen. Und wessen Puls nun schon gefährlich hoch steht, bekommt den Todesstoß vermutlich wenige Minuten später. Der bereits erregte Zuschauer hatte die Rechnung ohne Bush, Jeb Bush gemacht. Dieser wagt es tatsächlich, sich mit dem berüchtigten A+, also quasi einer 1+ mit Sternchen, von der amerikanischen Waffen-Lobby NRA zu profilieren.

Man stelle sich vor, Merkel würde bei der Frage nach staatlicher Unterstützung von gesunden Lebensmitteln und einer gesunden Ernährungsweise antworten, dass sie davon schon Ahnung hätte und ihre Politik richtig wäre, schließlich fänden Nestle und Dr. Oetker alles ganz toll, was sie mache.


Nicht gerade glänzen tut Christie auch später nochmal, als er fordert, alle Syrer sollten gefälligst in Syrien bleiben – gefolgt von tosendem Applaus.
Doch die Absurditäten nehmen auch hier kein Ende. Auf die zugegebenermaßen gute Frage, wie er sich erkläre, dass ein erklärter Sozialist in den USA in den Umfragen mittlerweile fast auf Augenhöhe mit Clinton liegt, antwortet John Kasich, Gouverneur von Ohio, mit herzhafter Belustigung und den Worten: „We are going to win every state, if Bernie Sanders is the nominee.“ Ein weiterer Fall von Faktenresistenz, hier gepaart mit ausgeprägter Überheblichkeit, ja gar Arroganz. Eine repräsentative Umfrage der Quinnipiac University von Anfang Dezember sagt ganz klar, dass Bernie Sanders exzellente Chancen hätte, die Präsidentschaftskandidatur auch gegen den republikanischen Kandidaten (übrigens gegen alle) zu gewinnen - sogar bessere als Clinton.

Angst

Weiteres großes Thema ist immer der Umgang mit dem Iran. Versachlichung wäre hier eigentlich mal angebracht. Der Moderator sieht das anders. Fragestellung: „Sie Herr Bush sprachen doch davon, dass der Iran ja von einer Obama-Administration nichts zu befürchten habe. Wie würde sich das denn unter ihrer Präsidentschaft ändern?“ Eine feindliche Einstellung gegenüber dem Iran wird gar nicht mehr zur Disposition gestellt. Entscheidend ist nur noch die Intensität, mit der diese zu Tage tritt oder treten soll. Die Frage hätte auch gut lauten können : “Wird der Iran ENDLICH wieder Angst vor uns haben, wenn Sie Präsident sind?“ Gehts noch?

Laien-Statistik

Bei den Republikanern gilt die Prämisse: Die Debatte beschäftigt sich nicht mit der Wirklichkeit, sie schafft sich ihre eigene. Deutlich wird das auch, wenn man das Transkript der letzten Debatten beider Parteien mal laien-statistisch auf Schlagwörter untersucht. So kommt das Wort Terror bei den Republikanern ganze 21, der Begriff ISIS 40 mal zur Sprache. Bei den Demokraten analog lediglich 7 und 17 mal. Während letztere ihren Schwerpunkt vor allem auf Versicherung (44), Gesundheit (19) und den Komplex Wallstreet (23) legen, kommt beispielsweise das Wort Versicherung in der immerhin knapp 120 Minuten dauernden Debatte der Republikaner nicht einmal vor. Ebenso wie das Wort „Klima“ - na dann gute Nacht!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Steven Hartig

Freier Journalist und Autor

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