Bis vor kurzem hielt ich es mit Christian Stöcker, der meinte "Das Internet gibt es nicht" und damit glücklicherweise auf eine mangelnde Differenzierung innerhalb der Debatte rund um das Mitmach-Netz aufmerksam machte.
Doch wenn man sich jetzt so umschaut, könnte man tatsächlich meinen, dass das gesamte deutsche Netz aufbegehrt.
Was ist geschehen? Nun gestern Abend beschloss der deutsche Bundestag das Gesetz zur "Bekämpfung der Kinderpornographie Kommunikationsnetzen." Gegen diesen Vorschlag hatte es massiven Protest in Blogs und aufTwitter gegeben. Auch auf netzfeuilleton.de haben wir versucht den Weg zu begleiten:
- Wider die Zensur
- Petition gegen Internetsperren
- Interview mit einem Missbrauchsopfer Teil 1 & Teil 2
- Ein Konsument von Kinderpornografie spricht
Doch das Gesetz wurden, obwohl es zahlreiche Bedenken & Argumente dagegen gab, Frau von der Leyen der Lüge überführt wurde und die erfolgreichste Petition aller Zeiten eingereicht wurde, beschlossen.
Richtete sich der Zorn anfangs vor allem gegen die SPD. Weitet er sich nun auf die gesamte Politik aus.
Während Handelsblatt-Blogger Thomas Knüwer die Politik wiederholt davor mahnt eine ganze Generation ((Der Spiegel bezeichnet sie als "Generation C64", vergisst damit aber die jüngeren, ab massiv nachwachsenden "Digital Natives")) und zu verlieren, benennet Anke Gröner den letzten Tag,"an dem ich an die freiheitliche Grundordnung, mit der ich aufgewachsen bin, glauben kann.". Frank Helmschrott macht sich für eine Abwahl der herrschenden Mächte stark und das Blog "Wir sind das Volk" kündigt an: "Wir werden Euch zeigen, was wir von Eurer Politik halten"
Noch weiter geht das Nerdcoreblog. Dort erklärt René die Unabhängigkeit des Internets von der Politik und bennet die Zahl von 500.000 Multiplikatoren, Tendenz steigend, die Politik nun gegen sich hat.
Ein Protestsong scheint auch schon gefunden: "Björk - Declare Independence" (Zum Video)
Er beendete seinen Eintrag mit folgender Drohung aus dem Dunstkreis der Anonymous-Bewegung:
We are Anonymous.
We are Legion.
We do not forgive.
We do not forget.
We will be heard.
Expect us.
Wie sich dieser Zorn weiter entwickeln wird, und was er für Auswirkungen haben wird, muss sich noch zeigen. Wird wirklich die gesamte Politik verlieren, oder wird zum Beispiel die netznahe Piratenpartei von der Aufregung profitieren können? Wird das Netz sich noch weiter politisieren und eine noch stärkere Aufklärungsfunktion übernehmen?
Das wird nicht plötzlich geschehen, aber klar ist, wir befinden uns mitten in einem gesellschaftlichen Umbruch.
[Dieser Artikel erschien im Original auf netzfeuilleton.de]
Kommentare 3
Danke für die vielen Links. Nur die Einbindung des Songs funktioniert wohl nicht. Mir fiel gestern Abend spontan ein alter Silverchair-Song ein: Anthem for the year 2000
www.youtube.com/watch?v=fTM5cDIESrY
Never knew we were living in a world
And the world is an open court
Maybe we dont want to live in a world
Where innocence is so short
A.S. Hoffentlich erscheint der Artikel in einer Fassung, die das Korrektorat noch einmal durchlaufen hat.
Wir befinden uns schon seit geraumer Zeit in genau diesem Umbruch. Der SPIEGEL lamentiert über die unpolitische Jugend bis Mitte 30 und merkt gar nicht, wie politisch wir eigentlich sind. Wir brauchen die Straße nicht, um gegen Schwachsinn aufzubegehren. Ich würde mir persönlich aber mehr Papier zum Thema wünschen. Und auch wenn ich Herrn Staeck eigentlich nicht ertrage: Hätte der nicht noch Kapazitäten? Vergleiche dazu: www.dhm.de/lemo/objekte/pict/KontinuitaetUndWandel_plakatStaeckTessin/index.jpg
Wo ist Schlingensief ("Tötet H.K.!")?
(Ich weiß auch, dass das überzogen ist, aber wenn man am Rand der Verzweiflung steht, niedergeschlagen von so viel Dumm- und Unwissenheit, dann bleibt manchmal nur Philosophie: "An die dumme Stirne gehört als Argument von Rechts wegen die geballte Faust." -- Friedrich Nietzsche.)
UPDATE: Es zeichnet sich doch eine andere #Zensursula-Hymne ab: "Zensi-Zensa-Zensursula". Hören unter netzfeuilleton.de/2009/06/das-internet-ist-sauer/