Spaltung, Ächtung, Kulturkampf

Kampfbegriffe oder zutreffende Charakterisierung der Corona-Pandemie?

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Häufig wird im Rahmen der Corona-Pandemie von gesellschaftlicher Spaltung, Ächtung oder gar Kulturkampf gesprochen, wenn z.B. Impf-Gegner, Maskenverweigerer oder Corona-Leugner lautstark auftreten. So wurde auch kürzlich in einem Artikel im Freitag, Ausgabe 14/2022, von René Schlott mit der Überschrift "Maskenpflicht: Jeder ist sich selbst der Nächste" behauptet, "Das Thema nimmt Züge eines Kulturkampfes an". Dabei wird ergänzend von angeblicher gesellschaftlicher Ächtung derjenigen gesprochen, die gegen das Tragen von Masken waren und immer noch sind.

Welche Ehre denen, die sich den nützlichen Hygiene-Maßnahmen in der Corona-Pandemie verweigert haben! Das Ablehnen von Masken ist dabei i.d.R. nur ein kleines Puzzlesteinchen in deren Leugnung der Corona-Pandemie, zu der die meisten dieser Maskenverweigerer unter dem Begriff der - selbst ernannten - Querdenker sich bekannten und immer noch bekennen.

Ich habe eine vollständig gegensätzliche Meinung zu diesem Thema und hole zur Begründung zunächst einmal etwas weiter aus, wobei das Beispiel des Maskentragens durchaus exemplarisch auch für andere Corona-Hygienemaßnahmen wie z.B. das Impfen gesehen werden kann:

Es gibt keine aktuellen, seriösen Studien, die beweisen würden, dass das Tragen von Masken nennenswerte Schäden verursachen würde.

Es liegen andererseits aktuelle, seriöse Studien vor, nach denen das Tragen von Masken bei der Pandemiebekämpfung sehr hilfreich ist. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Op-, FFP2- und FFP3-Masken, wobei die Maskentypen für unterschiedliche Personengruppen unterschiedlich geeignet sind, was aber für die Grundsatzfrage ohne Belang ist.

Das entspricht im übrigen auch den jahrhundertelangen Erfahrungen in Asien, wo Mund/Nasenbedeckungen immer noch sehr erfolgreich bei der Seuchenbekämpfung eingesetzt werden. Auch sind von dort keine nennenswerten Nebenwirkungen bekannt. Darüberhinaus werden dort in Seuchenzeiten alle Menschen als verantwortungslos gebrandmarkt, die keine Masken tragen wollen und somit auch andere Menschen gefährden. Mit anderen Worten: Masken tragen ist ein moralischer Imperativ!

Wenn man den Scope noch etwas weiter spannt und sich in die weltweite Geschichte der Seuchenbekämfung - vom Altertum über das Mittelalter bis in die Neuzeit - vertieft, wie ich das umfassend getan habe, kommt man zu ähnlichen Schlussfolgerungen: Das Tragen von Gesichtsmasken, Abstand halten, Quarantäne und Isolierung, saubere und frische Luft (mal’aria!) sind eine Art von „Naturheilmitteln“ der Seuchen- und Pandemiebekämpfung, die heute oft als Medizinprodukte bzw. vorbeugende Therapien eingesetzt werden.

Insofern ist alles gesagt! Insofern ist es auch unverständlich, dass sich unter den Anti-Corona-Demonstranten auch viele Leute tummeln, die eigentlich den Naturheillehren anhängen und sich jetzt gewissermaßen quer zu ihrer eigentlichen Denkrichtung stellen. Sie stellen sich also in diesem Fall gegen die Heilkräfte der Natur und stilisieren die Anwendung dieser über Jahrhunderte etablierten Grundelemente gar - völlig überzogen und maßlos - als Einschränkungen ihrer Freiheit im Sinne des Grundgesetzes hoch, wobei es doch maximal eine dem persönlichen Empfinden geschuldete Einschränkung ist.

Natürlich sind diese Fakten den selbsternannten Querdenkern ein Dorn im Auge, weil das so gar nicht zu deren Verschwörungs-Maske-Narrativ passen will. Macht aber nichts! Das ist halt so!

Dass diese Leute das Maskentragen - völlig überzogen und maßlos - als Einschränkungen ihrer Freiheit im Sinne des Grundgesetzes hochstilisieren, wobei es doch maximal eine dem persönlichen Empfinden geschuldete Einschränkung ist, ist vor dem Hintergrund der Fakten einfach nur noch lächerlich.

Aber das persönliche Empfinden wird von diesen Leuten eben auch oft zur moralischen Richtschnur erklärt, die doch bitte schön für alle verbindlich sein soll. Wir leben aber in einer aufgeklärten Gesellschaft, deren moralische Ausrichtung u.a. auf dem kategorischen Imperativ eines Immanuel Kant und nicht auf den Egoismen Einzelner beruht. Manche halten dem die gesundheitliche Eigenverantwortung des Menschen gegenüber. Dies hebt aber in keinster Weise die Vorwürfe des Egoismus und der Verantwortungslosigkeit auf. Im Gegenteil!

Oder mit anderen Worten: wir leben nicht in einer Querdenker-Diktatur!

Wo für mich eine rote Linie überschritten wird, auch wenn es sich bei diesen Querdenkern nur um eine sektenartig agierende Minderheit handelt:

Wenn angeblich friedliche, aber verquere Spaziergänger gegen diejenigen polemisieren, beleidigen und hetzen, die zum Selbstschutz und zum solidarischen Fremdschutz Masken tragen. Warum streuen diese selbst ernannten, verantwortungslosen, sich zunehmend radikalisierenden Querdenker gezielt Zweifel, verbreiten Falsch-Informationen über das Maskentragen? Warum gebärden sie sich darüberhinaus missionarisch-aggressiv? Warum drohen sie mit Gegenwehr und Gewalt bis zum Tod? Warum unterlaufen sie diese Maßnahmen durch Fälschung von Maskenattesten, durch organisierte Massenklagen?

All dies ist im übrigen nicht nur in Bezug auf das Tragen von Masken, sondern insbesondere auch auf andere nützliche Hygiene-Maßnahmen wie insbesondere auch das Impfen zu beobachten.

Dass dabei auch nicht vor gezielten Wissenschafts-Fälschungen zurückgeschreckt wird, zeigt folgendes Beispiel:

Da wurde im Sommer 2021 eine "wissenschaftliche Studie" verbreitet, die angeblich als Peer-reviewed Studie von Mitgliedern der "Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie" (MWGFD) in dem renommierten Wissenschaftsjournal JAMA veröffentlicht wurde, die über angebliche höchste Gesundheitsgefahren des Maskentragens bei Kindern berichtete. Eine Nachfrage bei JAMA zeigte schnell, dass diese bei JAMA eingereichte "Studie" wegen grundsätzlicher Fehler von den Autoren wieder zurückgezogen wurde. Eine Methode, die übrigens des öfteren angewandt wurde und wohl zum Handwerkszeug dieser Querdenker gehört.

Einem derartigen Verhalten einen "Kulturstatus" zuzuerkennen, ist also nicht nur grottenfalsch, sondern auch zynisch gegenüber denen, die dadurch Schaden nehmen.

Und was eine "gesellschaftliche Ächtung" betrifft: es wäre doch ein Treppenwitz, wenn auf die Rechte einer Minderheit, die sich konsequent, bisweilen radikal und gesetzeswidrig den nützlichen Corona-Hygienemaßnahmen verweigert, aber dennoch einen Opferstatus für sich reklamiert, mehr Rücksicht genommen würde als auf die Rechte der übergroßen Mehrheit, die sich solidarisch an die Hygienemaßnahmen hält.

Umgekehrt wird ein Schuh draus: die solidarischen Maskenträger, Geimpften etc. haben das Recht, dass Corona-Gefährder wie aggressive Pandemie-Leugner, Maskenverweigerer und Impf-Gegner von ihnen - durch entsprechende Schutzmaßnahmen - ferngehalten werden!

Daran ändert sich grundsätzlich auch nichts, wenn z.B. eine Partei wie die FDP alle Corona-Maßnahmen als Einschränkungen der persönlichen Freiheit interpretiert und fälschlicherweise behauptet, sie würde damit die Verfassung vertreten. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese FDP-Meinung ja im Herbst 2021 in seiner bekannten FDP-Klatsche richtiggestellt. Unsere Verfassung verengt den Freiheitsbegriff eben nicht auf den individuellen Freiheitsbegriff der Stärkeren, der Ellebogen-Benutzer, der Egoisten, der Porsche-Raser.


PS: Was Immanuel Kant betrifft, so sei noch ein Spruch bemerkenswert, den die Querdenker beherzigen sollten: „Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt, und einem solchen Gebrechen ist gar nicht abzuhelfen.„

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

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