McCarthy reloaded

Leseempfehlung: "Washington Post enttarnt einflussreiche Medien als russische Propagandaorgane."

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Update: Gedanken aus einem Parallelkommentar mit ähnlichem Inhalt, etwas ergänzt:

Die MSM treiben mit solchen Spielchen den Vertrauensverlust in ihre Arbeit zwar ohne Not vorran, ein Grund zur Freude ist das trotzdem nicht.

Wer profitiert davon, wenn man am Nullpunkt des gesellschaftlichen Vertrauens in Berichterstattung angelangt ist? Nicht die, die sich der Wahrheit verpflichtet fühlen. Am Ende wird alles beliebig. Jeder Hirnfurz ist dann gleichwertig mit jahrelanger Recherche.

Denn die meisten Menschen sind keine hauptberuflichen Journalisten oder Politiker. Sie haben schlicht nicht die Zeit, alle dargebotenen Informationen gründlich gegenzuchecken. Erst Recht fehlt die Zeit, nach fehlenden Informationen zu suchen, zumal, wenn eine Schwemme an Nichtnachrichten erst herausgefiltert werden muss. Der Otto-normal-Mediennutzer ist auf eine Berichterstattung angewiesen, die relevante Informationen sammelt und objektiv wiedergibt. Passiert das nicht, sieht er sich um. Und schenkt sein Vertrauen dem vielversprechendsten Anbieter.

Das haben die MSM zwar selbst vorrangetrieben, die Nutznießer aber werden neurechte Dummschwätzer, Ursuse und Social Bots sein. Mir bereitet das große Sorge. Mit Breitbard oder Sezession etc ist zwar ein politischer und gesellschaftlicher Wandel machbar, aber keiner zum Guten. Dafür bräuchte es Journalismus, der den Namen verdient. Unter der Masse der Medienanbieter, die nun als "Fake News" verunglimpft werden finden sich zwar sicher auch qualitativ hochwertige Angebote, wer aber glaubt, diese setzten sich automatisch durch macht sich meiner Meinung nach Illusionen. Die Masse der Konsumenten hat ihren Geist nicht kritisch geschult. Dann merkt man zwar: "okay, wie das in der Tagesschau präsentiert wird, da stimmt etwas nicht", die Erkenntnis führt aber nicht zu eigener tiefgreifenderer Gedankenarbeit. Man wendet sich einfach einem anderen Anbieter zu dem dann erst einmal dasselbe Vertrauen geschenkt wird, wie früher den MSM. In der Regel wird das ein Anbieter sein, der das meldet, was der Konsument hören will.

Wunderbar illustriert wird das im Vorwurf der "Lügenpresse". Impliziert wird da, es gäbe eine Presse, die vorsätzlich und grundsätzlich lügt. Dem Gegenüber steht notwendigerweise eine angenommene "Wahrheitspresse" - sonst würde der Vorwurf keinen Sinn machen. Denn wenn man anfängt einzelne Artikel, oder gar einzelne Argumente in einzelnen Artikeln nach Fakten und Plausibilität zu prüfen, wird man idR von pauschalen Vorwürfen ablassen. Man wird dann zugestehen, dass auch Journalisten fehlinformiert sein können, dass sie nicht notwendigerweise vorsätzlich Lügen, dass sie vielleicht auch einfach schlecht in ihrem Handwerk und Filterblasen ausgesetzt sind. Und selbst da, wo man vorsätzliche Täuschung annehmen muss, wird man dem nach wie vor einzelne qualitativ gute Arbeit innerhalb der MSM gegenüberstellen.

Dasselbe gilt natürlich für die Kampfbegriffe der Gegenseite, Stichpunkt "Fake News". Wo wenig Zeit, wenig Erfahrung mit kritischem Denken und wenig Lust zur Erkenntnis vorherrscht wird Pauschalisierung immer wirkmächtiger sein, als Einzelkritik.

Da werden aufwendig recherchierte Dokumentarfilme heute als nicht mehr zeitgemäß betrachtet. Gleichzeitig wird von allen Ecken und Enden dahergezwitschert, immer hochfrequentiger und sich verselbstständigend, in Filterblasen die nebeneinander her existieren ohne jemals miteinander in Berührung zu kommen - und wenn doch wird nach Zensur und politischer Verfolgung gerufen.

Auf so einer Öffentlichkeit kann man keine parlamentarische Demokratie aufrecht erhalten. Die fußt nämlich auf Meinungspluralität und Minderheitenschutz. Was die FAZ da an Ideengut hofiert ("gnosikratie") ist nur die absehbare Folge aus einer Öffentlichkeit, die zur Konsens- und Kompromissbildung nicht mehr fähig ist.

Die beste Option wäre nach wie vor die, durch Selbsterkenntnis und personelle Neubesetzung die ÖR wieder zu journalistischer Qualität heranzuführen. So unrealistisch das an manchen Tagen scheinen mag. Qualität braucht auch ihre Reichweite. Gute Journalisten wie Häring leisten zwar tolle Arbeit, aber was nutzt es, wenn davon nur ein handverlesener Kreis etwas merkt? Und daran würde sich, bei einer reinen Demontage des ÖR-Rundfunks, gar nichts ändern.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sikkimoto

Linkspopulist & Wutbürger

Sikkimoto

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