Ich hörte heute morgen den Kommentar eines MDR-Reporters zu den Wahlergebnissen der Landtagswahlen vom vergangenen Sonntag. Unter dem Facebookposting der Tagesschau entstand dann, wie in letzter Zeit so üblich, ein kontroverser Meinungsaustausch. Das Thema war unter anderem, wie „mit der AfD umzugehen sei“.
Dazu las ich dann einen Artikel , der dafür plädierte, mit der AfD umzugehen, wie mit einer „normalen Oppositionspartei“ und ihr nicht übermäßig viel Aufmerksamkeit zu schenken.
Die „etablierten Parteien“ machten in den vergangenen Wochen viel Wahlkampf gegen die AfD, für Toleranz und gegen rechte Hetze.
Doch hören wir doch einmal auf, tagesaktuelle Probleme, wie beispielsweise ein ungeliebtes Ergebnis am Wahlabend mit gesamtgesellschaftlichen Problemen zu vermischen und bekämpfen wir sie mit Bedacht und möglichst effektiv.
Das führt zu der Suche nach Ursachen für solche tagesaktuellen Themen. Und ich verrate im Voraus: Weder der Drogenkonsum eines Bundestagsabgeordneten, noch die Geflüchtetenpolitik der Bundeskanzlerin, noch das „Rechtsradikalismusproblem der neuen Bundesländer“ sind unser eigentliches Problem in Deutschland.
Das alles liegt viel tiefer. Es liegt in tief in uns verwurzelten Unterdrückungsmechanismen. In Rassismus, Sexismus, Intoleranz und Egoismus. Und jetzt fangen Sie bitte nicht mit der Silvesternacht an, nach der Sie auch gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt im allgemeinen (bitteschön unabhängig von anderen Faktoren) waren und Facebookpostings geteilt haben. Warum habe ich in den letzten drei Tagen über diese Themen viel weniger gelesen als vom 12. - 14. Januar diesen Jahres? ist unser Problem mit Sexismen nun kleiner als vor zwei Monaten oder ist unser Bewusstsein für tatsächliche Probleme vielleicht fehlgeleitet durch ein Reizüberflutung mit Problemen?
Wir alle (ja, auch ich) sind durchdrungen von Unterdrückungsmechanismen, sind voller Rassismen.
Wir wurden alle rassistisch erzogen, z.B. mit Pippi Langstrumpf und „Tim im Kongo“. In vielen Kinderbüchern werden alte, rassistische Bilder in uns geprägt und wir werden vorbereitet auf ein Leben der Blindheit vor Rassismus.
Warum sind rassistische Straftaten gegenüber Schwarzen Deutschen „ausländerfeindlich“ oder „fremdenfeindlich“? Niemand hat die Opfer nach ihrem Pass gefragt.Wenn ein Mensch seit mehreren Jahren in einem Ort lebt ist er dann „fremd“ - wohl kaum. Aber wir gestehen es uns nicht ein. Wir suchen Rassismen bei AfD und Pegida, aber nicht bei uns. Wie kann es sein das es innerhalb einer kurzen Zeit einen „Rechtsruck“ geben kann? In Sachsen-Anhalt, in Deutschland, in Frankreich, in den USA?
Ganz einfach – es gibt keinen „Rechtsruck“.
Plötzlich öffnen wir das rechte Auge ein wenig, erblicken im Augenwinkel die AfD und behaupten, wir hätten unsere Blindheit überwunden. Hätten das Problem erkannt. Doch damit lügen wir uns selbst an – und das nur weil es zu sehr weh tut, beide Augen zu öffnen. Dann würden wir erkennen, das Rassismus in unserer Gesellschaft omnipräsent ist.
In der AfD, der FDP, der CSU, der CDU, der SPD, der Linken, bei den Grünen, bei der Antifa, bei „Kein Mensch ist illegal“, im Fußball, in Filmen, in der Bild-Zeitung, der FAZ, der TAZ, schlichtweg überall.
Vor kurzer Zeit beobachtete ich sehr interessiert die Berichterstattung über die Vorfälle in Zorneding, in der der BR nicht davor zurückschreckte die rassistische Beleidigung, das N-Wort zu nennen. Das dieses Wort absolut unangemessen ist und somit auch als Zitat nicht angebracht ist stört niemanden. Es hätte doch vollkommen gereicht, zu sagen, der Pfarrer sei rassistisch beleidigt worden. Der Informationsgehalt für uns Bürger wäre nicht geringer gewesesen.
Es ist in Deutschland Rechtslage, dass Personen, die andere Personen mit dem N-Wort betiteln ungestraft Rassisten genannt werden dürfen. Wenn also klar ist, dass dieses Wort unangemessen ist, warum nennt der BR es dann mehrfach und warum empört sich die Öffentlichkeit nicht darüber? Richtig, weil wieder mit dem Finger gezeigt wird, und zwar zur Not auf alle anderen. Weil wir uns als weiße Mehrheitsgesellschaft weder in der Täterrolle sehen noch die Situation des Opfers wirklich nachvollziehen können – wir schreiben uns selbst eine scheinbare Objektivität zu.
Und leider habe ich nur einzelne Beispiele von vielen genannt.
Und was folgt nun daraus? Da wir hier das eigentliche Problem erfasst haben, nämlich eine gesamtgesellschaftliche Weigerung uns selbst bis zu unseren tiefsten Überzeugungen kritisch zu hinterfragen und bei der Lösung von Problemen mit uns selbst zu beginnen, können wir beginnen ein Bewusstsein für unsere eigentlichen Probleme zu entwickeln und diese zu bekämpfen – und zwar zuerst bei uns selbst.
Wenn wir schon als Kinder und Jugendliche, unterstützt von Eltern, Lehrkräften etc., lernen unsere eigenen Rassismen zu benennen und nicht lernen, was „die Rechten doch für Idioten“ seien, dann wird es in unserer Gesellschaft keinen Nährboden mehr geben für rechtes Gedankengut.
Gehen wir also nicht den einfachen Weg der Abgrenzung von „Rechten“, sondern akzeptieren wir sie als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft. Lasst uns nicht ausschließlich die Symptome bekämpfen, sondern die Ursache.
Die AfD, das Symptom, mag untergehen, wenn weniger Geflüchtete kommen, dann wird aber in wenigen Jahren die tiefer sitzende Ursache, nämlich unser Rassismus, sich anderswo äußern.
Kommentare 6
Wir wurden alle rassistisch erzogen, z.B. mit Pippi Langstrumpf und „Tim im Kongo“. In vielen Kinderbüchern werden alte, rassistische Bilder in uns geprägt und wir werden vorbereitet auf ein Leben der Blindheit vor Rassismus.
Ich dachte die Zeiten der Spiesserfraktion des Antirassimus sei vorbei? Ich kann den Scheiss nicht mehr hören...
Ich dachte, es gäbe gar keine Rassen; so wird ja doch allenthalben verkündet. Woher kommt denn dann die Annahme, es gäbe Rassismus? Ich denke, die, wie es oben @ zelotti schrieb, "Spiesserfraktion des Antirassimus", sollte mit sich mal in Klausur gehen und klären, woher Sie ihre Rassismus-Vorstellungen eigentlich ableitet.
"Der Informationsgehalt für uns Bürger wäre nicht geringer gewesesen."
Tatsache? Oder bilden Sie sich das vielleicht nur dadurch ein, weil Sie sich das böse, böse Wort insgeheim im Kopp ergänzen? - so nach der Methode, ja tunlichst nicht an einen lila Elefanten denken. ^^
"Wenn wir schon als Kinder und Jugendliche, unterstützt von Eltern, Lehrkräften etc., lernen unsere eigenen Rassismen zu benennen (...).
Soweit mir bekannt, sind die Kinder mit dem Blödsinn nicht "infiziert". Dann würde man sie besser nicht von Erwachsenen mit dem Thema konfrontieren, damit die Saat erst gar nicht aufgehen kann.
"Gehen wir also nicht den einfachen Weg der Abgrenzung von „Rechten“, sondern akzeptieren wir sie als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft."
Es gibt Grenzwerte von Dummheit, die nicht mehr behoben werden können. Und es gibt Belastungsgrenzen der Bürger, die meinethalben bei kritischen Richtern als Maß kalibriert werden sollen, aber nicht in der Form, dass die allenthalben ihre Demos mit faschistischen Untertönen und Symbolen nachgehen können.
Allerdings sollten sich doch noch freie Gebiete auf der Welt finden lassen, wo die ganz Hartgesottenen ihren Hobbys nachgehen könnten und sich dann untereinander den Schädel einschlagen. Das würde ich dann als positive Emigration bezeichnen. Und die entsprechende Gesetzgebung ließe sich leicht aus dem GG begründen, die in einer pluralistischen Gesellschaft gewisse Anforderungen stellt.
Gäbe es aber in unserer ökonomisierten Gesellschaft nicht bereits die ungerechten Verhältnisse, dann bekämen diese einfachen Gemüter auch keine "Vorlagen", die sie dankbar aufnehmen.
Rassen im biologischen Sinne gibt es natürlich nicht. Dennoch sollten wir unsere Augen nicht vor dem gesellschaftlichen Konstrukt des Schwarzseins bzw. Weißseins verschließen. Diese Konstrukte , die z.B. verschiedene Privilegien und Diskriminierungserfahrungen beinhalten, zu benennen ist paradox, ja - zur Überwindung dieser müssen sie aber ausgesprochen werden. Damit wir dann eines Tages tatsächlich die schöne Situation haben, dass unsere Kinder nichts mehr davon wissen müssen. Für uns ist aber ein Entwicklungsprozess nötig, der behindert wird, wenn wir den existierenden Rassismus, wie er dann beispielsweise in Zorneding gewaltsam zu Tage kommt, verschweigen, bzw. ihn immer nur bei "den Anderen" suchen.
Viel Bedenkenswertes drin.
Und was folgt nun daraus? Da wir hier das eigentliche Problem erfasst haben, nämlich eine gesamtgesellschaftliche Weigerung uns selbst bis zu unseren tiefsten Überzeugungen kritisch zu hinterfragen und bei der Lösung von Problemen mit uns selbst zu beginnen, können wir beginnen ein Bewusstsein für unsere eigentlichen Probleme zu entwickeln und diese zu bekämpfen – und zwar zuerst bei uns selbst.
So ist es.
Sehr richtig, es gilt an die Wurzel, den unterschwellig vorhandenen Rassismus zu gehen, damit auf dieser nicht zur einfachen Lösung für gesellschaftliche Probleme anderen Ursprungs wird. Aufpassen müssen wir jedoch, dass dabei nicht hauptsächlich auf oberflächlich wirkende und wiederum abwertende political corretness abgehoben wird. Der erhobene Zeigefinger sowie das Umschreiben von Kinderbüchern etc. bewirkt ja doch nur das Gegenteil. Wer das N-Wort benutzt, ist noch lange kein böser Rassist. Ich bringe es zwar meinen Kindern nicht explizit bei, bzw. kläre sie über etwaige Bedeutungen auf, doch ich verurteile niemanden, wenn er sich beim Bäcker ein entsprechendes Brötchen bestellt. Es ist kein Drama, phänomenologische Unterschiede zwischen Menschen/Bevölkerungsgruppen zu benennen. Wichtig ist, dass ich es beim Anerkennen des Unterschiedes belasse (Hautfarbe, Religion, ethnische Abstammung, Behinderung, etc.) Doch niemals eine Wertung vornehme. Es gibt diese Unterschiede nunmal, und das ist auch gut so, und trotzdem können wir miteinander leben.
Ein Bewusstsein für Unterschiede verbunden mit entsprechender Vorsicht oder auch abwehrendem Verhalten und Vorurteilen, quasi Rassismus, scheint tief in uns verwurzelt zu sein, passt aber nicht mehr zu unserer Lebensweise und mittlerweile höher entwickelten ethischen Grundsätzen ( Mebschenrechte...) und Empfindungen. Behindert uns also, ist obsolet geworden. Kämpfen wir dagegen an, aber verleugnen nicht die vorhandene Tendenz dazu. Wahrscheinlich ist es richtig, so wie beim Lesen und Schreiben, in der Erziehung ganz natürlich da anzusetzen, mit viel Nachsicht und OHNE bemühe Korrektheit und Zerfledderung überlieferten Kulturgutes.