Er hat es getan. Knallhart. Dieter Kosslick hat Filme, bei deren Produktion es zu einem „Fehlverhalten“ gekommen sein soll, von der Berlinale ausgeschlossen. Damit reagiert der Chef des Filmfestivals, das an diesem Donnerstag am Potsdamer Platz in Berlin beginnt, direkt auf die #MeToo-Debatte um sexuelle Gewalt und sexuelle Belästigung.
Was seit Kosslicks Ansage passiert, ist so verwunderlich wie erfreulich: nämlich nichts. Kein Aufschrei „Zensur, Zensur“. So wie beim geplanten Übermalen des umstrittenen Gedichts „avenidas“ von Eugen Gomringer an einer Wand der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf. Aber auch keine Jubelschreie: Kosslick, unser Held.
Vielleicht muss man die öffentliche Ruhe nach der Entscheidung des Mannes, der durchaus für glamouröse Selbstinszenierungen bekannt ist, so lesen: #MeToo ist mitterweile so tief in der Mitte der Gesellschaft angekommen, dass es selbstverständlich scheint, dass Arbeiten, bei denen die Macher „zugegeben haben“ (Kosslick), am Set übergriffig gewesen zu sein, nicht präsentiert werden. Niemand, der Unrecht begangen hat, soll geadelt werden. Auch wenn man Taten und Werk voneinander trennen kann. Aber auch nicht in jedem Fall muss.
Ebenso scheint es selbstverständlich zu sein, dass Monika Grütters (CDU), die Staatsministerin für Kultur, angekündigt hat, eine Anlaufstelle für Missbrauchsopfer aus der Kreativwirtschaft finanzieren zu wollen. Ein Statement, das in seiner Dimension über die Forderungen von Vereinen wie Pro Quote Film, von denen Solidarität mit den Betroffenen erwartet wird, hinausgeht. Grütters Wort – ein Staatsbekenntnis für die Opfer.
#MeToo hat die Berlinale verändert. Vielleicht werden die über 300 Filme in diesem Jahr anders geschaut, mit einem sensibleren Blick. Vielleicht auch nicht. Vielleicht sind die allabendlichen Partys weniger wild. Vielleicht auch nicht. Das Küsschen links, Küsschen rechts auf dem roten Teppich muss trotzdem niemand fürchten.
Noch rätselt die halbe Filmwelt, um welche aussortierten Produktionen es sich handelt. Kosslick verrät weder Titel noch Namen. Das mag man schwach finden. Oder geschickt, weil er sich nicht zum Rächer aufschwingen will. Mit seinem Schweigen dieser anderen Art überlässt er den Opfern die Entscheidungshoheit: anzeigen oder nicht anzeigen? Und wenn ja, wann? Das tut der Debatte gut: Es ist an der Zeit, solche Fälle jenseits der Öffentlichkeit zu verhandeln. Ein Ende indes ist das noch lange nicht.
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