Wenn Sie eine Frau sind und das hier lesen, darf der Freitag Sie ab sofort als Leser ansprechen. Oder als Medienkonsument. Oder als Kunde. Je nachdem, in welcher Rolle Sie sich bei der Lektüre sehen. Aber vielleicht möchten Sie ja weder Leser, Konsument und Kunde genannt werden, sondern Leserin, Konsumentin oder Kundin. So wie Marlies Krämer, eine 80-jährige Dame aus dem Saarland, die darauf besteht, bei der Sparkasse Saarbrücken „Kundin“ und kein „Kunde“ zu sein. Sonst fühle sie sich als Frau nicht angesprochen.
Findet die Bank nicht und lehnt Krämers Ansinnen ab. Krämer ist forsch und klagte, der Bundesgerichtshof (BGH) indes gab der Sparkasse am Dienstag Recht: Frauen erleiden keinen Nachteil, wenn sie in Vordrucken mit dem „generischen Maskulinum“ angesprochen werden. Wenn also „Kunde“ die „Kundin“ automatisch mitmeint.
Nun mögen Spareinlagen, Zinsen, Dispokredite von Frauen nicht anders behandelt werden als Spareinlagen, Zinsen, Dispokredite von Männern. Wenn Marlies Krämer ihre Sparkassenfiliale betritt, dürfte sie mit großer Wahrscheinlichkeit mit „Guten Tag, Frau Krämer“ begrüßt werden. Aber darum geht es nicht. Sondern schlicht um die Sichtbarkeit von Frauen, selbst in furztrockenen Finanzformularen.
Was spricht dagegen, eine uralte und überholte (Sprach-)Regel dem gesellschaftlichen Wandel anzupassen? Die Welt verändert sich, Frauen wollen ebenso gehört, gesehen und beachtet werden wie Männer. Das sollte Sprache abbilden. Was ist so schwer daran, bei neu zu druckenden Vordrucken die Formulierung „Unterschrift Kunde“ zu ergänzen mit „Kundin“? So wie das bei vielen Amtspapieren längst üblich ist.
Sprache prägt Bewusstsein. Wenn Kinder in Märchen und Geschichten lesen, dass der Bauer die Hühner füttert und der Traktorist aufs Feld fährt, setzt sich in ihren Köpfen fest, dass Bauer und Traktorist in jedem Fall Männer sind. Sie kommen nicht auf die Idee, dass auch Frauen Traktor fahren können. Das haben Kognitionsforscherinnen und -forscher in zahlreichen Studien nachgewiesen.
Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, Frauen explizit mitzunennen und dies nicht als „Genderwahn“ abzutun. Das ist nicht schwer und tut nicht weh. So werden Studentinnen und Studenten heute selbstverständlich als Studierende bezeichnet, niemand stört sich an Auszubildenden. Der BGH hat ein Urteil gefällt, das an der Lebensrealität vorbeigeht und gesellschaftlichen Wandel ignoriert. Es ist ein gerichtlicher Gruß aus dem Gestern.
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