(K)ein Problem, Frau Schulze

Arbeit Hubertus Heil legt einen Gesetzentwurf für das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit vor. Was furios klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Minimalkonsens
Die Stechuhr ist so alt wie das Problem
Die Stechuhr ist so alt wie das Problem

Foto: Michael Weber/Imago

„Chef, kurze Frage: Ist es möglich, meine Vollzeitstelle nach der Elternzeit, wenn ich wieder zurück bin im Betrieb, drei Jahre lang auf Teilzeit zu verkürzen? Ich denke da an eine 25-Stunden-Woche. Später, wenn mein Kind größer ist, würde ich gern wieder Vollzeit arbeiten.“ „Kein Problem, Frau Schulze, das organisieren wir, klar. Ich schicke Ihnen nachher unsere Zusatzvereinbarung Teilzeit-Vollzeit für Ihren Arbeitsvertrag zu. Sie prüfen das und sagen mir, ob Sie damit einverstanden sind.“

So könnte es laufen, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorübergehend ihren Vollzeitjob reduzieren – und später wieder aufstocken möchten. Wegen kleiner Kinder, pflegebedürftiger Eltern, Pubertierenden, die zeitweilig mehr Zuwendung brauchen, ehrenamtlicher Betreuung von Geflüchteten, Fortbildung – warum auch immer. Aber so läuft es nicht. Wer hierzulande einmal seine Vollzeit- gegen eine Teilzeitstelle eingetauscht hat, bleibt ewig darin hängen. Das nennt man „Teilzeitfalle“: einmal Teilzeit, immer Teilzeit. Das aber ist überholt angesichts heftig veränderter Lebens- und Arbeitsumstände, die mittlerweile ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität erfordern.

Nun legt SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil einen Gesetzentwurf für das Rückkehrrecht von Teilzeit- in Vollzeit vor. Das überrascht. Es ist noch nicht ganz ein Jahr her, da musste Heils Amtsvorgängerin, die jetzige SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles, der Öffentlichkeit verkünden, dass das von Union und SPD seinerzeit geplante Rückkehrrecht auf Vollzeit gescheitert sei. 2013 hatte sich die schwarz-rote Bundesregierung diese Forderung in den Koalitionsvertrag geschrieben. „Das Kanzleramt hat mir mitgeteilt, dass eine Kabinettsbefassung nicht mehr vorgesehen ist“, sagte Nahles Ende Mai 2017.

Und jetzt kommt Heil und verkauft seinen Gesetzentwurf als „ganz entscheidenden Wert“: „Es muss um Arbeitszeit gehen, die zum Leben passt.“ Klingt super. Immerhin wollen laut Heil eine Million Beschäftigte ihre Arbeitszeit reduzieren. Und sie auch wieder aufstocken, wenn der „Reduzierungsgrund“ passé ist.

Teilzeit ist seit Jahrzehnten eine „weibliche Domäne“. Dem Statistikportal Eurostat zufolge arbeiten 47 Prozent der Frauen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren Teilzeit – aber nur 9 Prozent der Männer. Die Frauen sind in der Regel Mütter, die aufgrund fehlender oder zu geringer Kinderbetreuung keinen Vollzeitjob ausüben können. Ihnen wird jetzt also geholfen?

Nein. So läuft es nämlich auch nicht. Nach Heils Gesetzentwurf kommen nur wenige Menschen in den Genuss, ihre Arbeit ihrem Leben anzupassen: Bei Betrieben zwischen 45 bis 200 Mitarbeitenden soll nur eine (oder einer) pro 15 Betriebsangehörigen in den Genuss dieser Arbeitszeitflexibilität kommen. Und: Keine Auswahl nach angegebenen Gründen, familiären Erfordernissen oder ähnlichem. Sondern: Wer zuerst kommt, malt zuerst.

Was so furios klingt, entpuppt sich als Minimalkonsens. Viele Frauen, für die ein echtes Rückkehrrecht eine echte Erleichterung wäre, arbeiten in kleinen und Kleinstfirmen mit nur wenigen Angestellten. Für sie muss das als Fortschritt deklarierte Gesetz, das ab 2019 gelten soll, klingen wie ein Hohn.

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Geschrieben von

Simone Schmollack

Chefredakteurin der Freitag

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