Wie groß ist ein normales Kopftuch? Etwa einen Quadratmeter. Doch dieses kleine Stückchen Stoff birgt enorme Sprengkraft. Gerade geht es um das Kopftuch für muslimische Mädchen unter 14 Jahren. In diesem Alter sollten Mädchen kein Kopftuch tragen, findet Joachim Stamp, FDP-Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen. Derzeit prüft der Bundestag ein solches Kopftuchverbot. Mit 14, argumentiert Stamp, seien Kinder religionsunmündig und dürften nicht dazu gedrängt werden, ein Kopftuch zu tragen. Nur erwachsene Frauen könnten selbstbestimmt entscheiden, ob sie ein Kopftuch aufsetzen wollen oder nicht.
So als hätte man nur auf diese Steilvorlage gewartet, stimmen mehr oder weniger Prominente in den Chor mit ein: FDP-Chef Christian Lindner empfindet solch ein Verbot als „verhältnismäßig“. Serap Güler, Integrationsstaatssekretärin in NRW, sieht im Kopftuch eine „pure Perversion“, die „das Kind sexualisiert.“ Islamexperte Ahmad Mansour erkennt im Kopftuch für ein Kind „eine Form von Missbrauch“.
Natürlich gibt es auch entsprechende Gegenstimmen. So hält die CDU-Kultusministerin von Baden-Württemberg Susanne Eisenmann nichts von derlei Verboten, stattdessen sollte auf Aufklärung gesetzt werden. Linkspartei-Politiker Helmut Holter, Bildungsminister in Thüringen und Chef der Kultusministerkonferenz, spricht sich gegen ein Verbot aus und fordert eine bessere „Demokratiebildung in den Schulen“. Und so geht das weiter.
Diese ganze Debatte ist so schräg, weil sie zu einem großen Teil die Realität verdreht. Die Zahl der unter 14-jährigen Mädchen mit Kopftuch ist verschwindend gering. Noch kleiner ist die Zahl der Mädchen, die mit einem Kopftuch in die Kita gebracht werden. Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Warum auch sollte man Kopftuchträgerinnen zählen? Wie viele kopftuchtragende Mädchen zwischen 2 und 14 Jahren kennen Sie persönlich? Wie viele sehen Sie jeden Tag auf der Straße? Wie intensiv sind Ihre Kontakte zu muslimischen Familien, in denen die Eltern ihren Töchtern das Stück Stoff an den „Kopf nageln“?
Man muss keine Freundin des Kopftuchs sein, um zu erkennen, dass es bei dem Vorschlag in NRW weniger um die Selbstbestimmung von Mädchen geht als vielmehr um einen populistischen Vorstoß. Hat schon mal jemand davon gehört, dass es Mädchen und Jungen verboten worden sei, in der Schule eine Halskette mit einem christlichen Kreuz zu tragen? Im Gegenteil, in vielen Gegenden dieser Republik ist christlicher Religionsunterricht in der Schule Pflicht. Dafür gibt es sogar eine Note. Und wenn die schlecht ist, können die Schülerinnen und Schüler deswegen sitzen bleiben.
Wer es ernst meint mit der so oft beschworenen Religionsfreiheit – oder besser noch mit der ebenso gern gebrachten Floskel „Religion ist Privatsache“ –, sollte Religion grundsätzlich aus der Schule verbannen. Nebenbei bemerkt sind die Konfessionslosen mit über 36 Prozent mittlerweile die größte Gruppe, wenn es um religiöse (Nicht-)Zugehörigkeit geht.
Kommentare 21
Mit 14 Jahren ist man religionsunmündig?
Ganz wenige Tage nach meiner Geburt war ich schon evangelisch.
Guten Tag Simone Schmollack,
Sie haben einen sehr schönen herunter gekühlten Artikel zum Thema Religiöse Symbole verfasst, vielleicht ist es ja wirklich des lieben Friedens Willen am besten Ideologien und Religionen vor dem Schultor zu lassen.
Vielleicht ist es ja auch an der Zeit unserem Parlament eine außerparlamentarische gemeinnützige und überparteiische Zweite Kammer zu zuordnen.
Eine demokratische Möglichkeit den unzähligen Initiativen der Bürgerinnen und Bürger aller in unserem Land vorhandenen Kulturen, in unserem Bundes Bürger Senat Sitz, Stimme und Gehör zu geben um sich gemeinsam zum Beispiel um unsere sozial- und bildungspolitischen Probleme kümmern zu können.
Offensichtlich erscheint es erforderlich um die sich wandelnde Toleranz fremden Kulturen gegenüber nicht eskalieren zu lassen, dass wir uns alle gemeinsam über eine Bildung 5.0 machen müssen,"eine Schule der Offenheit", die die Weisheiten aller Kulturen mit unserer christlich jüdischen Kultur zu einem menschlichen Gesamtbild der europäischen Bildung verbindet.
Alles Gute für Sie.
Bei meiner amsonsten ambiwalenten Einstellung zum Islam, finde ich sehr amüsant, wenn westliche, liberale und wahrscheinlich feministische Frauen ein geschlechtsspezifisches, religiöses Kleidungsstück verteidigen oder zum Kultursymbol umdeuten. Umso mehr, weil dieses Kleidungsstück der Frau ein Stück ihrer Feminität, jedenfalls im öffentlichen Auftreten, nehmen soll.
Man stelle sich vor die katholische Kirche würde z.B. Miniröcke verbieten wollen...
"Wer es ernst meint mit der so oft beschworenen Religionsfreiheit ..."
Religionsfreiheit wird von den Offiziellen und Anhängern spezifischer Religionen oder Ideologien immer noch am liebsten als die Ausübungsfreiheit für ihre eigene Religion oder Ideologie eingefordert, nicht etwa als Freiheit für die Konkurrenz. Deswegen wird in Deutschland noch sehr lange keinem Jungen und keinem Mädchen verboten werden, ein christliches Symbol offen zu tragen, aber das Kopftuch und andere Ausdrucksformen arabischer Kultur werden genauso lange immer wieder für Widerstand sorgen.
Man muss das nicht toll finden; wenn man es zur Kenntnis nimmt, erklärt dieser Unterschied zwischen Sollen oder Wünschen und Sein aber einiges.
Das Kopftuch ist ein Symbol der islamistischen Ideologie!
Es ist DAS Symbol des Islams!
Es gibt keinen vernüftigen Grund, eine Frau oder ein Mädchen zu nötigen, ein
Kopftuch zu tragen!
Traditionen, die dies verlangen, sind unerwünscht und sollten
verboten werden.
Ich sehe es so,daß diese Kopftuchdebatte immer wieder instrumentalisiert wird auch im Schulbetrieb,um die nächste Hürde zu nehmen- keine Teilnahme am Schwimmunterricht usw. oder die Übernahme in den Schuldienst mit der Kopftuchberufsausübung.Ich bin da sehr pessimistisch.Das mag jetzt sehr verschwörerisch klingen,ist es aber nicht.Selbst wenn ich verschiedene Dinge in einen Zusammenhang bringe.Genug Pädagogen müssen wir haben und das Problem war sehr lange bekannt aber es funktionierte immer auf Sparflamme.Jetzt wird es nicht mehr gelöst werden,wir haben uns eingerichtet im Mangel diesbezüglich.Weniger unterrichten mehr-abgewandelter Slogan aus DDR-Zeiten.
"Deswegen wird in Deutschland noch sehr lange keinem Jungen und keinem Mädchen verboten werden, ein christliches Symbol offen zu tragen, aber das Kopftuch und andere Ausdrucksformen arabischer Kultur"
Das haben Sie treffend beschrieben. Christliche Symbole werden von Jungen und Mädchen offen getragen, das Kopftuch, das Sie ganz richtig als "Ausdrucksform arabischer Kultur" bezeichnen (und nicht als religiöses Symbol) wird hier in Deutschland eher seltener von Jungen getragen. Von Jungen unter 14 wohl noch seltener.
Ich würde mir wünschen, dass Journalisten, die sich über dieses Thema auslassen, zwischen religiösen und politischen Symbolen unterscheiden und diese entsprechend differenziert bewerten könnten.
Tatsächlich habe ich selbst kleine Mädchen (Klasse 6) kennen gelernt, die ihr Kopftuch bevor sie die Schule betreten haben, abgenommen und nach dem Verlassen der selben wieder umgebunden haben. Warum wohl?
Es gibt vor allem infolge der Überhitzung der Debatte überhaupt keine Möglichkeit für Menschen, die nicht zu einer moslemischen Familie gehören, überhaupt noch wissen zu können, was moslemische Frauen und Mädchen freiwillig machen und was nicht ... gehen bei uns 8jährige Kinder zur Ersten Kommunion, weil sie durchdrungen haben, was sie da tun sollen und es aus tiefster Freiwilligkeit bejahen, oder weil sie von den Geschenken verführt werden zu etwas, das sie schon bald verabscheuen werden, oder weil der Gruppenzwang die Eltern zwingt, ihre Kinder zu zwingen? Worauf man sich jedenfalls verlassen kann: Viele, wenn nicht die meisten, werden im Kern vergleichbar problematische Sachverhalte bei christlicher Tradition wohlwollend auslegen, bei moslimischer Tradition böswillig.
Und Sie könnten sich gelegentlich mal entscheiden, ob "Symbol der islamistischen Ideologie", oder "Symbol des Islam". Oder ist für Sie Islam und Islamismus dasselbe? Und falls letzteres: Störte es Sie dann, statt vom Christentum vom Christianismus seiner Anhänger zu sprechen?
"Die Zahl der unter 14-jährigen Mädchen mit Kopftuch ist verschwindend gering. Noch kleiner ist die Zahl der Mädchen, die mit einem Kopftuch in die Kita gebracht werden. Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Warum auch sollte man Kopftuchträgerinnen zählen? Wie viele kopftuchtragende Mädchen zwischen 2 und 14 Jahren kennen Sie persönlich? Wie viele sehen Sie jeden Tag auf der Straße? Wie intensiv sind Ihre Kontakte zu muslimischen Familien, in denen die Eltern ihren Töchtern das Stück Stoff an den „Kopf nageln“?"
Wieso spielt die Anzahl der Mädchen, die- von wem auch immer - gegen ihren Willen ein Kopftuch tragen sollen oder müssen eine Rolle? Bei dem Verbot der Beschneidung von Mädchen spielt doch die Anzahl auch keine Rolle. Oder? Eins ist schon zu viel.
Warum regen sich eigentlich manche auf, wenn Jungen freiwillig mit Mütze im Unterricht sitzen? Und warum sollen sie die abnehmen? Könnte ja auch einen symbolischen Charakter (Fussballvereinsfan z.B) haben oder sie schämen sich, weil ihnen der Friseur die Haare verhunst hat.
Es wäre wünschenswert, wenn der Unterschied zwischen Inhalten der islamischen Religion und arabischen kulturellen Eigenarten im öffentlichen Diskurs deutlicher berücksichtigt würde. Ob es wirklich nützen würde, kann ich nicht abschätzen, aber von Journalisten, die seriös arbeiten, sollte man es verlangen können, diesen Unterschied zu kennen und sachlich korrekt aufzugreifen.
"...in vielen Gegenden dieser Republik ist christlicher Religionsunterricht in der Schule Pflicht. Dafür gibt es sogar eine Note. Und wenn die schlecht ist, können die Schülerinnen und Schüler deswegen sitzen bleiben."
Wo ist Religionsunterricht (egal welcher Religion oder Konfession) denn Pflicht? So viel ich weiß ist der in ganz Deutschland freiwillig und alternativ zu Ethik, Philosophie und/oder Werte und Normen. Allerdings entscheiden -bis das Kind mit 14 religionsmündig ist - die Eltern an welchem der genannten Fächer das Kind teilnehmen soll. D.h. auch hier ist ein Kind unter 14, was Religion oder eine Alternative betrifft nicht in jedem Fall (je nach Auffassung der Eltern) selbstbestimmt oder kann zumindest mitbestimmen.
Dass man nur wegen einer schlechten Religionsnote sitzen bleiben könne, ist mir auch neu. Kennen Sie einen einzigen Schüler/eine Schülerin, die wegen einer Relisechs sitzen geblieben ist? Man kann allerdings mit einer guten Relinote eine schlechte in einem anderen Fach ausgleichen - hat mir jemand erzählt. Wissen Sie, ob das stimmt?
"Worauf man sich jedenfalls verlassen kann: Viele, wenn nicht die meisten, werden im Kern vergleichbar problematische Sachverhalte bei christlicher Tradition wohlwollend auslegen, bei moslimischer Tradition böswillig."
Tja, da haben Sie wohl leider Recht.
Ist glaube ich noch nicht sehr lange her, daß Religionsunterricht Pflicht war. Hat eigentlich auch an der Schule nichts verloren.
Wird wohl so bleiben. Siehe Artikel 7 GG:
"(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen."
Aber, was wirklich mMn schade ist, ist dass jeder (außer die Bremer?) auf Kosten der Gemeinschaft -einschließlich auf Kosten der nichtreligiösen Steuerzahler - an öffentlichen Schulen sein eigenes Religionssüppchen kochen will, statt sich in einem überkonfessionellen freiwilligen Religionsunterricht über unterschiedliche Religionen und religiöse Richtungen zu informieren und auszutauschen.
Gute Nacht.
Zitat "Wer es ernst meint mit der so oft beschworenen Religionsfreiheit – ........ –, sollte Religion grundsätzlich aus der Schule verbannen."
Dem ist nichts hinzu zu fügen!
Im Übrige bin ich aber schon rstaunt darüber, wie die Autorin die Bedeutung des "Stücks Stoff" relativiert und bagateööisiert.
Sehr gut solange die erzwungenen Taufen unter dem Alter von 14 Jahren und der Religionsunterricht dann gleich mit abgeschafft werden.
Ich schlage vor, Schuluniformen einzuführen, wie dies z.B. in Indien und Japan der Fall ist. Damit erledigen sich viele Probleme, nicht nur das Kopftuch bei Mädchen.
Die Beschneidung von Knaben ist in Deutschland ab Geburt juristisch freigegeben und beim Elternrecht verankert.
Mir ist unklar wie man Eltern vor diesem Hintergrund verbieten will ihre Tochter
ab Geburt mit einem Kopftuch gegen " sexualisierte Blicke " zu schützen.
Die Kopftuchdebatte ist,meiner Meinung auch gut,um endlich die strikte Trennung von Kirche und Staat in jeglicher Hinsicht,endlich durchzusetzen.Und das dauert gefühlte Ewigkeiten.Und ja-dann dürfte auch kein Kind,Säugling unfreiwillig getauft werden,praktisch aber nicht durchsetzbar,weil das die Elternautorität nicht berücksichtigt.Heißt im Umkehrschluss aber auch,dann tragen Kinder Kopftücher,egal wie ich die Tücher einordne.Akzeptiert...Ich akzeptiere aber keine Kopftücher vor Klassen,dann ist das nur in konfessionsgebundenen Schulen möglich-egal welcher Glauben.
Frau Klöckner, sich unwissend gebend, aber tief in die Maus-Affäre verstrickt, Spahns Mit-Islam-Gesetz-Initiatorin, gescheiterte Möchte-Gern-Merkel-Mit-Putschistin die von kruden Geschlechterbildern schwadroniert, aber selbst krude Anschauungen (wir erinnern uns, wie sie z.B. im Landtagswahlkampf in Rheinland-Pfalz mit der AfD geliebäugelt hatte) vertritt, agitiert jetzt für ein Kopftuchverbot bei Kindern. Hätte sie als neue Landwirtschaftsministerin nicht Wichtigeres zu tun als die Gesellschaft weiter zu spalten?
Frau Klöckner, wenn Sie schon Ihre Redseligkeit nicht einbremsen können, dann wäre es doch interessant zu erfahren, wie der Stand des von Ihnen angekündigten Parteiausschlußverfahrens gegen den Koblenzer CDU-Politiker Wilms ist, der Anfang letzten Jahres auf üble Weise gegen Manu Dreyer gehetzt hatte. Hatten sie doch mehr Klarheit angekündigt. Umgesetzt oder alles wieder einmal nur erstunken und erlogen?
Ach noch etwas!Nach der Wahl ist vor der Wahl: http://youtu.be/0zSclA_zqK4
Und hier kann man aktuell zum Kopftuch weiter kommentieren, wobei der Beitrag auch hier zu lesen ist.