So will frau nicht mehr leben

Pay Gap Seit Jahrzehnten müssen Frauen eine Lohnlücke von durchschnittlich 21 Prozent beklagen und es passiert: nichts. Somit bleibt nur der Weg über Gesetze
Ausgabe 11/2018
It's a rich man's world
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Foto: Harold Clements/Express/Getty Images

Jetzt müssen Sie stark und geduldig sein. In diesem Text geht es um Hochemotionales: um Frauen, Männer und Geld. Nichts regt Menschen so sehr auf wie Streit um Geld. Vor allem um Geld, das sie nicht haben. Noch unerträglicher wird es, wenn sich der Zoff ständig wiederholt und Sätze fallen wie: „Ich kann es nicht mehr hören!“

Vielleicht können Sie es auch nicht mehr hören und lesen, dass jedes Jahr um diese Zeit der Equal Pay Day (EPD) begangen wird. Jener Tag, bis zu dem Frauen über das Jahresende hinaus arbeiten müssen, um das gleiche Geld in der Tasche zu haben wie Männer, diesmal ist es der 18. März. Man könnte es auch anders formulieren: Bis zu diesem Tag arbeiten Frauen umsonst.

All das können Frauen schon lange nicht mehr hören und lesen. So wollen sie nicht mehr leben. Doch sie müssen. Obwohl sie seit Jahrzehnten eine Lohnlücke von durchschnittlich 21 Prozent beklagen. Obwohl Gerechtigkeitsaktivistinnen, Lobbyverbände und – manche – Politikerinnen das Lied von der wünschenswerten geschlechtergerechten Lohngleichheit singen wie die SPD die Internationale. Und dann? Ändert sich nichts. Seit Jahrzehnten.

Ebenso leid sind es Frauen, zu erklären, dass sie selbst dann noch etwa sechs Prozent weniger verdienen als Männer, wenn die Einkommensstatistiken mit „frauenbedingten“ Abzügen neu berechnet werden. „Frauenbedingte“ Abzüge sind „frauenbedingte“ Realitäten: Viele Mütter arbeiten Teilzeit, weil die Kita und die Schule mittags schließen. Sie legen wegen der Kinder längere Jobpausen ein, weil sie erst gar keinen Krippenplatz bekommen. Frauen sind seltener in Führungspositionen, dafür sehr häufig in schlechter bezahlten Care-Berufen zu finden.

Alljährlich und häufig um den EPD herum erscheinen Studien, die die ungerechte Bezahlung repetieren. Zum Beispiel diese hier, die im Auftrag des Meinungsforschungsinstituts OnePoll erstellt wurde: Deutschland rangiert mit seiner 21-Prozent-Lohnlücke auf einem der hinteren Plätze in Europa. Noch schlechter sieht es nur noch in Tschechien aus (25 Prozent). Oder die jüngste Erhebung der Hans-Böckler-Stiftung und der Universität Duisburg-Essen: Danach werden Beschäftigte in Branchen, in denen hauptsächlich Frauen arbeiten, grundsätzlich schlechter bezahlt. Und das auch, wenn Anspruch und Belastung dort ähnlich hoch sind wie in „männerdominierten“ Berufszweigen.

Um das Desaster in einem Satz zusammenzufassen: „Frauenarbeit“ wird vielfach noch immer nicht als gleichwertig angesehen und honoriert. Die schlussfolgernde Forderung, Frauen ebenso zu entlohnen wie Männer und zudem Care- und Dienstleistungsberufe sozial und ideell aufzuwerten, kann mittlerweile auch kaum noch eine Frau hören und lesen. Aber es passiert nichts.

Bleibt der Weg über Gesetze. Nun kann seit Januar jede und jeder erfahren, was die Kollegin und der Kollege auf derselben Stufe verdient. Für das sogenannte Entgelttransparenzgesetz haben Verbände, die linken Parteien und Lobbygruppen jahrelang gekämpft. Denn nur wer Bescheid weiß und vergleichen kann, kann fairen Lohn fordern. Bloß: Bislang interessiert sich – außer Bankangestellten – kaum jemand dafür, ob es im Betrieb finanziell gerecht zugeht. Nun ist jedes Recht nur so gut, wie es angewendet wird. Fairerweise muss man dem jungen Gesetz zunächst die Chance geben, sich zu etablieren. Kann dauern.

Übrigens: Wenn Frauen gerechter bezahlt werden, müssen sich Menschen auch seltener um Geld streiten.

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Geschrieben von

Simone Schmollack

Chefredakteurin der Freitag

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