Warten aufs Objekt

Nicht ganz so wie im TV Die Privatdetektivin Brigitte Geier arbeitet nur für Frauen und schwule Männer

Den Hut tief ins Gesicht gezogen, den Mantelkragen hochgeschlagen, finsterer Blick. So kennt man Detektive aus Literatur, Film und Fernsehen. Halb verdeckt lauern sie hinter einem Baum und lassen eine Kamera klicken, sobald sich ihr Opfer blicken lässt. Später sieht man die Undercoveragenten in einem Auto hocken, den Blick starr auf eine Haustür gerichtet. Manchmal klettern sie über Zäune, dringen in Wohnungen ein oder geben sich in Kneipen oder in Steuerbüros als jemand anderes aus. Das ist Klischee, und jedes Klischee ist immer ein bisschen wahr. Sagt auch Brigitte Geier. Und sie muss es wissen, denn sie ist eine von 6.000 Privatdetektiven in Deutschland. Etwa die Hälfte von ihnen befasst sich mit Privatangelegenheiten und Wirtschaftsdelikten, die andere Hälfte verdingt sich als Kaufhausspion in Warenhäusern und größeren Geschäften.

Beobachtung ist auch das Feld von Brigitte Geier. Sie observiert, nimmt auf, fotografiert, dokumentiert. Mitunter hockt sie tatsächlich stundenlang in ihrem Auto und wartet auf ihr "Objekt". Oder sie tarnt sich, um an brisante Informationen zu kommen, an die sie nie gelangen würde, wenn sie ehrlich bliebe. Sie bedient das Klischee also in vollem Maße. Aber trotzdem ist sie eine Ausnahme, einerseits weil sie sich in einer hart umkämpften Männerdomäne bewegt, andererseits weil sie als einzige in der Branche ausschließlich für Frauen und schwule Männer arbeitet.

Zwar sucht mittlerweile auch das Detektivgewerbe verstärkt nach den vermeintlich weiblichen Eigenschaften wie Einfühlungsvermögen, Intuition, Verbindlichkeit und Kreativität. Dennoch sind nach wie vor über 70 Prozent aller Privatdetektive Männer. Mit knapp 30 Prozent war der Frauenanteil im vergangenen Jahr so hoch wie nie zuvor. In den Führungspositionen größerer Detekteien indes ist kaum eine Frau zu finden.

"Ich helfe Geschädigten, zu ihrem Recht zu kommen", beschreibt Brigitte Geier ihr Ethos und ermittelt vor allem bei Seitensprüngen, der Verweigerung von Unterhaltszahlungen, Mobbing, Betrug und Herkunftsforschung. Das sind die Aufträge, mit denen Frauen und schwule Männer am häufigsten an sie herantreten. Einen Unterschied zwischen ihren weiblichen und männlichen Klienten in deren Wünschen, Vorstellungen und Ahnungen konnte die 56-jährige Detektivin, selbst ledig und kinderlos, bislang nicht feststellen: "Wer sich betrogen fühlt, dem geht es nicht gut und der möchte Gewissheit."

Es macht nicht immer Spaß, in die Schlafzimmer fremder Leute zu schauen. Und nicht jede Frau, die von ihrem Mann betrogen wird, ist selbst ein Engel. Wenn eine Frau ihrem Mann "nur eins auswischen" wolle, lehne sie die Observierung prinzpiell ab, sagt Geier und prüft deshalb vor jedem Auftrag die Motive der Klienten. "Mein Beruf mag manchem dubios und fragwürdig vorkommen. Aber es geht mir um die Gerechtigkeit. Die Betrogenen wissen um den Betrug, brauchen aber handfeste Beweise, um klar zu machen, dass ihre Ahnung richtig ist."

Warum arbeitet sie nicht auch für heterosexuelle Männer? "Die haben ihre Bündnisse und können sich jeden Detektiv ihrer Wahl nehmen. Fragt eine Frau bei einem männlichen Detektiv nach, kann sie davon ausgehen, dass er zu einem großen Teil mit dem Mann parteiisch ist und nicht mit ihr." Frauensolidarität also. Um die ging es Brigitte Geier immer. Lange Jahre hat sie als Sozialpädagogin gearbeitet, sie war unter anderem in einem Frauenhaus beschäftigt. Sie begleitete Frauen bei Gesprächen mit ihren Männern, stand ihnen im Gerichtssaal zur Seite. Anfang der achtziger Jahre gründete sie gemeinsam mit anderen Sozialpädagoginnen, Soziologinnen, Psychologinnen das erste (West)Berliner Beratungszentrum für Vergewaltigungsopfer.


Ihr Weg in die Freiberuflichkeit sollte ursprünglich ein anderes Ziel haben: AHGATA, das erste und einzige Büro für Prozessvorbereitung und Prozessbegleitung in Berlin und Brandenburg. Geier wollte "ihre Frauen" nicht im Stich lassen, aber anders arbeiten als bisher. So kam ihr die Idee einer Beratungsstelle für Frauen, die vor Gericht als Zeuginnen aussagen müssen. Oft gegen den eigenen Mann. Um AHGATA eröffnen zu können, belegte Geier einen Existenzgründungskurs beim Verein "Ökonomista" in München. Auf der Autofahrt zurück nach Berlin kam ihr die Idee, ihre Angebotspalette zu erweitern. Warum keine Detektei? Und warum keine, die ausschließlich für Frauen und schwule Männer arbeitet? Irgendwo auf der Strecke zwischen Leipzig und Dessau fiel der Entschluss: Ich werde Privatdetektivin. Aber eine, die Brigitte Geiers Ansichten über Gerechtigkeit treu bleibt. Schwulen Männern will sie in jenem Bereich eine Unterstützung bieten, die von der männlichen gay community nicht selten verlacht wird: Wenn es um Treue geht.

In Braunschweig bildet die Zentralstelle für die Ausbildung im Detektivgewerbe (ZAD) Interessenten zu Detektiven aus, die mindestens 21 Jahre alt und eine abgeschlossene Berufsausbildung haben müssen. Dort absolvierte Geier ein zweijähriges Fernstudium, dessen Abschluss-Zertifikat an einer Fotowand in ihrem Büro hängt. "Detektiv ist ein ungeschützter Beruf, jeder könnte sich so nennen", erklärt sie. Die ZAD und rät allen, die die Dienste eines Privatdetektivs in Anspruch nehmen, genau hinzuschauen. "Einen seriösen Detektiv", sagt ZAD-Geschäftsführer Mario Krupp, "erkennt man an anständigen Büroräumen, offener und ehrlicher Vorbesprechung, übersichtlichen Verträgen und nicht zuletzt an der Mitgliedschaft im Verband des Detektivgewerbes, dem jeder Detektiv Rechenschaft schuldig ist."

Vor vier Jahren eröffnete Geier ihr Büro, heute beschäftigt sie mehrere Mitarbeiterinnen auf Honorarbasis. Sie erhält Anfragen aus der gesamten Bundesrepublik, bei denen die Auftraggeber nur dieser Privatdetektivin die Sache anvertrauen möchten. Preislich liegt sie im Limit, eine Stunde kostet 54 Euro. Auch wenn Geier nicht immer selbst observiert, entwirft sie den gesamten Ablaufplan, bespricht mit ihren Mitarbeiterinnen und ihren Klienten das Vorgehen und trifft alle Entscheidungen. Und dann kann es durchaus sein, dass sie all jene Dinge tut, die Detektive in der Literatur und im Film tun: Sie klettert über Mauern, fotografiert, "belauscht" Opfer in Restaurant, und verfolgt sie. Wie lange eine Observierung dauert, hängt von der Größe und Schwere eines Auftrags ab. Von zwei Wochen bis zu mehreren Monaten ist jeder Zeitraum denkbar. Was im Anschluss mit den Ehen passiert, bleibt Brigitte Geier allerdings verborgen. "Mein Auftrag ist dann beendet."

In der Branche genießt die Frau mit dem besonderen Profil einen guten Ruf. Viele Privatdetektive in anderen Bundesländern verweisen an die "Frau in Berlin, die fast immer helfen kann". Geier legt ihre Arbeitsweise stets offen und wendet keine Tricks an. Meistens. Um einen Unterhaltssünder zu stellen, schnappte sie sich eine Mitarbeiterin und eine Handkamera, begab sich auf die Baustelle, auf der der säumige Mann arbeitete. Sie stellte sich als Fernsehteam vor, das eine Reportage über das Bauwesen drehen wolle. Und befragte just den jungen Mann, der seinem Kind nach der Trennung von seiner Frau keinen Unterhalt zahlen wollte, nach den Verdienstmöglichkeiten auf dem Bau. Der Mann gab nicht nur bereitwillig Auskunft, sondern pries das Geschäft und offenbarte seine nicht geringen Einnahmen. Vor Gericht galt das Video schließlich als wichtigstes Beweismittel.


Frau im Beruf

Was im Osten eine Selbstverständlichkeit war, hat sich in Westen langsam durchgesetzt: das Bild von Frauen in typisch männlichen Berufen. Die in Tel Aviv geborene und in Wien lebende Fotografin und Filmemacherin Alisa Douer stellt in dem Band Women at Work Portraits von Frauen in ungewöhnlichen Berufen zusammen. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigen die Frauen ganz in der Konzentration auf ihre Tätigkeit, sei es als Fischerin, Revierinspektorin, Maschinenbaumeisterin, FIFA-Schiedsrichterin oder Pflugweltmeisterin. Hinzugestellt sind kurze und sehr persönliche biografische Skizzen.

Frauen abzubilden, die nicht auf die Kamera und einen impliziten Betrachterblick achten, die Aufmerksamkeit völlig auf ihre Arbeit gerichtet, ist immer noch - das zeigen die Fotos von Douer - eine unkonventionelle Form der Darstellung des weiblichen Geschlechts.

Alisa Douer, Women at Work, Mandelbaum-Verlag Wien, 2002.

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