Ausdrucken, einrahmen!

Pomp-Musik Fabian Altstötter sucht auf „Love is“ die perfekte Balance aus Schwermut und Erhabenheit
Ausgabe 05/2019

Manche Alben klingen besser, wenn sie vorher kräftig Staub angesetzt haben. Es verwundert nicht, dass in Zeiten von Spotify und Youtube Vinyl ein Revival erlebt. Es ist das Knistern und Knacken, das den staubigen Platten ihren Charakter gibt, und es ist umso gehaltvoller, wenn man die Scheibe vorher aus einem Flohmarktkarton voll Schlagerramsch gezogen hat.

Für sein Debütalbum hat sich auch Fabian Altstötter kräftig einstauben lassen. Bis vor Kurzem noch war Altstötter Sänger und Gitarrist von Sizarr – den drei Jungs aus Landau, die seit 2009 vor allem dadurch Aufmerksamkeit erregten, dass sie viel zu gut für ihr Alter waren.

Sizarr mischten Soundspielereien mit der Schmach des Erwachsenwerdens und klangen dabei so angenehm und deutsch, dass sie es in kürzester Zeit über sämtliche Festivalbühnen bis zum SXSW nach Austin schafften. Nach zwei Alben und einer länger anhaltenden Pause verkündeten sie im September 2018 ihre Auflösung – allerdings nicht, ohne auf Altstötters Soloprojekt Jungstötter zu verweisen.

Diese Woche erscheint nun das Debütalbum Jungstötters, Love is. In seinem schnörkellosen Pomp wirkt es seltsam aus der Zeit gefallen.

Das Arrangement ist reduziert, jazziger als noch zu Sizarr-Zeiten. Die Drums sind weniger tight, die Gitarren hinterlassen tiefere Kratzspuren. An die Stelle der knalligen Synths sind subtile Pads getreten. Wo vorher noch ein Rest Verspieltheit in Altstötters Stimme lag, ist heute nichts als Schwere.

Wie vor ihm Max Richard Leßmann von Vierkanttretlager mit seinem Solodebüt Liebe in Zeiten der Follower (2017) offenbart auch Jungstötter einen Hang zur Restauration. Und wie Leßmann der Schlager, so steht Jungstötter die antiquierte Anmut ausgezeichnet. Man spürt, dass das titelgebende „Love is a sin that we waited for“ keine Phrase ist, sondern bitterer Ernst. Es spricht für die Wertigkeit des gesamten Albums, dass Jungstötter Verse wie „Darling, I’m hostage to the red-quilted river“, vortragen kann, ohne dabei klamaukig zu klingen.

Kein Netz, es geht abwärts

In zwölf Tracks ergründet er die Last des Schweigens und Scheiterns, des Lebens und der Liebe. Er greift Momente auf, in denen der Magen flau und der Kopf heiß wird und illustriert sie mit maximaler Sprengkraft. In The Wound Wrapped in Sound, dem zweifellos besten Song des Albums, gelingt Jungstötter diese perfekte Balance aus Schwermut und Erhabenheit. „It is night and it’s streched like a bed sheet over the face of the day“ kommt mit so einem Glanz daher, dass man den Satz mühelos ausdrucken und einrahmen könnte.

Leider sind es gerade diese Bilder, in denen Jungstötter, je länger man ihn hört, an konstruierter Verklärung knapp vorbeischrabbt. Manchmal wirkt es, als suche er die Melancholie mit so großem Nachdruck, dass er selbst zu einem Betrachter seiner eigenen Emotionen wird – einem Erzähler, der beschreibt, aber wenig fühlt.

Selten bricht so etwas wie Verzweiflung, Wut oder gar Hoffnung hindurch. Unter dem doppelten und dreifachen Boden, den Jungstötter einzieht, gibt es keine Wendung, keine Netze. Es geht immer nur weiter abwärts und abwärts den schwarzen, samtenen Schacht hinab. Genießen kann, wer den Kopf auf der Brust hält. Wer versucht aufzuschauen, stößt sich den Kopf.

Info

Love is Jungstötter Pias/Rough Trade 2018

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Geschrieben von

Simon Schaffhöfer

Taugenichts und Pausenclown

Simon Schaffhöfer

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