Big Brother fährt mit

Datenschutz Videokameras in Autos werden immer populärer, Datenschützer sorgen sich um die Persönlichkeitsrechte der Bürger. Dabei haben sie den Kampf schon längst verloren

Das Video „The Russian Dashcam-Supercut“ ist der Renner im Internet. Da überschlagen sich LKW-Fahrer auf Landstraßen, zerbersten Autos bei Kollisionen in vereisten Kurven, treten cholerische Männer gegen Autos anderer Fahrer. Das ist Realität in Russland, will der Clip-Zusammenschnitt zeigen, festgehalten mit kleinen Kameras an der Windschutzscheibe. Sie heißen „Dashcams“, und sind laut der Beschreibung unter dem Video „Russlands letzte Hoffnung für Anstand und Überleben auf der Straße“.

Auch in Deutschland sind anscheinend immer mehr Menschen um ihre Sicherheit im Straßenverkehr besorgt, die Dashcam jedenfalls wird auch hier zunehmend eingesetzt – als Beweismittel für die Polizei oder für virale Zusammenschnitte von Blechschäden im Internet. Doch in Bayern untersagte das Landesamt für Datenschutzaufsicht einem Fahrer, seine Dashcam einzusetzen. Vor Gericht äußerte der Richter Verständnis für die Entscheidung: Der Datenschutz der heimlich Gefilmten sei höher zu bewerten als das Interesse des Autofahrers an einem Videobeweis, so das Gericht.

Es ist ein erster Erfolg für die Datenschützer. Der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Stefan Körner, zeigt sich erleichtert, dass „die Datenschutzinteressen der Verkehrsteilnehmer Vorrang haben vor einzelnen Autofahrern, die vorauseilend und anlasslos heimlich Videoaufzeichnungen sammeln“.

Bei allem Verständnis für den Kampf der Datenschützer – eigentlich haben sie ihn schon längst verloren. Die Technik hat sie überholt, jetzt geht es um Schadensbegrenzung.

Während das Ansbacher Gericht über Dashcams streitet, verkauft Google in den USA munter die erste Generation ihrer „Google Glass“-Brille, die sämtliche Handy- und Amaturenkameras im Auto ohnehin obsolet machen könnte. Datenschützer schimpfen, nicht einmal George Orwell hätte sich in seiner fürchterlichsten Dystopie etwas wie Google Glass ausdenken können – und trotzdem: Der Minicomputer am Brillenbügel wird kommen.

Ein wenig erinnert die Dashcam-Debatte an die Einführung von Google-StreetView vor einigen Jahren. Auch damals liefen Datenschützer Sturm, Gesichter und Kennzeichen wurden unkenntlich gemacht, einige wenige Häuser geschwärzt. Google musste Bußgeld zahlen, als bekannt wurde, dass das Unternehmen weit mehr WLAN-Parameter aufgezeichnet hat als zugegeben. Na und? Drei Klicks genügen, und das digitale Ich steht via StreetView vor seiner eigenen Wohnung. Der, mit dem roten Kleinwagen und der Rüschengardine.

Die Meinung der Richter zur Dashcam mag also ein Erfolg sein. Von langer Dauer ist er aber nicht. Zumal das Gericht kein Verbot vorsieht und betont, die Ermessensspielräume müssten „großzügiger ausgelegt werden“, wenn Videos von touristischem Interesse seien. Man kann sich schlecht vorstellen, wie zwischen derartigen Nutzungsabsichten unterschieden werden soll, wenn erst jeder die Kamera serienmäßig auf der Nase trägt.

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Geschrieben von

Simon Schaffhöfer

Taugenichts und Pausenclown

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