Kanye West ist groß darin, der Größte zu sein. Um Musik geht es dabei selten. In den letzten Jahren hat sich der US-amerikanische Rapper mit Interviews, Skandalauftritten und Hochzeitsfotos einen Ruf erarbeitet, um den ein Lothar Matthäus ihn beneiden dürfte.
Der letzte Coup geht allerdings nicht auf Wests Konto, sondern auf das eines gewieften Ebay-Verkäufers. Der bot auf der Auktionsseite eine Tüte Luft aus einem von Kanyes Konzerten an. Der Startpeis lag bei umgerechnet 4 Euro 50, am Ende ging die Tüte für 60.100 weg. Das rief Nachahmer auf den Plan, schnell gab es Dutzende Anbieter im Netz. Kim Kardashian twitterte über ihren Mann: „WOW he can sell everything! Lol.“ Die Tütenluft ist nur ein extremes Beispiel für die Folgen von exzessiver Selbstvermarktung: Der Künstler wird zur Marke, während sein Produkt, seine Kunst, zwischen Exklusivmeldungen und Modelabeln zerfranst. Mit Yeezus hat West ein von Kritikern hochgelobtes Album produziert. In die Schlagzeilen und Klickstrecken kommt er damit aber nicht. Eher durch einen Auftritt wie bei den Video Music Awards 2009, als West die Bühne stürmte und einer verwirrten Taylor Swift ihren Preis aberkannte. Oder das Musikvideo zu Bound 2, in dem Ehefrau Kim Kardashian nackt mit einem Motorrad kuschelt. Die Musik ist Beiprodukt. Wenn der Refrain gut ist, lässt er sich womöglich auf ein T-Shirt drucken. Folgt man dieser Logik, ist nur konsequent und ökonomisch, dass selbst das Beiprodukt irgendwann komplett abgeschafft wird.
Als Facebook-Star Momonews (eine halbe Millionen Follower) vor zwei Wochen in Dortmund shoppen gehen wollte, warteten dort so viele Fans, dass die Polizei den 18-Jährigen eskortieren musste. Seitdem zerbrechen sich Zeitungen und Blogger den Kopf, wie ein Junge, dessen einzige Talente sein Selfiegesicht und ein Handyvertrag sind, eine ganze Innenstadt lahmlegen kann. Momo hat einfach erkannt, wie Selbstvermarktung funktioniert. In solchen Momenten findet der Kapitalismus zu sich selbst. Der Inhalt ist nichts, die Verpackung alles. Die Marke braucht kein Produkt mehr, um begehrt zu werden. „Das Verlangen ist ein Verlangen nach dem Verlangen selbst“ würde Slavoj Žižek sagen und dabei seine Coca-Cola trinken. Ist so eine Fan-Aktion nun besonders pfiffig? Oder zynisch? Vielleicht beides. Bis Sonntag verkauft ein Nutzer seinen Ziploc-Beutel geweihter Luft noch. Die kann man laut Artikelbeschreibung inhalieren oder behalten. Hauptsache, es springt für alle genug dabei heraus.
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