Punkplatten zu rezensieren ist, als würde man eine Gourmet-Kritik über eine Schale Currywurst-Pommes schreiben. Je mehr man nachdenkt, desto schlechter wird das Erlebnis. Ganz ähnlich ist das bei Punkrock. Ein Punkalbum ist „geil“ oder „scheiße“, vielleicht auch „ganz geil“ oder „relativ scheiße“, und mehr braucht es nicht zu sein.
Bei den Shitlers reicht schon ein Plattencover, um zu erkennen, dass es sich vermutlich um die Königsdisziplin „scheiße, aber geil“ handelt. Für ihr drittes Album This Is Bochum Not L.A. posieren die sonst meist bekleideten Ruhrpottler mit heruntergelassenen Hosen vor einem abgeranzten Kiosk, während Wolfgang Wendland, der sonst meist nackte Frontmann der Band Die Kassierer, angezogen und rauchend auf ihre Genitalien starrt. Passend dazu erklärt Gitarrist Martin im Opener, er habe ein Problem mit den Frauen anderer Männer, sei narzisstisch und „objektfixiert auf deine Mudda“. Dann rotzen Gitarre, Bass und Drums unter die schiefen Vocals, und verschmelzen alles zu einem siffigen Haufen Frittenfett. Wäre Punkrock eine Imbissbude, wären die Shitlers die betrunkenen Stammgäste in der Ecke mit dem Spielautomaten.
Es erfordert Mut, heutzutage ein Punkalbum herauszubringen. In Zeiten, in denen Youtube-Rapper bei Rock am Ring spielen, und 15 der 50 meistgehörten Songs auf Spotify von der Hamburger Hip-Hip-Band 187 Straßenbande stammen. Vielleicht haben die Shitlers Mut, vielleicht ist es ihnen einfach nur scheißegal. Aber This Is Bochum Not L.A. klingt wie immer, und könnte trotzdem das frischeste Fun-Punk-Album der letzten Jahre sein.
Der Spagat funktioniert, weil die Shitlers, statt in Klischees zu bleiben, alles auseinandernehmen, was ihnen die Popkultur vor die Nase setzt. Auf This Is Bochum hat alles seinen Platz: Green Day waren geil, Dr. Helmut Kohl auch. Niemand hört Parkway Drive. Eko Fresh war ein guter Rapper, weil er immer sein Ding gemacht hat. Shindy ist zu jung. Fler ist Gott und hat immer recht.
Nicht ins Audimax
Das alles meinen die Shitlers todernst, denn sie haben die Deutungshoheit gepachtet. Dass dabei ein großer Teil der Anspielungen auf Deutschrap abfällt, ist kein Zufall. Es ist die logische Konsequenz für eine Band, die ihre Musik in der Imbissbude und nicht im Audimax sehen will. Die anrennt, gegen alle Business Punks und Marketing Rockstars. Wenn die Bochumer in CCN4 ein neues Carlo-Cokxxx-Nutten-Album von Bushido fordern, ist das kein ironischer Wunsch nach mehr Trash, sondern Provokation, Asphalt und Hurensohn. Genau der maximal asoziale Themenbereich eben, den Punk besetzen sollte, um nicht zu Studentenmusik zu verkommen. Oder wie die Shitlers sagen: „Intelligenter Deutschpunk, wenn ich das schon höre, da müssen bei Ihnen sämtliche Alarmglocken angehen.“
Also schießt die Band auf This Is Bochum, Not L.A. gegen famegeile DJs, die Haftbefehl spielen, nur weil sie sein Nuscheln scheiße finden. Gegen die Labels Fat Wreck und Epitaph Records, weil sie „das Genre ausdifferenzieren“ wollten. Gegen Plattensammler, die Songs auf Vinyl sammeln, die die Shitlers nicht einmal runterladen würden. Und weil sie dafür weniger als die Hälfte der CD-Laufzeit brauchen, gibt es am Ende noch einen zwanzigminütigen Abriss über Komodowarane. Scheiße, aber geil eben. Und mehr muss man auch gar nicht dazu sagen. Wir sind ja nicht im Audimax.
Info
This Is Bochum Not L.A. Die Shitlers Weltgast
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