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Supermarkt-Wahlurnen Damit die Wahlbeteiligung endlich wieder steigt, will die SPD, dass in Zukunft zwischen Wurst, Joghurt und Aufbackpizza auch Wahlurnen stehen
Ausgabe 37/2014

"Nein danke, ich möchte meinen Kassenbon nicht haben“, versichere ich der Dame am Förderband jedes Mal, wenn ich nach der Arbeit noch einmal kurz im Supermarkt vorbeischaue. Und dabei gucke ich so entschieden, dass sich jede weitere Frage nach einer Punktesammel-Kunden-karte erübrigt. Ich habe Angst vor der Länge meines Kassenbons. Ich will nicht wissen, an wie vielen Stellen die Supermarktpsychologie mein Gehirn gerade wieder überlistet hat.

Folgt man einer Idee der SPD, sollen in Zukunft zwischen Wurst, Joghurt und Aufbackpizza auch Wahlurnen stehen. Damit könnten politikverdrossene Bürger vielleicht wieder zur Stimmabgabe motiviert werden, sagt SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Nach der Landtagswahl in Sachsen, bei der die Hälfte der Wahlberechtigten zu Hause geblieben ist, überlegt man sich nun: Wenn der Wähler nicht zur Urne kommt, kommt die Urne bald zum Wähler – in den Supermarkt oder die Post, die Imbissbude oder das Fitnessstudio. Oder wo sich der Nichtwähler sonst so verkriecht.

Bevor jetzt alle Anhänger des Kreuzchenmachens in muffeligen Klassenzimmern kollektiv aufschreien, bitte einen Moment innehalten … Eigentlich hat die Supermarktidee doch Potenzial. Es ist an der Zeit, der Politikverdrossenheit mit knallhartem Marketing zu begegnen (siehe auch Seite 13). Und es gibt so viele Orte, die besser für eine Wahl geeignet sind als verwaiste Provinzgrundschulen. Im Supermarkt könnten die Vorteile der volloptimierten Verkaufspsychologie genutzt werden: Duftstoffe und Wohlfühllicht statt Leuchtstoffröhren.

Natürlich stehen bei einer Supermarktwahl die kleinen Oppositionsparteien immer ein bisschen weiter unten im Regal als die große Konkurrenz. Statt die Bürger aber hilflos aufzufordern, ihr Kreuzchen bitte, bitte am Sonntag zu setzen, muss man jetzt nur noch dafür sorgen, dass der Wahltermin einen Tag vorverlegt wird, um den Samstagsansturm im Discounter mitzunehmen. Die Süßigkeiten und Zigaretten im Kassenbereich werden dafür durch wahloptimierte Komplementärgüter wie Taschentücher oder Sekt ersetzt, die Wahlbenachrichtigung findet sich auf der Rückseite der Rabattcoupons. So einfach kann die supermarktkonforme Demokratie sein.

Und wir, die gern in den ranzigen Wahllokalen abgestimmt haben, müssen uns halt umgewöhnen. Ich nehme mir aber jetzt schon vor, meinen Wahlbon genau zu kontrollieren. Man weiß ja nie, was man im Eifer des Gefechts für einen Quatsch kauft, äh, wählt.

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Geschrieben von

Simon Schaffhöfer

Taugenichts und Pausenclown

Simon Schaffhöfer

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