Stadt, Land, Trump

Geografie Der Kandidat der US-Republikaner kennt keine Landkarten. Aber wissen wir eigentlich so viel mehr?
Ausgabe 02/2016
Paris in Deutschland? Donald Trump nimmt es mit Landesgrenzen nicht so genau
Paris in Deutschland? Donald Trump nimmt es mit Landesgrenzen nicht so genau

Foto: Tom Pennington/Getty Images

Donald Trump hat ein besonderes Hobby: Er zieht gern Grenzen, und er grenzt gern aus. Muslime zum Beispiel. Oder Lateinamerikaner. Er überschreitet gelegentlich Grenzen, etwa, wenn er ganzen Bevölkerungsgruppen die Einreise verweigern will. Trumps Lieblingsbarriere ist die nach Mexiko. Und damit sie jeder sehen kann, will er eine Mauer chinesischen Ausmaßes bauen. Hin und wieder verrutscht ihm bei seinen Eingrenzungen allerdings das Lineal.

Vor einer Woche twitterte Trump: „Mann in Pariser Polizeistation erschossen“, schlussfolgerte, „Deutschland ist ein einziges, großes Verbrechen“, und verlegte so Paris mal eben hinter die deutschen Landesgrenzen. Kann es sein, dass ein US-amerikanischer Präsidentschaftskandidat nicht weiß, wo Deutschland und Frankreich liegen? Kurze Nachfrage bei einem Freund in Massachusetts, ob sie dort keinen Geografie-Unterricht hätten. Antwort: „Haben wir, aber Trump ist ein verdammter Schwachkopf.“ Der Freund kennt die Klischees und will sie dringend ins Reine bringen. US-Amerikaner haben schließlich nicht gerade den Ruf, über ihre Landesgrenzen hinauszuschauen. Das Medienportal Buzzfeed hatte schon vor zwei Jahren präsentiert, welche bizarren Ergebnisse dabei herauskommen, wenn Amerikaner versuchen, die Länder Europas zu beschriften. Andererseits: Sind wir Europäer wirklich besser? Wie würden wir uns anstellen, wenn wir auf einer Karte die US-Bundesstaaten benennen müssten?

Montana zum Beispiel ist fast so groß wie Deutschland. Und wer von uns weiß schon, wo Montana liegt. Im Grunde lässt sich unsere Schul-Erdkunde auf zwei Worte reduzieren: Diercke, Weltatlas. Ein monströses Buch, das kaum in den Ranzen passt und die Rücken von Schülern nachhaltig schädigt. Man hasst es, bevor man es überhaupt aufgeschlagen hat. Dazu: schneeweiße Kartenmandalas. Und ein Lehrer mit strengem Blick, der einem erklärt, wo man die am besten geeigneten Buntstifte kaufen kann, um die Mandalas auszumalen.

Doch solche Stunden, die Basiswissen vermitteln sollen, verschwinden nach und nach. Schon seit Längerem werden Fächer wie Geschichte, Erdkunde und Soziologie im Schullehrplan zusammengelegt. „Der Unterricht in Längsschnitten führt dazu, dass die Schüler alles durcheinanderwerfen“, bemängelte Heinz-Peter Meininger, Chef des deutschen Philologenverbands, vor Kurzem in der Welt. Und später, beim Studium, Geschichte oder Politologie, kommt Geografie kaum vor. Zumindest in Deutschland. An französischen Kaderschmieden, dort, wo Präsidenten gemacht werden, wird la cartographie beinahe vergöttert. Beim Studium der Politikwissenschaft hierzulande muss man nicht genau wissen, wo ein Land liegt, um es zu analysieren.

Die meisten unserer Geografiekenntnisse stammen sowieso nicht aus dem Klassenraum, wir haben sie von der Rückbank im Auto. Stadt, Land, Fluss, Hauptstädteraten, Kennzeichen erkennen. HSK steht für Hochsauerlandkreis, GR für Görlitz. H für Hannover, obwohl Hamburg viel größer ist.

Möglicherweise ist es also an der Zeit, alte Hobbys wiederzuentdecken und wieder mal hinten ins Familienauto zu steigen. Und Stadt, Land, Fluss kann man längst auch im Internet spielen. Es gibt zunehmend Apps im Quizduell-Stil, bei denen mit Stecknadeln die richtigen Länder gepinnt oder die Flaggen zugeordnet werden müssen. Vielleicht sind wir alle ein bisschen Trump geworden. Aber wir sind lernfähig.

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Geschrieben von

Simon Schaffhöfer

Taugenichts und Pausenclown

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