After Effect von Stephan Geene

Kino Eine Werbeagentur in Berlin, junge Kreative bei der Arbeit. Kampagnen werden entwickelt, die Auftraggeber ziehen es vor, im Hintergrund zu bleiben. ...

Eine Werbeagentur in Berlin, junge Kreative bei der Arbeit. Kampagnen werden entwickelt, die Auftraggeber ziehen es vor, im Hintergrund zu bleiben. Die Hierarchien sind flach, ohne unwirksam zu sein. Selten wird zielgerichtet kommuniziert, aber man erhofft sich einiges von dem angeblich manifesten Zusammenhang zwischen "Tieren und Logos". Meetings gehen in Partys über, berufliche Ansagen mischen sich mit privaten Gesten. Oft ist abgeklärt von Kunst die Rede. Gearbeitet im engeren Sinn wird ohnehin selten, aber was heißt das schon: Sie nennen es Arbeit.

After Effect, das Spielfilmdebüt von Stephan Geene, handelt dennoch nicht vom "neuen Berlin" der Werber oder dem ähnlich gepolten Flügel der "Digitalen Bohème". Geene interessiert sich mehr für einen vergleichsweise undefinierten soziokulturellen Raum und die eigensinnigen Übersetzungsprozesse zwischen Marketing, Kunst und theoriegeleitetem Sprechen. Es geht um den Sound einer Subkultur, aber nicht um ästhetisch-diskursive Beschleunigung wie in den Theaterarbeiten von René Pollesch. In After Effect sind alle ziemlich erschöpft, anmoderierte semiotische Debatten laufen schnell in konsensfähigem Ennui aus.

Stephan Geene war bereits wesentlich an der kollektiv produzierten WG-Soap Le Ping Pong d´Amour (1996-2007) beteiligt. Bekannt geworden ist er als Mitbegründer des in diverse linke Milieus vernetzten Kreuzberger Theorie-Buchladens b_books, den es seit 1996 gibt. Eben diese Szene stellt weite Teile des Personals von After Effect. Insofern handelt es sich um einen Dokumentarfilm für einen überschaubaren Kreis Eingeweihter - ein Berliner cinéma copain, ein Film für Freunde und Freunde der Freunde.

Wem diese vermutlich doch sehr beschränkte Rezeptionsebene unzugänglich ist, kann sich immer noch an dem schön kompilierten Soundtrack erfreuen, der von International Pony bis zu Akufen reicht und angenehm unverbindlich über dem Film schwebt. Nett sind auch die kleinen digitalen Vignetten, die das Bild Unernst werden lassen, indem sie animierte Tierchen in den Realraum entlassen.

Was noch? Manchmal tauchen in den Gesprächen der Jungkreativen Fragmente angesagter Theorie auf. Stichworte der "politischen Zoologie" vermengen sich diffus mit dem Jargon der Marketingmenschen. Der Film nimmt sich aber glücklicherweise selbst nicht ganz für voll und forciert keine anstrengenden Diskurse. Die Figuren sind viel zu schlaff, um ambitionierte Arbeit am Begriff zu leisten; sie schaffen es kaum, anschlussfähiges Sprachmaterial zu produzieren.

Auf einer anderen Ebene versucht Geene offenbar, Kunst- und Kinosignale gegeneinander zu inszenieren. Vage ahnt man den Godard der 1980er Jahre am Horizont. Einige ostentative Kamerafahrten und eine bestimmte Variante, "falsche" Blickanschlüsse zu montieren, erinnern an die Formsprache jüngerer Arbeiten aus dem Bereich des Installationsfilms. Dem steht, vor allem mit der Besetzung von Sabine Timoteo (Gespenster, Der freie Wille), eine Kinoreferenz gegenüber, die ausgestellt wird, ohne sich in irgendwas zu übersetzen. Cameo-Auftritte von Nachwuchskräften des jungen deutschen Films wie Laura Tonke und Bastian Trost verstärken gleichfalls den Eindruck, dass Geene "Kino" als distinktes und fremdes Zeichensystem begreift, nach dessen intuitiver Evidenz er sich aber gleichwohl zu sehnen scheint.

Dieses Umkreisen von "Kino" verdichtet sich aber wie alles andere nicht mal in formaler Hinsicht. Dass alles im Ungefähren verbleibt, sich keine Diagnosen oder Haltungen abzeichnen, ist aber vermutlich gewollt und macht vielleicht sogar den ästhetischen Charme von After Effect aus. Von jener Version des Films, die am Rande der Berlinale 2006 eine inoffizielle Mitternachtspremiere erlebte und die vollversammelte Szene, freundlich formuliert, ratlos zurückließ, hebt sich die jetzt ins Kino kommende, konziser geschnittene Fassung immerhin deutlich ab. Ob sie für eine Öffentlichkeit, die über diese spezifischen Berliner Zusammenhänge hinausgeht, von Interesse ist, bleibt dennoch wie Anliegen und Grundstimmung des Films: einigermaßen unbestimmt.

After Effect ist im Kino vorerst nur in Berlin zu sehen. Ab 31. Juli in Frankfurt/Main, im Oktober in München und Wien

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