"Bayern-like"

Medientagebuch Der FC Bayern München stellt einen neuen Trainer vor und daraus wird ein Medienereignis: Über "grammatische" Qualitäten, die "am Ende des Tages" "gut daran täten"
Ausgabe 26/2013

Vor dem Star-Trainer spricht ein Ex-Führungsspieler mit hochrotem Kopf. Der Pay-TV-Sender Sky kann es nicht lassen und hat Stefan Effenberg eingeladen. Der Pensionär sondert routiniert Sätze ab, in denen das Wort „Druck“ und die Wendung „zum Erfolg verdammt“ vorkommen. Angesprochen fühlen soll sich Pep Guardiola, der neue Trainer des FC Bayern München, der sich um 12 Uhr in einer ersten Pressekonferenz der interessierten Öffentlichkeit vorstellen wird.

Muss man sich so was ansehen? Vermutlich nicht, hat aber trotzdem Spaß gemacht. Die meisten kritischen Beobachter haben messerscharf auf „Hype“, „Medienereignis“, „PR-Termin“ erkannt, sind aber nicht lange genug dran geblieben, um zu sehen, dass Guardiola nach der Pressekonferenz noch einen Fototermin absolvierte, den Sky in seltsam verwackelten Handkamerabildern ebenfalls live übertrug. Da dekonstruierte sich das Format gleich selbst.

Der neue Trainer – gerade hatte er Komplimente bezüglich seiner Deutschkenntnisse mit einem lässigen „Alles auswendig gelernt“ gekontert – steht auf dem Rasen seines künftigen Heimstadions und soll mit dem übermotorisierten Dienstwagen fotografiert werden. Vorher wird er vom Bayern-Maskottchen „Bernie“ geherzt, ein zudringlich dauergrinsender LSD-Teddybär, der Guardiola locker einen Ball zuspielt und einen scharfen Flachpass zurück erhält. Man wird nicht sagen können, dass der Merchandising-Retortenbär diesen Rückpass „mit einem Kontakt“ zu verarbeiten wusste. Folge: Exit Bernie, der Rumpelfüßler taumelt aus dem Bild.

Kalle Rummenigges Deutsch

Nächster Auftritt: Herr mit leuchtender Krawatte schwenkt Autoschlüssel. Ein overdresster Chauffeur, der seine Rolle etwas outriert interpretiert? Nein, es ist Rupert Stadler. Das ist doch schön, dass der Vorstandsvorsitzende der Audi AG nichts Dringlicheres zu tun hat, als Dienstwagenschlüssel zu übergeben. Guardiola lächelt souverän und versucht, nicht auf die entgleiste Krawatte des Autohändlers zu starren. Die Boulevardjournalisten notieren sich derweil schon mal das Kennzeichen. Von rechts drängt ein Sky-Außenreporter ins Bild und verdeckt den immer wilder auf Guardiola einredenden Stadler. Dabei besteht hier eigentlich keine Chance, ein Auto zu verkaufen. Auf der Kommentarspur wird in immer neuen Anläufen gelobt, wie gut der Spanier schon Deutsch spreche, insbesondere „grammatisch“.

Bereits bei der Pressekonferenz hatte sich der Eindruck aufgedrängt, dass alle nur gekommen waren, um Sprachzeugnisse auszustellen. Land der Oberlehrer, unerträglich gerade dann, wenn es sich gönnerhaft gibt. Benötigt man etwa perfektes Deutsch, um sich mit Kalle Rummenigge zu verständigen, der auf die Frage, wie er den Einstand des Trainers fand, aus seinem lustigen Eigenbaumodell weltmännischer Rhetorik ein schräges „à la bonne heure“ hervorzauberte. Überhaupt, das Deutsch des Rummenigge hätte viel mehr Aufmerksamkeit verdient: „Am Ende des Tages“ wäre es doch „Bayern-like“, wenn „wir gut daran täten“. Mittendrin im Sprachdschungelcamp stand an diesem Montagmittag Pep Guardiola, der an seinem ersten Arbeitstag sehr gut italienisch sprach, ausnahmslos strategisch kluge, bescheidene Sachen sagte und mindestens ein Bayern-Maskottchen aus dem Spiel nahm.

Simon Rothöhler ist Mitherausgeber der Zeitschrift Cargo

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