Juno von Jason Reitman

Kino Adoleszenzkomödien handeln bevorzugt von herbeigesehntem, generalstabsmäßig vorbereitetem oder erstmals durchgeführtem Geschlechtsverkehr, meiden ...

Adoleszenzkomödien handeln bevorzugt von herbeigesehntem, generalstabsmäßig vorbereitetem oder erstmals durchgeführtem Geschlechtsverkehr, meiden aber gewöhnlich den Blick auf unschöne Nebenwirkungen wie ungewollt schwangere Teenager. Hauptgrund dürfte sein, dass der Zusammenhang den Rahmen des Genres sprengt und das Sujet tendenziell Richtung Problemfilm umleitet. Wirklich lustig findet Juno (Ellen Page) in Jason Reitmans gleichnamigem Film es zwar nicht, dass ihre ersten sexuellen Aktivitäten derart effektvoll ausfallen. Mit Problemfilmen will sie allerdings nichts zu tun haben.

Der schüchterne Erzeuger heißt Paulie Bleeker (Michael Cera), trägt in blasser Unschuld denkbar knappe, stets frisch gewaschene, goldfarbene Sportshorts - und muss sich schon sehr wundern. Schließlich hat er wenig mehr getan, als für eine sehr kurze Minute in einem Sessel zu sitzen. Mitsprachrecht wird ihm denn auch im Fortgang nicht eingeräumt. Weil Juno sich nicht vorstellen kann, Mutter zu sein, aber auch der Warteraum der Abtreibungsberatung ihr diffuses Unwohlsein bereitet, kommt es zum selten gewählten Modell einer bereits während der Schwangerschaft vereinbarten Adoption.

Die werdenden Adoptiveltern sind auf den ersten Blick jungspießige Neo-Yuppies, entpuppen sich aber immerhin als ungleiches Paar. Vanessa Lorings (Jennifer Garner) übergroßer Kinderwunsch äußert sich in verspannt vorgetragenen Harmoniegesten und unvorteilhaft strengen Frisuren, während Mark Loring (Jason Bateman) am liebsten zehn Jahre jünger und noch mal unverheiratet wäre. Juno stört die offensichtliche Paarasymmetrie zunächst nicht weiter; hat ja auch seine Vorteile, wenn ihr Kind einen Vater bekommt, der über eine halbwegs vernünftige Plattensammlung verfügt und die eher Karriere orientierte Adoptivmutter ein erhebliches Familieneinkommen garantiert.

Ähnlich wie zuletzt in Judd Apatows Knocked Up läuft in Juno zumindest als Hintergrundrauschen ein Anti-Abtreibungsdiskurs, der nicht konservativ wirkt, weil jeder explizite moralisch-religiöse Begründungszusammenhang ausgeblendet bleibt. Juno verzichtet zudem darauf, im Verlauf der Erzählung ein Paar against all odds zu stabilisieren, das sich als eine zwar unkonventionelle, letztlich aber doch brav-reproduktive Kleinfamilienzelle vom Rest der unverheirateten Welt absondert. Stattdessen wird das Baby nach erfolgreicher Geburt an eine nun allein erziehende Mutter übergeben, während die biologischen Eltern ihre Jugend genießen, als sei nichts passiert.

Ob das nun entspannter Teenager-Post-Feminismus ist oder doch nur zum Ziel hat, Abtreibung als Option zu desavouieren, ist wohl Ansichtssache. Jedenfalls lässt Regisseur Reitman seine Hauptfigur nicht durch die faktisch biologische Erfahrung in eine psychologisch oder gesellschaftlich festgelegte Mutterrolle "hineinwachsen". Juno will einfach noch kein Kind aufziehen und die Sache mit Paulie ist zwar nett, aber vielleicht doch passé, wenn er nicht mehr in die niedlichen Shorts passt.

Juno ist der zweite Film von Jason Reitman, der sich im Unterschied zu seinem Vater Ivan Reitman (Ghostbusters, Kindergarten Cop) nicht im Zentrum der Industrie verortet. Bereits sein Debütfilm, die etwas überladene Rauchersatire Thank You For Smoking (2005), deutete eine entsprechende familieninterne Absetzbewegung an. Mit Juno sucht Reitman Junior nun offen den Anschluss an die bemerkenswert produktive und ausdifferenzierte US-Komödienlandschaft am Rande des Mainstreams, die inzwischen zuverlässig von massentauglicheren Filmen wie Little Miss Sunshine kommerziell abgeschöpft wird.

In dieser Sehnsucht nach avancierter Wahlverwandtschaft liegt vielleicht die seltsame Unentschiedenheit des Films begründet, der phasenweise so aussieht, als hätte Wes Anderson Superbad in die Hände bekommen und diesem eine heftige, etwas willkürlich verteilte Prise Instant-Melancholie verabreicht. Andere Vorbilder wie Terry Zwigoff (Ghost World, Bad Santa) sind kaum zu übersehen, werden sich aber gleichfalls eher epigonal angeeignet. In seinen guten Momenten erinnert Juno andererseits an die entspannte Atmosphäre aus Paul Feigs und Judd Apatows High-School-Miniserie Freaks And Geeks. Und immerhin: hier wird niemand in die Mutterrolle gezwängt, der sie nicht immer schon spielen wollte.

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