Traurig

ARDEin Fernsehfilm über Kriegsheimkehrer

Mit einem subjektiven Schuldgefühl beladen kehrt der Bundeswehrsoldat Ben Winter (Ken Duken) in die Kleinstadt Deidesheim zurück, nachdem er bis zu einem verhängnisvollen Anschlag in Kabul stationiert war. Einen Freund hat er sterben sehen, ohne eingreifen und helfen zu können. Die idyllische Kulisse erleichtert ihm die Wiedereingliederung nicht. Mit finsterer Miene und in Militär-Montur joggt er durch die winterliche Landschaft, um sich fit zu halten - für ein geplantes Comeback im Krisengebiet, am liebsten "Z4", als Zeitsoldat.

Seit Dezember 2001 ist die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) in Afghanistan stationiert. Von Beginn an waren deutsche Soldaten an dem Mandat beteiligt, der Bundestag hat sich zuletzt am 16. Oktober vergangenen Jahres für eine Fortsetzung des Einsatzes ausgesprochen.

Von einer Konjunktur des Heimkehrer-Dramas im Film zu sprechen wäre zwar übertrieben, eine gewisse motivische Präsenz ist aber nicht zu übersehen. In Christian Petzolds Jerichow bildet der Afghanistan-Einsatz nur einen schemenhaften Hintergrund für die Figur, die Benno Fürmann spielt. Explizit mit der schwierigen gesellschaftlichen Reintegration der oft noch jungen Rekruten beschäftigt sich Brigitte Berteles Debütfilm Nacht vor Augen, der 2008 im Forum der Berlinale zu sehen war.

Ben Winter ist die Hauptfigur in Willkommen zu Hause, einem SWR-Fernsehfilm (Regie: Andreas Senn), der am 2. Februar zur Primetime in der ARD ausgestrahlt wird. Dass es sich um den "ersten deutschen Fernsehfilm" handelt, der sich mit "dem zurzeit brennend aktuellen Thema der Folgen von Friedensmissionen der Bundeswehr für die rückkehrenden Soldaten auseinandersetzt", teilt stolz eine Homepage des Senders mit.

Die Premieren-Begeisterung ist nicht nur deshalb nicht angebracht, weil "Willkommen zu Hause" Berteles gleichfalls unausgegorenem Film bedenklich ähnelt und ganze Erzählblöcke und Motive (die Irritationen auf der Heimkehr-Party im Elternhaus, der Streit mit den alten Freunden, die nervige blonde Lebensgefährtin, das einsame Joggen etc.) schlicht zu übernehmen scheint. Schwerer wiegt, dass von einer "Auseinandersetzung" kaum die Rede sein kann und die "brennende" Aktualität eher an die jüngste Qualitätsdebatte um das Fernsehen denken lässt als an Zeitdiagnose.

Ben sitzt im ausgebauten Dachgeschoss seines Elternhauses und findet keine Form, von seinen Erlebnissen zu berichten. Ken Duken hat sich für diesen Zustand genau einen Blick ausgedacht (ein leicht glasiges Starren, vage in die fernste Ecke der Dachwohnung gerichtet), den er durch den ganzen Film trägt.

Unfreiwillig komisch wird das Ganze, wenn Ulrike Folkerts, die solche Nebenrollen eigentlich nicht mehr nötig haben sollte, als mütterlich-lüsterne Emanze im Nachbargarten auftaucht, affektiert raucht und eine erste Diagnose versucht: Sie sind aber traumatisiert.

Die eigentliche Therapie wird wie alles andere auch in Soap-Dialogen durchgeführt und bringt wenig ans Licht, was nicht vorher schon als Erinnerungs-Clip aufgetaucht wäre. Die unbeholfene Regie gipfelt in einer Montage aus Fernsehbildern, die etwa Gerhard Schröder und Joschka Fischer zeigen, wie sie auf einer Pressekonferenz die deutsche "Enduring Freedom"-Beteiligung zu begründen versuchen.

Dieser Sprung in das zeitgeschichtliche Dokument ist deshalb wohlfeil nachgeschoben, weil Willkommen zu Hause bis zu diesem Zeitpunkt nur privatistische Plattitüden ausgebreitet hat und genauso gut einen gewöhnlichen Autounfall als dramatischen Hintergrund für seine überschaubaren erzählerischen Anliegen hätte wählen können. Insofern ist Senns Fernsehspiel zu lesen als weiteres Symptom für die Abwesenheit einer öffentlichen Debatte über Form und Folgen des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr.

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