Schmerzhaft aber wahr

Kino Wie sieht man Steve McQueens neuen Film "12 Years a Slave" im Cinema Nouveau in einem Stadteil von Tshwane, Südafrika? Eine Filmkritik

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Schmerzhaft aber wahr

Foto: Screenshot aus dem Trailer/ Youtube

In der Tat: Ein hervorragender, bewegender Film. Ich werde hier nicht auf Inhalt und Hintergrund eingehen. Dazu ist reichlich geschrieben in "Film der Woche" auf dieser Website.

Wir waren an Wochenende in "12 Years a Slave", meine Frau Thandi und ich. Am Ende war ich völlig geklascht. Thandi nnoch mehr. Sie mußte bei einer Szene sogar rausgehen, weil sie es nicht mehr ertragen konnte. In Südafrika hat der Film, denke ich, noch eine ganz andere Wirkung als er in Deutschland und Europa haben wird. Ich dachte immer wieder, das ist auch ein Film über (Süd)Afrika. Das Merkwürdige war, dass im Kino fast nur afrikaanssprachige Weiße saßen. Ich habe, außer Thandi, noch zwei schwarze Pärchen gesehen. Nun sind die "Cinema Nouveau" keine Mainstreamkinos, sondern zeigen so genannte Art Films. Darunter fällt beispielsweise Woody Allen oder deutsch- und französischsprachige Streifen, wie "Das Weiße Band" oder Filme mit Louis Trintignan. Tarantinos "Django Unchained" lief allerdings in den Mainstreamkinos.

Zurück zu Steve McQueen. Die Ästhetik des Films ist überwältigend. Man fällt von einem Gemälde ins nächste. Die Kameraführung ist ruhig mit langen Einstellungen von farbenprächtiger Naturdramatik. Dann wieder Nahaufnahmen, fast Macro-Einstellungen. Farblich immer passend zum Thema. Und das Thema ist schwer. McQueen spart nicht mit realistischen Szenen, bis ins kleinste Detail. Das ist manchmal kaum zu ertragen, insbesondere weil es hier um unsägliche Gewalt gegen Menschen geht, physisch und psychisch. In Django Unchained haben die Gewaltszenen oftmals eher eine erlösende Funktion, weil die zuvor gezeigte Brutalität gegen die Sklaven rächend.

Nach dem Ende von 12 Years a Slave hatte ich das Bedürfnis sitzen zubleiben, durchzuatmen, wieder zu mir zu kommen. Die Mehrheit des (weißen) Publikums verließ jedoch wie fluchtartig den Kinosaal. Ich wüßte gern, was in diesem Moment in den Menschen vorging, welche Emotionen dieser Film bei ihnen erzeugt. Denn das Gezeigte hat ja unmittelbar auch mit ihrer Vergangenheit zu tun. Vom südafrikanischen Schrifsteller André Brink gibt es zwei Sklavenromane, die auf Tatsachen beruhen - "Houd-den-Bek" und "Philida". Ersterer handelt von einem südafrikanischen Sklavenaufstand Anfang der zwanziger Jahre des 19. Jh. Der Anführer, Galant, wurde gehenkt und geköpft, sein Schädel Monate lang auf einer Stange öffentlich zur Schau gestellt. Der zweite Roman ist die Geschichte einer Sklavin auf dem Weingut der Vorfahren des André Brink. In beiden Romanen beschreibt der Autor sehr ähnliche Szenen wie in McQueens Film dargestellt. Diese regelmäßigen Vergewaltigungen von Sklavinnen durch die Herren, die Auspeitschungen und das alltägliche sadistische Demütigen und Erniedrigen der Sklaven.

Thandi erlebte den Film als schmerzhaft (painful). Sie hat ja noch am eigenen Leibe erfahren, wie es ist, wenn man als minderwertiger Mensch behandelt wird. Sklaverei und Apartheid - da ist nur ein gradueller Unterschied.

Ausführlicheres über den Film "12 Years a Slave" von Steve McQueen auf freitag.de - Film der Woche

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