Der Programmentwurf der AfD: Islam

Religion Auf einem Kreuz (Kruzifix?) in Bayern: ""Flurbereinigung 1989, gesegnet sei die bereinigte Flur"

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Jörg Meuthen, Sprecher der AfD, hat derzeit eine undankbare Aufgabe. Als Wirtschaftswissenschaftler und Vertreter des „Lucke-Flügels“ nehme ich es ihm ab, dass er kein Rechtsextremist ist. Trotzdem sitzt er jetzt da und muss irgendwie die zweifelhaften Aussagen seiner Parteikollegen und das Programm der AfD verteidigen. Dabei kann man nicht gut aussehen, und er sieht dabei auch nicht gut, zumal er sich von den abstrusen Thesen nicht überzeugend distanziert.

Jörg Meuthen hat kurz vor dem Bundesparteitag der AfD, auf dem ein Grundsatzprogramm beraten und beschlossen werden soll, Spiegel Online ein Interview gegeben (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-chef-joerg-meuthen-anti-islam-partei-wieder-so-ein-schlagwort-a-1089575.html), in dem es größtenteils um die Aussagen seiner Parteikollegen und den Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" aus dem Programmentwurf ging. Nun ist er aber eben genauso wenig ein Religionswissenschaftler wie Frauke Petry, Björn Höcke, Alexander Gauland und Markus Pretzell. Ich übrigens auch nicht. Man darf aber ruhig auf Menschen hören, die von der Materie etwas verstehen. „Den Islam“ gibt es nicht, deswegen ist der Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" genauso großer Unsinn, wie der Satz "Der Islam gehört zu Deutschland".Es gibt auch das Christentum nicht, es gibt evangelische, katholische, orthodoxe, Überkonfessionelle und viele andere. Die mögen sich auch nicht alle, genau wie die Sunniten, Schiiten, Aleviten und andere Religionen, die aus dem Islam hervorgegangen sind. Jeder, der von "dem Islam" spricht, hat nicht vor, eine differenzierte Meinung zu vertreten oder eine ernsthafte Diskussion zu führen.

Man kann in ein Parteiprogramm schreiben, dass man für freie Religionsausübung ist, dann aber für alle Religionen, auf Basis des Grundgesetzes. Aber nicht, dass eine Religion nicht zu Deutschland gehört: "der Islam". Zumal das eben nicht "eine Religion" ist. Und was soll das überhaupt bedeuten: „Der Islam gehört/gehört nicht zu Deutschland?“ Dänemark gehört nicht zu Deutschland, Polen auch nicht, aber eine Religion gehöre nicht zu Deutschland? Das macht nicht mal ansatzweise Sinn. Gehören Buddhismus oder Hinduismus zu Deutschland? Was für eine sinnentleerte Frage.

Den „politischen Islam“ gibt es übrigens auch nicht. Es gibt aber das politische "Christentum": CDU, CSU und PBC und was sich da sonst noch an Christen in der Politik herum treibt. Der Islam sollte mal politisch werden: wo ist denn die IDU, ISU, PKM (Islamisch Demokratische Union, Islamisch Soziale Union, Partei korantreuer Muslime)? Gäbe es die, könnte man sich damit mal ernsthaft politisch auseinandersetzen und von „politischem Islam“ sprechen. Gibt es aber nicht, es gibt nur die Partei bibeltreuer Christen und die Parteien der nicht so bibeltreuen Christen. Jörg Meuthen begeht beide Fehler, wenn er vom „politischen Islam“ spricht und wirkt deswegen eben auch nicht gerade überzeugend in seinem Versuch, die AfD als „rechtsliberale“ oder „rechtskonservative“ Partei darzustellen, wenn er sagt: „Ich nenne meine Partei rechtskonservativ oder rechtsliberal.“ Als ob die beiden Positionen austauschbar wären. Am Programmentwurf der AfD ist nichts liberal, der ist durchgehend konservativ bis reaktionär. (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/der-afd-programmentwurf-im-volltext-14139453.html)

Politischer Islam? Ich muss lachen. Im englischen Oberhaus des Parlaments, dem „House of Lords“, sitzen noch immer 26 hohe Kirchenvertreter, die Einfluss auf die Gesetzgebung haben, zwar nur durch aufschiebendes Veto, aber so säkular, wie wir es gerne hätten, sind wir nicht. Wie gesagt, auch nicht in Deutschland. Solange es Parteien gibt, die ihr religiöses Bekenntnis im Namen tragen, dürfen wir uns nicht über den "politischen Islam" beschweren.

Als ich das letzte Mal in Bayern zum Wandern war, lief ich an einem Kreuz vorbei, das ist nicht weiter ungewöhnlich in Bayern. Das Kreuz stand irgendwo in der Gegend herum und folgendes stand drauf: "Flurbereinigung 1989, gesegnet sei die bereinigte Flur". Auf das Jahr will ich mich nicht festlegen. Wäre mir das allerdings in NRW passiert, hätte ich es für Satire gehalten. Aber offensichtlich haben in Teilen Deutschlands sogar Landschaftspflege und Umweltschutz einen religiösen Aspekt. Abweichende Sexualität, Gleichstellung für alle Menschen, Menschenrechte an sich werden in Deutschland noch immer vom Christentum, von unseren „christlichen Werten“ eingeschränkt, Menschen diskriminiert. Aber die AfD hält den „politischen Islam“ für unser größtes Problem während Begriffe wie "Gesellschaft", "sozial", "Demokratie", "Bildung", "Sicherheit", "Freiheit", "Zukunft", "Entwicklung" und "Frauen" im Programmentwurf im Prinzip nicht vorhanden sind (https://www.freitag.de/autoren/skerkof/der-programmentwurf-der-afd-wortwahl). Das Wort „Gerechtigkeit“ taucht genau einmal auf: An der Stelle, wo der Amtseid der Kabinettsmitglieder zitiert wird. Das ist kein Programmentwurf, das ist ein reaktionäres Manifest.

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