Nachdem die AfD einen Entwurf für ihr Grundsatzprogramm veröffentlicht hat, welches auf dem Bundesparteitag am 30.04. und 01.05. beraten und beschlossen werden soll, habe ich mich gefragt, wie man den Programmentwurf inhaltlich erfassen und bewerten kann, aber auch mit den Grundsatzprogrammen anderer Parteien vergleichen kann, ohne stunden- oder tagelange Textexegese zu betreiben.
Da ich beruflich im weiteren Sinne mit Statistik zu tun habe, war meine Idee, auf die Wortwahl, oder genauer, auf die Häufigkeit von Wörtern zu schauen. Ich hatte das schon bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gemacht, und die Ergebnisse waren durchaus interessant, aber lange nicht so eindeutig, wie bei dem Programmentwurf des Bundesvorstands der AfD.
Die Herangehensweise ist, den Schriftsatz, meistens eine Pdf Datei, in reinen Text umzuwandeln wird und dann maschinell per Computerscript in einzlne Wörter zu zerlegen. Diese Wörter kann man dann statistisch auswerten. Ganz perfekt funktioniert das noch nicht, da es sehr aufwändig ist, Konjugationen und Deklinationen zu berücksichtigen, aber die Auswertung vermittelt einen Eindruck davon, worum es in dem Schriftsatz geht.
Die folgende Auswertung listet die zehn häufigsten Wörter mit mehr als sechs Buchstaben der Programme von CDU, SPD und Grünen, sowie des Pgogrammentwurfes der AfD auf. Das sind alles nur absolute Zahlen, also eine eher oberflächliche Analyse, man könnte da noch sehr viel weiter gehen.
Erst die AfD:
Deutschland 90 deutschen 46 deutsche 45 stärken 37 Staaten 35 unserer 30 erhalten 30 Menschen 29 fordert 28 Deutschlands 23
CDU:
Menschen 145 Deutschland 106 Freiheit 98 unserer 79 Soziale 74 Gesellschaft 72 Verantwortung 70 Sicherheit 63 Europäischen 50 europäische 48
SPD:
Menschen 123 Gesellschaft 63 soziale 61 Demokratie 48 Deutschland 44 Sicherheit 44 Bildung 44 Politik 40 europäische 38 Freiheit 36
Grüne:
Zukunft 250 Aufbruch 170 Menschen 165 Politik 139 Gesellschaft 136 soziale 121 Demokratie 107 ökologische 104 Deshalb 82 zwischen 80
Nicht berücksichtigt sind in diesen Listen die jeweiligen Parteinamen, was aber auch bedeutet, dass die AfD das Wort "Deutschland" bei Berücksichtigung des Parteinamens nicht 90 Mal sondern 176 Mal genannt hätte.
Was aber deutlich wird, ist, dass bei allen drei Parteien die Begriffe "Gesellschaft", "sozial", "Demokratie", "Bildung", "Sicherheit", "Freiheit", "Zukunft", "Entwicklung" und "Frauen" (zumindest bei SPD und Grünen) unter den zehn häufigsten Wörten mit mehr als sechs Buchstaben zu finden sind. Bei der Afd findet sich keiner dieser Begriffe unter den zehn häufigsten, obwohl die AfD immer Freiheit und Demokratie betont.
Unter den weniger häufig verwendeten Worten gibt es allerdings bei der Afd ganz bestimmte, die verglichen mit den anderen Parteien überproportional verwendet werden und auch solche, die im Gegensatz zu den anderen Parteien kaum oder garnicht vorkommen. Ein Beispiel für ein überproportional verwendetes Wort sind "wieder" und "wiederherstellen". Da erkennt man den Bezug auf die Vergangenheit: "...Fähigkeiten der deutschen Streitkräfte wieder herzustellen...".
Beispiele für Wörter, die im Programmentwurf der AfD nicht oder nur sehr selten Auftauchen, sind "Veränderung" (1 Mal) und "Wandel" (1 Mal), während sie bei den anderen Parteien jeweils ca. 20 bis 30 Mal vorkommen.
Es gibt noch einige weitere Beispiele dafür, dass die AfD in ihrem Programmentwurf gänzlich andere Schwerpunkte setzt und Begriffe, die alle Parteien verwenden, in andere Zusammenhänge setzt (Waffen wären da ein Beispiel). Aber ich finde, es ist schon sehr aufschlußreich, was man anhand der "Wortwahl" oder der begrifflichen Schwerpunkte in Parteiprogrammen für Rückschlüsse ziehen kann. Im Fall der AfD sind die sogar relativ eindeutig.
Kommentare 25
pffff
Der Himmel behüte uns vor solch "einfachem und schnellen" "Begreifen".
Ich habe immer gedacht, mit Sätzen drücke man Gedanken aus. Aber gehen wir mal davon aus, diese Methode, nämlich die am häufigsten vorkommenden Wörter zu zählen, hätte irgend einen Erkenntnisgewinn, so muss man schließlich erklären, welchen. Das heißt: Um eine Interpretation kommst du nicht herum. Welche Erkenntnisse ziehst du daraus, dass eine Partei ein bestimmtes Wort bzw. einen bestimmten Begriff häufiger verwendet als eine konkurrierende?
Ich denke, das kann und soll jeder für sich selber interpretieren, das muss ich nicht machen. Ich möchte auch niemanden davon abhalten, die Programme zu lesen, im Gegenteil, lest die Programme. Nur wenn bei einer Partei das häufigste Wort "deutsch" ist und bei allen anderen "Menschen" oder "Zukunft", dann ist das zumindest bemerkenswert.
Mit seiner Methode wird er wohl auch im Ludenmilieu und auf Rotlichtmeilen am meisten Liebe unter den Menschen, und sogar noch mehrsprachig finden.^^
Na, das hoffe ich doch!
Daß Sie so gestrickt sind, nehme ich Ihnen auf der Stelle ab.
Ja, sie haben mich direkt durchschaut! Hut ab!
Das ist keine große Kunst. Wildsäue stinken nämlich schon von Weitem.
Tja, wenn sie keine Argumente haben, müssen man es eben auf der persönlichen Ebene machen. Das sagt mehr über sie aus, als über mich.
Interessanter Ansatz.
Wie sieht es bei den Parteiprogrammen mit der Verständlichkeit aus?, schließlich wollen die viele menschen errichen.
Hier eine Testseite
Probieren sie es, das ist ist Präambel des Programmentwurfs (das ganze Programm ist zu lang):Wir sind Liberale und Konservative. Wir sind freie Bürger unseres Landes. Wir sind überzeugte Demokraten.
Zusammengefunden haben wir uns als Bürger mit unterschiedlicher Geschichte und Erfahrung, mit unterschiedlicher Ausbildung, mit unterschiedlichem politischem Werdegang. Das
geschah in dem Bewusstsein, dass es an der Zeit war, ungeachtet aller Unterschiede, gemeinsam zu handeln und verantwortungsbewusst zu tun, wozu wir uns verpflichtet fühlen. Wir
kamen zusammen in der festen Überzeugung, dass die Bürger ein Recht auf eine echte politische Alternative haben, eine Alternative zu dem, was die politische Klasse uns als „alternativlos“ glaubt zumuten zu können.
Dem Bruch von Recht und Gesetz, der Zerstörung des Rechtsstaats und verantwortungslosem
politischem Handeln gegen die Prinzipien wirtschaftlicher Vernunft konnten und wollten wir
nicht länger tatenlos zusehen – ebenso nicht der Erzeugung längst überwundener Vorurteile
und Feindseligkeiten zwischen den europäischen Völkern durch das Regime der Euro-Rettung.
daher haben wir uns dafür entschieden, Deutschland und seinen Bürgern in allen Bereichen
eine echte politische Alternative zu bieten.
Als freie Bürger treten wir ein für direkte Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit, soziale Marktwirtschaft, Subsidiarität, Föderalismus, Familie und die gelebte Tradition
der deutschen Kultur. Denn Demokratie und Freiheit stehen auf dem Fundament gemeinsamer
kultureller Werte und historischer Erinnerungen. In der Tradition der beiden Revolutionen
von 1848 und 1989 artikulieren wir mit unserem bürgerlichen Protest den Willen, die nationale Einheit in Freiheit zu vollenden und ein Europa souveräner demokratischer Staaten zu
schaffen, die einander in Frieden, Selbstbestimmung und guter Nachbarschaft verbunden sind.
Wir setzen uns mit ganzer Kraft dafür ein, unser Land im Geist von Freiheit und Demokratie
grundlegend zu erneuern und eben diesen Prinzipien wieder Geltung zu verschaffen. Wir sind
offen gegenüber der Welt, wollen aber Deutsche sein und bleiben. Unsere Ziele werden Wirklichkeit, indem wir den Staat und seine Organe wieder in den Dienst der Bürger stellen, so wie
es der im Grundgesetz geregelte Amtseid aller Regierungsmitglieder vorsieht:
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen
Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit
gegen jedermann üben werde.“
Ich hatte den Hinweis eher für dich gepostet.
Mich selbst interessiert die AfD überhaupt nicht, nicht einmal die Zeit zum Lesen deren Programme werde ich investieren.
Die Forderung nach einem Schießbefehl an deutschen Grenzen hatten wir schon mal, dafür brauchen wir die AfD nicht.
Ganz perfekt funktioniert das noch nicht, da es sehr aufwändig ist, Konjugationen und Deklinationen zu berücksichtigen
Das Problem sollte sich mit Natural Language Processing (NLP) Tools einfach lösen lassen. Leider sind die meisten nur für Englisch, aber es gibt mit Parzu auch einen ganz brauchbares für Deutsch. Neben dem Parse-Tree im CONLL-Format (dessen Dokumentation und die mögliche Part-of Speech (POS) Tags sidn unten auf der github-Seite von Parzu verlinkt) erhält man auch eine lemmatisierte Version (d.h. Infinitiv, bzw. Nominativ) jedes Worts.
Ich habe immer gedacht, mit Sätzen drücke man Gedanken aus.
Natürlich ist dieser Ansatz des Messens formaler Eigenschaften eines Textes beschränkt. Es geht bei diesem Ansatz aber auch nicht darum, die im Text ausgedrückten Gedanken zu erfassen, sondern gewisse Tendenzen zu erkennnen, ohne die Texte lesen zu müssen (was z.B. ab einer bestimmten Datenmengemenge nicht mehr geht).
Aufgrund der interessanten Anwendungsmöglichkeiten (sowohl aus kommerzieller, als auch aus obrigkeitsstaatlicher Sicht) solcher Verfahren gibt es einige wissenschaftliche Konferenzen zu diesem Thema und es fließt auch Etliches an Drittmitteln in die Entwicklung der Methoden.
Beispiele für denkbare Anwendungen: finden kritischer Produkt-Reviews, Identifikation von Dissidenten, Clustering von Facebook-Benutzern in politische Zielgruppen, Vorsortieren von zu löschenden Kandidaten in dFC.
Das ist bereits in der Praxis angekommen. Z.B. hat das Wahlkampftem von Ted Cruz in den US-Vorwahlen ein politisches Clustering der Facebook-Nutzer durchgeführt, um diese Gruppen gezielt umwerben zu können. Das Clinton-Team wiederum beschäftigt Leute, die Antworten in sozialen Netzwerken zu Clinton-kritischen Kommentaren posten; diese Arbeit kann man stark vereinfachen (d.h. billiger machen), wenn Kommentar-Kandidaten mit Clinton-kritischem bzw. Sander-freundlichem Ton automatisch gefunden werden. Da es sich nur um eine Werbestrategie handelt, deren Erfolg ohnehin statistischen Schwankungen unterliegt, ist es auch nicht wichtig, wenn dabei mal eine Kritik an Clinton nicht erkannt wird. Ob das Clinton-Tem das so macht, oder ob ihre Leute die Kritik per Hand raussuchen, weiß ich nicht. Aber man kann davon ausgehen, dass Techniken des "Opinion Mining" in Zukunft eine zunehmende Rolle spielt.
Danke für den Link, das ist interessant!
wie wärs mal -zu gegebener zeit - mit einem zwischen-bericht in beitrags-form? möcht ich ermuntern.
Die Tagesschau meldet gerade:
#AfD jetzt fast links. Beschließt Abzug von Atomwaffen und ausländischer Truppen aus Deutschland. Mehr zum Parteitag bei @tagesschau.
Sicher ein interessantes Thema, dass allerdings einigen Rechercheaufwand erfordert (z.B. eine Kategorisierung und Zählung der Anwendungsbereiche der Konferenzbeiträge der letzten zwei Jahre auf den führenden Konferenzen zu dem Thema). Und die realen Anwendungen zur politischen Einflussnahme werden ja nur sporadisch bekannt.
Wäre aber eher was für die ct oder ix als für nur vier Leser bei dFC. Aber auch da fürchte ich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich dazu aufraffe, kleiner epsilon ist :-( Und dann wäre von meiner TODO-Liste erst noch ein Überblicksartikel über das Patentsystem, dessen Ausweitung, besondere Schärfe im deutschen Recht ("prior art" gilt in D nicht als Verteidigung) und negativen ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen dringender. Na ja, wären eigentlich Themen, mit denen sich Journalisten beschäftigen sollten...
Aber man kann davon ausgehen, dass Techniken des "Opinion Mining" in Zukunft eine zunehmende Rolle spielt.
Das will ich nicht bestreiten. Jedoch wissen wir nicht, welche Auswirkungen diese Methoden für die inhaltliche Kommunikation haben wird. In der Bildungspolitik hat man auf das Kompetenzmodell umgestellt. Das Können soll messbar und vergleichbar gemacht werden (siehe Pisa). Doch von Bildung im Sinne von Persönlichkeitsbildung kann heute kaum noch die Rede sein.
AfD will Hartz IV abschaffen und Wehrpflicht einführen
Ja: Wehrpflicht, Fracking, Atomkraft
Nein: Hartz4, Euro, Islam, Tempolimit auf Autobahnen
Ich bin völlig immun gegen die AfD:-)
Hab die Abschaffung der NATO nur erwähnt, weil es mir gefällt.
Hab aber noch nie bemerkt, dass meine Meinung jemand interessiert ;)
Das Können soll messbar und vergleichbar gemacht werden (siehe Pisa). Doch von Bildung im Sinne von Persönlichkeitsbildung kann heute kaum noch die Rede sein.
Das war aber anders herum: erst war man sich in der OECD einig, dass das Bildungsziel der Persönlichkeitsbildung durch das Ziel der "Employability" (wirtschaftliche Verwertbarkeit) zu ersetzen ist, und dann wurden eben im Rahmen der Bolgna-Reform die dazu passenden Instrumente eingeführt.
Aber ich stimme Ihnen zu, dass das auch Auswirkungen auf die Kommunikation haben wird, wenn das automatische "Opinion Mining" zu ggf. unangenehmer Rückmeldung führt. So wie man ja auch hier in dFC bestimmte Begriffe meidet oder sich Kritik an der Politik der Kanzlerin verkneift, die deren Fangirls verstimmen könnten.
;-)
es gibt einige, die sich mit dem Thema Data Mining höchst professionell auseinandersetzen. Einen führenden durfte ich mal kennen lernen, sitzt auch in Reichweite von TNS, nämlich auch in Bielefeld: http://www.schwerdtundfeger.de/startseite/
Jörg Schwertfeger kann Ihnen hier die State of the Art Forschung vorstellen, Sie werden erstaunt sein, was da wie zielgenau alles schon geht;-)
Immerhin haben DIE von der AfD festgestellt, daß der Islam nicht zu D gehört. Jetzt müssen wir nur noch zuschauen, wie die Seehofers und siene diversen kollegen von der CDU die AfD rechts überholen.
Nach Artikel 4 Satz 1 und 2 GG gehört keine Religion zu D, sondern jede(r) kann seine Religion frei wählen.
In Artikel 7 Satz 3 GG wird das relativiert, indem Religion an öffentlichen Schulen unterrichtet wird.
Damit sind die Kinderlein schon mal im Sack.