Die Visumfreiheit war überfällig

Türkei Aus keinem anderen Land sind mehr Menschen nach Deutschland gekommen. Die Visumfreiheit ist daher richtig und wichtig. Und sie war überfällig.

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Nachdem die EU-Kommission die Visumfreiheit für türkische Staatsbürger beschlossen hat, schießen Politiker von CDU und CSU mal wieder quer und weisen auf angebliche Gefahren hin. Wolfgang Bosbach (CDU) spricht in diesem Zusammenhang von „illegaler Einwanderung“. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann lehne die Visumfreiheit grundsätzlich ab, unter Hinweis auf „importierte Konflikte“ zwischen Türken und Kurden.

Die Vorbehalte gegen die Visumfreiheit sind schon alleine deshalb fragwürdig, weil Staatsbürger von Länder wie Kolumbien, Malaysia und Mexiko kein Visum benötigen, um nach Deutschland einzureisen. Das ist insofern bemerkenswert, als dass es in all diesen Ländern erhebliche Konflikte und Spannungen gibt. Zudem ist Malaysia, im Gegensatz zur Türkei, gerade kein säkularer Staat, ca. 60% der Bevölkerung sind Sunniten, der Islam ist Staatsreligion. Warum nun Staatsbürger aus Malaysia ohne Visum nach Deutschland einreisen dürfen, türkische Staatsbürger allerdings nicht, erschließt sich mir auch auf den zweiten Blick nicht.

Erst recht, wenn ich bedenke, dass Deutschland mit der Türkei durch die jüngere Geschichte, besonders seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als vermehrt Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland kamen und der Familiennachzug einsetzte, eng verbunden ist. 1963 wurde zudem das „Assoziierungsabkommen EWG – Türkei“ unterzeichnet. Die Türkei ist bereits seit 1952 Mitglied der NATO. Seit Jahrzehnten ist die Türkei ein wichtiger Partner für die „westliche Welt“, für Europa und ganz besonders für Deutschland. Kolumbien, Malaysia und Mexiko sind das nicht in dem Maße.

Steht jetzt also zu befürchten, „dass die illegale Einwanderung tatsächlich deutlich ansteigen“ wird, wie Wolfgang Bosbach es formuliert? Es wird gemutmaßt, dass es bis zu 400.000 kurdische Binnenflüchtlinge in der Türkei gibt. Dass diese nun in großen Zahlen die Reise nach Deutschland antreten, um hier Asyl zu beantragen, ist wohl eher nicht zu befürchten. Zumal auf nur etwa zehn Prozent der türkischen Staatsbürger überhaupt einen Reisepass besitzen. Abgesehen davon wäre es natürlich auch keine illegale Einwanderung, wenn ein Kurde in Deutschland Asyl beantragt, sondern nichts weiter als sein Recht, das ihm von Deutschland garantiert wird. Überhaupt, wie soll die Einreise illegal sein, wenn sie gerade legalisiert wurde? Das einzige, was „illegal“ sein könnte wäre doch die nicht erfolgte Ausreise nach 90 Tagen, und da bin ich ganz bei Wolfgang Bosbach, es wird darauf geachtet werden, dass die Aufenthaltserlaubnis von 90 Tagen pro Halbjahr nicht überschritten wird.

Abgesehen davon ist es ja nicht so, dass nur die EU die Visumpflicht für türkische Staatsbürger aufhebt. Die Türkei hat sich im Gegenzug dazu verpflichtet, ihrerseits die Visumpflicht für elf EU-Mitgliedsstaaten aufzuheben, darunter auch Zypern, das seit Jahrzenten ein Konfliktpunkt zwischen Griechenland und der Türkei ist. Solche Konflikte hatte Deutschland niemals mit der Türkei und selbst der Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland scheint sich aufzulösen.

Am Ende bleibt also eher die Frage, warum türkische Staatsbürger in den letzten Jahren (Jahrzehnten) überhaupt ein Visum brauchten, um in die EU zu reisen. Die Visumfreiheit für türkische Staatsbürger ist wichtig und richtig, und sie ist angesichts der langen Beziehungen zwischen der Türkei und Europa, im besonderen Deutschland, seit langem überfällig. Allenfalls der Zeitpunkt ist vor dem Hintergrund und dem Rahmen des „Flüchtlingsdeals“ ungünstig. In der Sache ist die Visumfreiheit aber ein logischer und konsequenter Schritt in die richtige Richtung.

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