Mensch, Maya

Film-Satire Fröhlich feiert „La última película“ das Ende von so ziemlich allem
Ausgabe 48/2014
„La última película“ orientiert sich an den Illusionszerlegungen des New Hollywood
„La última película“ orientiert sich an den Illusionszerlegungen des New Hollywood

Foto: Filmgalerie 451

Wir leben noch. Und Filme entstehen nach wie vor. Dabei wollte ein amerikanischer Regisseur das, was Spinner als Apokalypse der Maya im Jahre 2012 prophezeit hatten, mit dem Ende des Filmemachens ineinanderfließen lassen. Die Geschichte dieser fiktiven Unternehmung können Mark Peranson und Raya Martin in La última película („Der letzte Film“) nur ironisch erzählen, als Pose, als sympathische Karikatur der Absicht, Schluss zu machen mit so ziemlich allem: dem industrialisierten „Business“, dem Zelluloid, der ganzen Welt.

Die Bezugspunkte sind dabei weniger die Mythen der tatsächlich untergegangenen Maya-Kultur, zu deren Überresten der Protagonist als Fremder reist – der Regisseur im Film ist ein prätentiöser Schwätzer, der die vermüllten Hinterhöfe von Yucatán als Orte verschütteter Erfahrung mystifiziert, worüber sein mexikanischer Guide nur den Kopf schütteln kann. Vielmehr orientieren sich Peranson und Martin an den Illusionszerlegungen des New Hollywood, die kaum einer so radikal betrieb wie Dennis Hopper 1971 in The Last Movie mit dem berühmten Insert „scene missing“: die Narrationsverweigerung als ultimative Störung der Konsumfreundlichkeit.

Hoppers Nachfolger und Weiterdenker vergessen allerdings, garantiert mit Absicht, dass der Dekonstruktion ein Aufbau vorangehen müsste. Denn wo das Plotrudiment von einer dramaturgischen Miniatur zur nächsten hüpft, da macht sich eine angeblich fehlende Szene kaum störend bemerkbar. Scheindokumentation der Dreharbeiten, die Handlung des Films im Film und kunsttheoretische Abschweifungen folgen ohne klare Reihenfolge aufeinander. Eine Journalistin aus Mexiko wird in einer Kneipe als Darstellerin gecastet, sie selbst dreht gerade einen Fernsehbeitrag über einen Gourmetchef, in dem der „echte“ dänische Sternekoch René Redzepi auftritt. Ist das zärtliche Spiel von Reporterin und Filmregisseur in einem wunderschön klaren kleinen See nun doppelt inszenierte Handlung oder innerfilmische Wirklichkeit?

Weniger gefühlvoll geht der Amerikaner mit seinen esoterisch inspirierten Landsleuten um, die in der berühmten Ruinenstätte Chichén Itzá ein hippieskes Happening veranstalten. Für sie hat der Authentizitätsbesoffene nur Verachtung übrig, ohne zu bemerken, wie sehr er ihnen in Wirklichkeit ähnelt. Zur Bestrafung weht es dem Regisseur prompt den schwarzen Cowboyhut vom Kopf. Nicht nur hier grüßt wieder Dennis Hopper, der sich in American Dreamer, einem auf 16 Millimeter gedrehten Dokumentarfilm um den Schneideprozess von The Last Movie, mit einer vergleichbaren Abgehobenheit präsentierte.

So bleibt La última película ein sympathischer Insidergag, eine Verhohnepipelung des heiligen Ernsts, mit dem Industrieclowns ihre Rolle in der Arena abstreifen zu können glauben. Wie um den Ressentiments ihrer Hauptfigur eine auktoriale Ohrfeige mitzugeben, haben Peranson und Martin mit neun unterschiedlichen Kameratypen gedreht: Grobkörnige Bilder und gedämpfte Sprache aus dem Richtmikrofon gehen immer wieder über in die glasklare Digitalästhetik, gegen die der Regisseur im Film so heftig polemisiert.

Hier scheint die außerfilmische Wirklichkeit keine Rolle mehr zu spielen. Der kritische Blick wird mit viel Ironie und ein wenig Melancholie in den Ruhestand verabschiedet. Der letzte Film ist dann vielleicht doch der, bei dem wir gerade noch bemerken, dass seine Bilder noch nicht vollständig mit der Welt jenseits der Kamera verschmolzen scheinen.

La última película Raya Martin, Mark Peranson Kanada u. a. 2013, 88 Min.

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