Gestern waren es genau sechs Monate, seit eine von Saudi-Arabien geführte Koalition arabischer Staaten mit der Bombardierung von Zielen im Jemen begann. Nachdem der Krieg in den Medien zunächst fast völlig ausgeblendet wurde, ändert sich dies nun langsam: Die offensichtlichen Kriegsverbrechen, insbesondere die quasi systematische Zerstörung der zivilen Infrastruktur, werden ebenso zum Thema wie die wachsende Not der Zivilbevölkerung - und nicht zuletzt die weitreichende technische und logistische Unterstützung der Angreifer durch westliche Staaten, insbesondere die USA. Mitte Juli begann mit der Eroberung von Aden auch der Bodenkrieg, geriet aber nach ersten Erfolgen bald bei Taiz und Marib ins Stocken.
Wie aufgrund der schwierigen Geographie und Bügerkriegs- erfahrung der Milizen im Nordwesten des Landes nicht anders zu erwarten war, scheint ein Sieg der Koalitionäre trotz technischer Überlegenheit in weiter Ferne. Über ihre Verluste gibt es keine verlässlichen Angaben, doch sind sie mit Sicherheit höher als erwartet, und der angekündigte Angriff auf Sana’a von mehreren Seiten lässt weiterhin auf sich warten.
Für die Saudis, die auf einen raschen Erfolg gehofft hatten, gleich in mehrfacher Hinsicht ein Problem: Die Kosten des Krieges belasten den ölpreisbedingt ohnehin tiefroten Staatshaushalt, und die Gefahr eines Übergreifens der Kämpfe auf das eigene Staatsgebiet wächst mit jedem Tag. Auch bedeutet die längere Dauer einen enormen Gesichtsverlust für das Königreich und dürfte dazu beitragen, den eigenen Verbündeten die Lust am Feldzug zu verderben. Selbst in der königlichen Familie wachsen die Zweifel am politischen Kurs des Königs oder vielmehr seines Sohnes, Verteidigungsminister Mohammed bin Salman. Es mag sein, dass dieser geradezu jugendliche “Shooting Star” des Hauses Saud tatsächlich an die eigene Propaganda vom schnellen Sieg geglaubt hat - seine Unter- stützer in Washington jedoch müssen es besser gewusst haben.
Nun sag, wie hast du's mit der Strategie?
Damit stellt sich weiterhin die Frage, welche Ziele Riad und Washington in diesem Krieg tatsächlich verfolgen, wenn das öffentlich propagierte “Hadi zurück an die Macht, Houthis in die Berge!” doch offensichtlich immer schon unrealistisch war. Manche Beobachter vermuten eine geplante Teilung des Landes: Wenn der Süden und Osten von den Golf-Alliierten kontrolliert würde, ergäbe sich die Möglichkeit, eine Ölpipeline von Saudi-Arabien (sowie den Emiraten) bis zum Hafen von Mukallah an der jemenitischen Küste zu bauen. Zur Sicherung dieser Region scheinen die “Terrorgruppen” AQAP und IS der Koalition de fakto als Hilfs-Bodentruppen zu dienen.
Eine Pipeline durch ein Bürgerkriegsland zu bauen ist teuer und nicht ohne Risiken, doch wäre sie in genau einem Fall von unschätzbarem Wert: falls aufgrund eines Krieges gegen den Iran die Straße von Hormuz gesperrt sein sollte. Könnte es also sein, dass die derzeit zu beobachtende Aufteilung des Jemen der Vorbereitung auf einen Irankrieg dienen soll(te)? Durchaus denkbar - insbesondere aber ist es gut möglich, dass dies seitens der US-Regierung mit den Saudis so abgesprochen war, zumal deren Sorge vor einer “Umzingelung” durch Teheran und seine Parteigänger sicherlich echt ist.
Kleiner Verrat unter Freunden?
Die Unterzeichnung des “Atom”abkommens der “P5+1”-Staaten mit dem Iran am 14. Juli änderte die Lage jedoch grundlegend. Unter der Annahme, dass Washington hier nicht mit gezinkten Karten spielt und tatsächlich hinter der Vereinbarung steht, wäre der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen dann eine äußerst unangenehme Überraschung für die saudischen Herrscher gewesen, die sie nicht zu Unrecht als “Verrat” ihrer US-Verbündeten wahrnehmen würden. Mindestens genauso böse überrascht fühlen dürften sich allerdings die Vertreter insbesondere der US-Republikaner, die stets für eine (fast) bedingungslose Kooperation mit Riad getrommelt hatten - ihre unglaublich emotionale Ablehnung des Iran-Abkommens würde das ein Stück weit verständlicher machen.
Rückblickend könnte damit die regierungsoffizielle US-Unterstützung für den Krieg der Golf-Koalition eine völlig andere Deutung erfahren: Handelte es sich am Ende um eine Falle für die (dann ehemals) mit ihnen alliierten Saudis, um diese während der wichtigsten Verhandlungsrunden mit dem Iran zu beschäftigen und gewissermaßen zu “neutralisieren”?
Diplomatische Störmanöver der mittelöstlichen Verbündeten hätten womöglich die Einigung verhindern können, doch aufgrund des Krieges waren Riad die Hände gebunden: Die Kriegsverbrechen der Luftangriffe machten das Königreich medial und diplomatisch “verwundbar”, es hätte sich also schnell am Pranger der globalen Öffentlichkeit wiederfinden können. Für die These eines doppelten Spiels der US-Regierung spricht auch der erstaunlich schnelle Vormarsch der Houthi-Rebellen: Dieser war nur möglich, weil die Armee sich ihnen nicht in den Weg stellte - welche größtenteils weiterhin dem ex-Präsident und langjährigen US-Alliierten Saleh ergeben ist.
Abstieg oder Untergang des Hauses Saud?
Saudi-Arabien hat aufgrund dieses Kurswechsels ab sofort als (Zweck-)Verbündeter Washingtons ausgedient und wird gerade rasend schnell vom ‘asset’ zur ‘liability’, also vom strategischen Aktivposten zur peinlichen Belastung, mit der keinE PolitikerIn mehr assoziiert werden will. Medial werden das Königreich und der Wahhabismus zunehmend harsch kritisiert, seit Thomas Friedman sie in der New York Times faktisch zum Abschuss freigegeben hat. Es fehlt eigentlich nur noch ein emotional wirkungsvolles Schlüsselereignis, das zum Katalysator dieser Umschwungs werden und den Ruf der Saudis endgültig ruinieren könnte - gewissermaßen als saudischer “Aylan-Kurdi-Moment”.
Wenn die Behauptung stimmt, dass Russland via Hisbollah die Houthis im Jemen unterstützen wird, erübrigt sich die Frage nach den Erfolgsaussichten der “Koalition”, und ihre Tage dürften gezählt sein. Ohnehin scheint es mit ihrer Einigkeit nicht weit her zu sein, wie die verdächtig vielen Fälle von “friendly fire” und die angebliche Hinrichtung von flüchtenden Koalitions-Soldaten durch Al-Qaida nahelegen. Könnte es sein, dass Saudi-Arabien seine “Alliierten” mit einigem Nachdruck zum Weiterkämpfen überreden muss, während die Emirate und Katar den strategischen Schwenk der US-Regierung mitvollzogen haben und eigentlich den Krieg beenden würden? Sollten sie inzwischen als Vertreter der neuen Washingtoner Linie in der Golf-"Koalition” agieren, würde das auch das kurzfristige Fortbleiben von Saudi-König Salman und weiteren Staatsober- häuptern beim US-GCC-Gipfel in Camp David im Mai im neuen Licht erscheinen lassen.
Angesichts dieser Brüche wäre ein baldiger plötzlicher Seitenwechsel oder separater Waffenstillstand seiner “Verbündeten” im Jemen-Krieg für Riad zwar mehr als unangenehm, aber keine wirkliche Überraschung mehr. Den Saudis gehen die Optionen aus; sie müssen sich zwischen einer schlechten (Waffenstillstand) und einer noch schlechteren (zermürbender langer Krieg) Möglichkeit entscheiden und sich mittelfristig auf ein deutliches Zurückstutzen ihrer Rolle im Mittleren Osten einstellen. Die Folgen dieser Schmach für das Königreich werden gravierend sein. Ohne weitreichende innenpolitische Reformen könnten sie das Land zerreißen, und es ist unsicher, ob das Haus Saud dieser Aufgabe gewachsen ist.
Die Einschätzung der tatsächlichen strategischen Ziele, die von den beteiligten Akteuren im Jemen-Krieg verfolgt werden, ist äußerst schwierig, Vieles bleibt spekulativ. Dieser Versuch einer Erklärung berücksichtigt nicht nur die Vorgänge im Land selbst, sondern auch die größeren (geo-)politischen Umwälzungen, die derzeit zu beobachten sind, was sonst oft vernachlässigt wird.
Dieser Artikel ist Teil einer Serie über die strategische Neuausrichtung der USA und deren politische und ökonomische Auswirkungen. Bisher erschienen:
Die neue Geopolitik - Die Folgen des #Irandeals - Eine Übersicht der geostrategischen Bedeutung des "Atom"-Abkommens der P5+1 mit Teheran
2015 als Wendepunkt - Versuch einer historischen Einordnung der aktuellen Entwicklungen
"I think we have a deal" - Beschreibung und Deutung der veränderten Situation in Syrien
Zeichen der Entspannung aus Kiew - Auch in der Ukraine ist die Lage seit Juli eine andere
Riad & Washington - BFF no more? - Beobachtungen zum sich rapide wandelnden Verhältnis der (ehemaligen?) Verbündeten USA und Saudi-Arabien
Ist das Ende da? - Die psychologischen Auswirkungen der anhaltenden Nullzinspolitik der US-Notenbank als Anzeichen einer tiefgreifenden Systemtransformation
Startschuss zur Revolution - Der VW-Skandal könnte das Ende der Öl-Wirtschaft einläuten
Mit Al-Qaida für den Frieden - Strategische Verschiebungen auch im islamistischen Lager
Wer solche Verbündeten hat... - Der Krieg im Jemen als Falle der US-Regierung für ihre "Alliierten" in Riad und deren Fürsprecher in Washington gedeutet
Kommentare 20
..."Die Kosten des Krieges belasten den ölpreisbedingt ohnehin tiefroten Staatshaushalt"...
Zahlen
2014 2,59%, ein Witz, selbst wenn wir von dem Worst Case 150 Dollar pro Barrel ausgehen, bei 40 Dollar pro Barrel waeren wir dann immer noch bei unter 10% Staatsschulden gegenueber dem BIP. Das sind im Vergleich zum Rest der Welt tief- tiefschwarze Zahlen...
Im Vergleich:
Deutschland
78% ebbes.
;-)
Gruss
Insgesamt ein sehr kluger und durchdachter Beitrag, Hut ab, da haengen viele viele Stunden und Schweiss dran.
Was ich aber noch anmerken will:
Saudi Arabien hat Platz 4 der Militaerausgaben mit 80 Milliarden Dollar, im Vergleich, Deutschland mit 46 Milliarden Platz 8, wobei ich diese Zahlen fuer sehr sehr untertrieben halte, da sind bestimmt die "Sekundaerausgaben" nicht eingerechnet.
Zurueck zu Saudi Arabien mit 80 Milliaerden, wer verkauft ihnen denn den Kram?
"Hmmm", koennte das auch etwas mit der Politik im weissem Haus und Bruessel zu tun haben?
;-)
Danke für diese gute Analyse. Man kann nur hoffen, dass das enge Bündnis USA-Saudis beschädigt wird. Dass die USA sich von den Saudis tatsächlich abwenden, glaube ich aber nicht. Das Bündnis besteht seit Jahrzehnten; beide sind zum Erreichen ihrer geopolitischen Ziele in der Region aufeinander angewiesen; die Saudis sichern seitens der Araber den Status quo für Israel, sie kungeln sogar hinter den Kulissen mit Israel; die Saudis sind der beste Kunde für die US-Waffenindustrie.
Es sind rein taktische Gründe, die die USA zu einem Rhetorik-Wechsel veranlassen, jetzt auf gespräche und eine friedliche Lösung zu setzen, eben weil der Krieg sich nicht so leicht gewinnen lässt wie gedacht und die Vorwürfe auch an die USA wegen der von den Saudis begangenen Kriegsverbrechen und der amerikanischen Mithilfe jetzt vielleicht lauter werden (Niederländer fordern UN-Untersuchung).
"Die Einschätzung der tatsächlichen strategischen Ziele, die von den beteiligten Akteuren im Jemen-Krieg verfolgt werden, ist äußerst schwierig, Vieles bleibt spekulativ."
Eigentlich nicht. Man nehme einen Atlas zur Hand und überprüfe die Lage Jemens mit der der wichtigsten Schiffahrtsroute von Asien nach Europa. Geostrategie heißt: nicht nur die Rohstoffförderung zu kontrollieren, sondern auch die Transportwege. Die Kontrolle über den Golf von Aden und den Bab el Mandab, die schmale Passage ins Rote Meer, sind das Ziel des Westens. Das Beispiel Somalia am gegenüberliegenden Ufer des Golfs hat gezeigt, wie ein failed state Piraterie begünstigt.
Deswegen will der Westen im Jemen Stabilität und Marinestützpunkte für die patroullierende Marine. Es wird die Fraktion unterstützt, die am ehesten Stabilität verspricht. Da passiert es dann schon mal, dass die regionalen Interessen der Saudis den globalen Interessen des Westens untergeordnet werden.
Saudi Arabien hat sich unter Bruch des Völkerrechts, an dem sich Deutschland durch seine Waffenexporte beteiligte, im Jemen verannt, und sich dadurch in eine gefährliche Lage gebracht. Etwa 5000 Prinzen zählt das saudische Königshaus. Viele davon sehr ambitioniert. Verliert die herrschende Linie das Gesicht, durch eine militärische Niederlage, kann das zu einem Erbfolgekrieg im Land führen. Es kann daher auch gar nicht ausgeschlossen werden, dass die Houthis aus Saudi Arabien, von konkurrierenden Prinzen unterstützt werden.
"Wenn die Behauptung stimmt, dass Russland via Hisbollah die Houthis im Jemen unterstützen wird, erübrigt sich die Frage nach den Erfolgsaussichten der “Koalition”, und ihre Tage dürften gezählt sein."
"Putin ist Schuld!", höre ich schon. Ich kann oder eher mag mir aber nicht vorstellen, dass unsere Medien auf diesen Zug aufspringen. Sie haben es nicht geschafft, den Krieg in der Ukraine mit ihren nachweislichen Falschinformationen alleine an Putin festzumachen. Ihm am Krieg im Jemen die Schuld zu geben, wäre noch weiter hergeholt. Wobei mir letztens tatsächlich einer begegnete, der der Überzeugung war, Putin wäre Schuld an den Flüchtlingen aus Syrien.
Sorry, aber so einfach ist das nicht: Das diesjährige Defizit wird wohl ca. 20% des BIP betragen. Das wirkliche Problem ist aber, dass es bei weiterhin niedrigem Ölpreis keine Hoffnung gibt, dass sich das ändern könnte. Selbst die saudischen Devisenreserven sind nicht endlos, abwerten bringt nichts, und wer sollte ihnen Geld leihen, das er nicht zurückbekommen wird? D.h. sie müssen Ausgaben kürzen, und wenn das die Sozialprogramme betrifft, sind Unruhen vorprogrammiert - die USA scheinen schon Anspielungen in der Richtung zu machen...
Über das Bündnis zwischen Saudis und USA könnte ich auch mal was schreiben, warum sie bisher über jede Kritik erhaben waren, während der Iran für jeden inhaftierten Oppositionellen Prügel einstecken muss. Aber es ändert sich rapide, eine geradezu systematische Rufschädigungskampagne ist im Gange, zuletzt die Geschichte mit dem Sexualverbrechen eines ranghohen Saudis - das wäre früher *definitiv nicht* in einer großen US-Zeitung erschienen...dazu hatte ich ja in "Riad & Washington" schon was geschrieben.
Der nächste Artikel wird das strategische Verhältnis zwischen Saudis und den USA behandeln: Es geht bzw. ging dabei weniger um die US-Ziele in der Region als vielmehr um globale. Dass sich die Tonlage derart plötzlich ändert ist m.E. deutlich mehr als Taktik, und dass die USA den Krieg für leicht gewinnbar hielten glaube ich wie gesagt nicht - Zitat eines "Experten": "Jemen steht auf der Liste der Länder, in denen man lieber keinen Landkrieg startet, direkt hinter Russland und Afghanistan."
nb, Israel würden die Saudis sicherlich gerne dem Erdboden gleichmachen, aber da es ebenfalls US-Verbündeter ist ergeben sich zwangsläufig Übereinstimmungen.
Berechtigte Überlegungen, die mich aber nicht ganz überzeugen: Eine Marinebasis bei el-Mandab haben die USA bereits, die Straße von Hormuz wird ohnehin vom Iran kontrolliert, und eine Stabilisierung des Landes durch den Krieg ist nicht zu schaffen, eher das Gegenteil. Die eine Frage ist ja, welche strategischen Ziele vielleicht erwünscht wären - die andere, ob sie mit der gewählten Vorgehensweise erreicht werden können.
Unterstützung durch saudische Prinzen - an diese Möglichkeit hatte ich noch nicht gedacht. Nicht völlig auszuschließen, aber angesichts der Gefahren für das Königreich (und der Reaktion der Regierung, wenn sie es erfahren sollte) glaube ich daran nicht recht. Erbfolgekrieg - mit welchen Kräften? Eher soziale Unruhen und ein Palastputsch inkl. "ungeklärten Todesfällen", wäre in Riad wahrlich nicht das erste Mal.
Putin ist nicht mehr der Bösewicht, wie ja die Reaktionen auf den Einsatz der Russen in Syrien zeigen, der von der europäischen Politik größtenteils begrüßt wird. Natürlich hält sich diese Sicht in manchen Ecken noch hartnäckig...
Ich unterstuetze Ihre Sicht, dass der Krieg im Jemen keine weltpolitische Rolle spielt, sondern eher auf neue strategische Optionen in West-Asien hinweist.
In dieser Perspektive sind die Buergerkriege in Syrien/Irak und im Jemen aufeinander bezogen, man kann beide Kriege als Einheit ansehen.
Neu ist dann gegenwaertig vor allem das "einvernehmliche" Eingreifen Russlands in diesem Buergerkrieg.
Die Israelis haben das sofort erkannt und Bibi war bereits bei Putin.
Die Saudis schaffen diesen Schwenk nicht. Dort sind eben seit Jahrzehnten verbohrte alte Maenner an der Macht. (Sowas gabs doch schon mal. Wo war das nur...)
Die Amerikaner haben den Saudis spaetestens seit dem Oelpreisverfall die Freundschaft gekuendigt. (Der Oelpreis macht ja auch den Russen zu schaffen. Das ist m.E. ein wichtiger Grund fuer die Annaeherung zwischen USA und Russland in West-Asien. Das Oel soll wieder teurer werden.)
An der voelligen Destabilisierung Saudi-Arabiens koennen aber alle Beteiligte kein Interesse haben. Das Beispiel Lybien ist gluecklicherweise abschreckend. Der militaerisch-industrielle Komplex in den USA ist am Kunden Saudi-Arabien interessiert, nicht aber an der Monarchie. Darum deutet m.E. vieles daraufhin, dass es in Saudi-Arabien zu einer Machtuebernahme durch das Militaer kommen wird (a la Aegypten). (Der neue Boss mit Lametta wuerde dann vermutlich schnellstens zu Putin fliegen.)
Der grosskotzige Prinz-Verteidigungsminister koennte den Anlass fuer einen Putsch liefern.
In Jemen ginge dann der Buergerkrieg weiter, wie schon seit diversen Jahren.
Die Einschaetzung der weiteren Entwicklung in West-Asien haengt von den Interessen die USA in der Region ab. Ich denke, die USA wollen sich aus der Gegend zurueckziehen. Da kann man natuerlich anderer Meinung sein.
"die Straße von Hormuz wird ohnehin vom Iran kontrolliert"
Nur de jure. De facto wird sie von den USA kontrolliert. Der Iran hat das Seerechtsabkommen der UNO, das eine erlaubnisfreie Passage von Kriegsschiffen vorsieht, nie ratifiziert. Das kümmert die USA jedoch nicht, Sie schicken ihre Kriegsschiffe auch ohne Erlaubnis durch die Straße hin und her und berufen sich auf Gewohnheitsrecht. Das US-Militär behält sich auch wider dem internationalen Seerecht vor, Schiffe in der Straße zu stoppen und zu kontrollieren. Der Iran hat technisch zwar die Möglichkeit die Straße zu blockieren, aber die Kontrolle hat er nicht.
"eine Stabilisierung des Landes durch den Krieg ist nicht zu schaffen"
Ja, mein Fehler. Ich blick da teilweise nicht mehr durch, wer wen unterstützt.
Die USA unterstützen ja das sunnitische Regime im Jemen, mit Drohnenangriffen und Kommandoaktionen gegen die schiitischen Rebellen, während sie jetzt im Irak und in Syrien gegen die Sunniten kämpfen und sich dabei auch mit Schiiten verbünden.
"Putin ist nicht mehr der Bösewicht"
vorübergehend
Stimmt - ich meinte "Kontrolle" im Sinne von "kann im Extremfall sperren", das war unklar formuliert von mir. Vor ein paar Monaten hat der Iran ja auch durch das Festhalten eines Schiffes dies der Welt in Erinnerung gerufen...Wenn Sie das Kräfteverhältnis bei Hormuz genauer interessiert, würde ich diesen Artikel empfehlen: http://www.sikharchives.com/?p=8240
Die Drohnenangriffe im Jemen richten sich offiziell gegen AQAP, am Krieg gegen die Houthis (richtiger wäre zu sagen: Saleh und die Houthis - ich stimme der Einschätzung in einem der Links zu, dass Saleh diese nur benutzt, um mittelfristig wieder seine Leute an die Macht zu bringen) sind die USA nur indirekt beteiligt. Auch in Syrien kämpften sie bislang gegen die Schiiten und Alawiten, aber das ändert sich halt auch gerade - ich glaube nicht, dass sie Russland allein die Lorbeeren des IS-Bezwingers einsammeln lassen. Putin & Lawrow schreiben derzeit das Drehbuch für den Mittleren Osten, und das wird auch eine Weile so bleiben...
Ob die USA das "wollen", wage ich zu bezweifeln - das Problem scheint mir eher, dass sie keinen verlässlichen Verbündeten dort mehr haben, außer Israel, aber das wird sich hübsch raushalten und anpassen, um nicht selbst in Gefahr zu geraten. Insofern planen sie gezwungenermaßen für eine Zukunft, in der sie weniger Einfluss haben, die Region aber auch nach dem Abgang des Petrodollars weniger wichtig ist für sie. Sehr sehr spannend ist, wie sich das auf die Wirtschaft auswirkt und das Ende des Ölzeitalters massiv beschleunigt, Stichwort VW-Skandal. Bisher war ja ein möglichst hoher globaler Ölumsatz zwingend notwendig für die USA...
Wie es in Saudi-Arabien weitergehen wird, weiß ich nicht. Ein Militärputsch - nicht ganz auszuschließen, aber sind nicht so ziemlich alle leitenden Funktionen in den Streitkräften mit Mitgliedern der al-Sauds besetzt? Wer sollte da die Führung eines Putsches übernehmen? Die Familie ist überall, daher tippe ich eher auf eine Machtübernahme eines anderen Flügels. Dass die Sicherung der Stabilität des Landes die nächste große internationale Herausforderung sein wird, denke ich auch und hatte ich schon irgendwo geschrieben.
Ja, Moskau macht die Regeln - und nein, der niedrige Ölpreis ist für Russland kein so großes Problem, wie hier gerne behauptet wird, auch wenn die Wirtschaft einen Dämpfer bekommt.
Syrien- und Jemenkrieg: jein...eigentlich war der Syrienkrieg genauso konzipiert wie der in der Ukraine, also als Bedrohung von Iran bzw. Russland, bei der diese jedoch nicht offen eingreifen konnten. Jemen hingegen war m.E. von vornherein als Falle für die Saudis konzipiert, während sich Syrien erst in jüngster Zeit in die Richtung entwickelt hat, sie sich dort aber einfacher zurückziehen können (und das auch klammheimlich tun werden). Hat sich eigentlich nie jemand gefragt, warum es eine riesige "anti-ISIS-Koalition" gibt, diese aber kaum Schaden anzurichten scheint? Vielleicht liegt es ja einfach daran, dass sich der Aufmarsch gegen einen ganz anderen Gegner richtete...
Unsicher bin ich mir was die Pipeline nach Mukallah angeht: Ich denke einerseits, dass es tatsächlich eine Absprache mit den Saudis geben könnte, zumal die Falle sonst zu offensichtlich wäre. Andererseits käme sie deutlich zu spät, wenn ein Krieg gegen den Iran geführt werden sollte...
Gerade aufgetrieben:
https://www.youtube.com/watch?v=7FSPA2cnz_Q
Die Info hab ich im dritten Absatz des Artikels schon verlinkt...;-)
Ups.Ich rufe Verlinkungen erst nach dem Lesen auf, um meinen Lesefluss nicht zu unterbrechen, aber auch dann rufe ich nicht alle auf.
Warum die USA sich aus West-Asien zurueckziehen, kann man unterschiedlich einschaetzen. Fakt ist, sie machen es.
Zugegeben, der niedrige Oelpreis ist vor allem fuer die USA ein Problem, weil die Fracking-Firmen seit einigen Monaten bereits unrentabel sind. Die Funds sind zudem von Hedge-Funds und aehnlichen Investoren teilweise bis zu 100% finanziert und damit bereits jetzt kurz vor dem Kollaps. Damit waere die "Oel-Macht" USA schnell wieder am Ende.
Wie's um die russische Oel- und Gasindustrie steht weiss ich nicht. Jedenfalls waere ein hoeherer Oelpreis auch fuer die Russen interessant. Das verbindet.
Die Intervention im Jemen war fuer die Saudis nur sehr teuer.
Fuer einen Mitlitaetputsch spricht m.E., dass die saudische Generalstabsstabsausbildung (frueher in Sandhurst,UK) heute meist in den USA stattfindet. Das Beispiel al Sissi zeigt wofuer das gut ist.
Die Generale der Saudis stammen m.W. meist nicht aus der Koeningsfamilie. Die haben nur die "Boss"-Positionen. So ein "power-sharing" ist nicht nur in wenig entwickelten Laendern immer ein Problem. (Stalin kannte sich damit aus...) Ghaddafi war auch Oberst, die aegyptischen Praesidenten meist Generale. Die Israelis haben dieses System uebernommen.
Die Rolle des Offizierkorps wird bei Analysen oft zu wenig beachtet. Wenn die USA einen regime-change in Riad wollen, koennen sie am einfachsten die (nach dem Jemen-Krieg) frustrierten Offiziere der saudischen Armee "einsetzen".
Dass die USA ne pipeline durch den Jemen zu bauen wollen, wuerde m.E. noch nicht mal der senilen Saudi-Koenig glauben.
Die geringe Effektivitaet der USA et al. Luftangriffe gegen Darsh liegt m.E. daran, dass es nur Luftangriffe sind, auf die sich die Miliz inzwischen prima eingestellt hat. Es kaum noch Ziele fuer die Jets.
Die Russen bereiten sich derzeit wohl darauf vor, mit luftunterstuetzten "Kommandos" in Syrien eingreifen. Das Ziel koennte sein, Darsh nach Irak abzudraengen, um dort eine Kantonalsregelung zu ermoeglichen. (Den Plan gibt's ja schon lange.)
An der Grenze zum Irak bleibt dann eine Pufferzone fuer die diversen Oppositionsfraktionen. Der uebrige Teil Syriens kommen wieder unter Kontrolle der bisherigen Regierung, vielleicht mit nem anderen Gesicht an der Spitze.
Das ist m.E. die einzig politich-militaerische "Loesung" des Konflikts, der alle Seiten zustimmen koennten.
Ob das klappt, haengt starkt von den Russen ab. Die scheinen beim Aufbau ihrer Praesenz sehr systematisch vorzugehen. Putin will kein Risiko a la Afghanistan eingehen.
Gut, aber das ist Zukunftsmusik, die auch nur fnktioniert, wenn die Amis sich raushalten.
Eben lese ich, dass die Saudis doch noch die Kurve gekriegt haben und sich der von Russland gefuehrten Anti-Darsh Allianz anschliessen.
Ist Realpolitik. Wird die USA nicht freuen. Wenn es die "Falle" im Jemen gab, jetzt sind die Saudis jedenfalls raus.
Geht mir ähnlich, wenn überhaupt...;-)
Ich bin darauf nicht näher eingegangen, 1. weil der Artikel schon lang genug ist und 2. weil ich die Interna des Königshauses nur sehr flüchtig kenne. Ich weiß nur, dass die Sudairis (also u.a. Salman und sein Sohn) alles Andere als unumstritten sind, und dass sie eher *nicht* für ein enges Bündnis mit den USA bzw den Republikanern (die sich ebenfalls weiter zerlegen dürften) stehen.
Das mit dem Ölpreis...ja, da gibt es natürlich die Fracker, aber das ist für die USA das geringere Problem, die werden halt jetzt von den Majors übernommen und verschlankt - viel problematischer ist der mangelnde $-Rückfluss aus Öleinnahmen. Petrodollar-Recycling R.I.P. Nach der nächsten OPEC-Sitzung würde ich eine gewisse Erholung erwarten, weil *alle* Seiten Probleme bei 45$ haben, aber nichts wird mehr wie vorher sein.
Zur Möglichkeit des Militärputsches, meine Skepsis angesichts der riesigen Königsfamilie an vielen Schaltstellen bleibt, aber es ist wohl nicht ganz auszuschließen, wenn tatsächlich die hohen Militärs idR nicht königlich sind. Außerdem könnte es im Krisenfall die einzige Alternative zu den Salafisten im Land sein. Letztlich kenne ich die Interna des Landes zu wenig, um die Kräfteverhältnisse abschätzen zu können, klar ist aber dass es Umwälzungen geben wird - und nicht unbedingt evolutionäre.
Der Jemenkrieg ist etwas zu gefährlich für Riad, um ihn "einfach mal so" zu beginnen - irgend ein reales Ziel muss damit verbunden sein, und sich derart festzulegen auf etwas Unmögliches ist nun reichlich dämlich...daher würde ich die Pipelinetheorie nicht völlig ausschließen.
Dass die aktuelle Regierung je wieder die vollständige Kontrolle über Syrien erhalten wird, sehe ich nicht. Die "Rebellen" haben ihre Hochburgen im Nordwesten und können nicht einfach in den Osten verdrängt werden, und nur eine Machtteilung und mittelfristiger Abgang Assads kann die Zustimmung aller Seiten finden und das Land irgendwie zusammenhalten. Den Zeit-Artikel verstehe ich nicht so, dass die Saudis sich der russischen Allianz anschließen (würden die Russen ein U-Boot einbinden wollen?) - lediglich dass es Gespräche gibt. Und bisher...nunja, wie viele US-Angriffe auf ISIS gab es denn tatsächlich, wenn doch das Ziel nicht Sieg, sondern "containment" war?
Ok. Jetzt sind wir beide (?) wieder auf der Ebene der Vermutungen. Ne Analyse (geschweige denn eine Prognose) ist im Augenblick wohl nicht moeglich, weil die Karten gerade neu gemischt werden.
was Russland konkret erreichen will (mal abgesehen von "mehr Einfluss im Nahen Osten") scheint unklar. Haengt wohl auch davon ab, was Russland meint erreichen zu koennen.
Lustig finde ich derzeit, wie die Medien den Ereignissen hinterherlaufen und gleichzeitig ihren Kurs von 80 auf 180 Grad aendern muessen. Amuesant.
Bei einigen Punkten sind wir das, ja. Die Strategie hinter dem Jemenkrieg war vom ersten Tag an unklar, inzwischen habe ich mir eine Erklärung zusammenkombiniert, die zu fast allen Beobachtungen passt und mir daher die plausibelste zu sein scheint - 100% sicher geht allerdings anders, wie ja auch die Frage der Pipeline zeigt.
Prognosen (die die Zukunft betreffen;-) sind schwierig, und ich hatte z.B. weder erwartet, dass die USA so einfach den Russen das Feld überlassen, noch dass ernsthaft die Chinesen sich beteiligen würden (letzte Meldung). Mit dem Irandeal war die bisherige containment-Strategie tot, die Zerschlagung des IS nur noch eine Frage der Zeit. Warum haben die USA mit ihrer "Koalition" hier nicht das Heft in die Hand genommen, wenn sie doch ohnehin seit einem Jahr vorgeben, den IS zu bekämpfen?
Russland hat im Gegensatz zu den westlichen Staaten klare Prinzipien und ist ein verlässlicher Bündnispartner, daher halte ich es für berechenbarer als die meisten anderen Akteure. Das Ziel dürfte sein, Syrien, Irak und Jemen zu stabilisieren (unter welcher Regierung ist zweitrangig, solange es keine US- oder Saudi-Marionetten sind) und die Saudis in die Schranken zu weisen. Mit chinesischer Unterstützung ist das problemlos machbar, wenn der Zustrom an Waffen gestoppt wird.
Und die Medien scheinen einfach das nachzuplappern, was aus der Regierung verlautet wird. Eigene Linie, wozu denn.