Alter in der Krise

Generationen Alte Menschen wirken oft stur, kleingeistig und meckerig. Zu selten wirken sie weise und gelassen.

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Jemanden nach seinem Alter zu fragen gilt als unhöflich. Dies nicht etwa deswegen, weil dann vielleicht rauskommt, wie jung, wie unerfahren, wie grün hinter den Ohren der Befragte noch ist. Nein, es geht darum, dass Alte sich nicht outen wollen, so, als wäre Alter eine Krankheit oder jedenfalls ein Makel.

Dass Alter etwas Schlechtes zu sein scheint, wird einem auch in unterschiedlichen Situationen vor Augen geführt:
Da sind etwa die Mutter-Tochter-Paare, bei denen die Mutter wie eine Version der Tochter wirkt, nur eben in mangelhaft, gezwungen, verzweifelt. Die Mutter trägt die gleichen Klamotten wie ihre Tochter, aber bei ihr sitzen diese Klamotten, die auch nicht für ihre Altersgruppe gemacht sind, deutlich schlechter, unvorteilhaft, unfreiwillig komisch. Die Mutter schaut genauso wie die Tochter nach Gelegenheiten mit dem anderen Geschlecht, aber das andere Geschlecht hat nur Augen für die Tochter. Die Mutter versucht hin und wieder sogar genauso zu reden wie die Tochter, aber dann redet sie in einer Sprache, die nicht die Sprache ihrer Generation ist, sondern die Sprache der Jugend.

Es gibt aber auch die Männer, die eines Tages ihre in etwa gleichaltrigen Partnerinnen verlassen, oft auch die Mütter ihrer Kinder, um sich mit einer Frau zusammen zu tun, die deutlich jünger ist als sie. Dann muss man sich fragen: Gibt es nichts, was eine ältere Frau gegenüber einer jüngeren Frau positiv auszeichnet, oder, anders gefragt, haben diese Männer nicht mit zunehmendem Alter Fähigkeiten erworben, Erfahrungen gesammelt, die es für sie unattraktiv machen, ihr Leben mit einer so viel Jüngeren zu verbringen?

Wenn ich an das Alter denke, an mich als alten Mann, als Opa vielleicht, dann stelle ich mir vor, dann hoffe ich jedenfalls, dass ich im Vergleich zu Heute souveräner bin, gelassener, ein bisschen weiser. Mit dieser Hoffnung, mit diesem Ziel würde ich grandios scheitern, wenn ich als alter Sack nur den jungen Frauen nachjagen würde, wenn ich dabei vielleicht noch Klamotten meines Sohnes tragen und seine Sprache benutzen würde.

Aber auch älteren Menschen, die noch mit ihrer Jugendliebe zusammen sind, deren Kleidung und Sprache ihrem Alter gerecht werden, fällt das mit der Weisheit, mit der Gelassenheit erkennbar schwer. Gerade wenn es um Themen geht, die noch keine Rolle gespielt haben als die Alten jung waren, erscheinen mir alte Menschen regelmäßig als stur, kleingeistig, meckerig. So ist zum Beispiel das Internet für viele alte Menschen ein reines Übel, aus ihrer Sicht kann die Antwort auf das Internet nur darin bestehen, dieses zu bekämpfen, es mit staatlicher Regulierung zu überziehen, es am besten morgen abzuschalten. Eine solche Haltung muss für Menschen, für die das Internet ein selbstverständlicher Teil des Lebens ist, wirken wie die Meinung eines Blinden über van Gogh oder die Meinung eines Tauben über Mozart.

Vor einiger Zeit habe ich in der Berliner S-Bahn die folgende Begebenheit miterlebt: In der Nähe eines alten Mannes, der sich mit einer alten Frau unterhielt, saß ein junges Mädchen, welches sich ebenfalls unterhielt, allerdings über sein Smartphone. Der alte Mann fühlte sich durch das Mädchen gestört und forderte es auf, ruhig zu sein. Das junge Mädchen erwiderte: „Aber Sie unterhalten sich doch auch“. Der alte Mann sagte darauf hin: „Das ist etwas anderes“. Bei einer solchen Begebenheit könnte man tatsächlich denken: Alt werden bedeutet dumm und unsympathisch werden.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass es älteren Menschen natürlicherweise schwerer fallen muss, neue Entwicklungen in der Weise zu verinnerlichen, wie dies junge Menschen tun. Dennoch gebe ich mein Ziel, im Alter gelassener und weiser zu sein als heute, nicht auf. Ich bin nämlich überzeugt, dass es durchaus Qualitäten gibt, mit denen sich gerade alte Menschen auszeichnen können, auch wenn sie vielleicht ein Smartphone nicht bedienen können und nicht wissen, was ein „Babo“ ist.

Dazu gehört zum Beispiel die Qualität, tolerant zu sein gegenüber anderen Generationen, aber auch die Qualität, nicht mehr so auf Äußerlichkeiten zu achten, bei sich und bei anderen, oder die Qualität, eigene Defizite im Hinblick auf neuere Entwicklungen anzuerkennen, anstatt diese Entwicklungen zu verteufeln.

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