Balkone im Innenhof

Wohnungsmarkt Die Modernisierung Berliner Mietwohnungen treibt seltsame Blüten

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Balkone im Innenhof

Foto: JOHANNES EISELE/AFP/Getty Images

Schon seit 1974 ist der Vermieter von Gesetzes wegen berechtigt, eine Wohnung zu modernisieren und die dabei entstehenden Kosten auf den Mieter umzulegen. Nach gegenwärtiger Gesetzeslage kann der Vermieter die Miete um jährlich 11 % der auf die einzelne Wohnung anfallenden Kosten erhöhen und dem Mieter bleibt im Ausnahmefall lediglich die Berufung auf eine besondere Härte oder die Kündigung.

Der Hintergrund dieser dem Vertragsrecht eigentlich wesensfremden Möglichkeit, den Vertragsinhalt einseitig zu verändern, liegt darin, dass ein Vermieter aufgrund des Kündigungsschutzrechtes die Beendigung eines Mietverhältnisses (mit der Möglichkeit, die beabsichtigten Investitionen dann vorzunehmen) oftmals nicht in der Hand hat und Mietverhältnisse daher über viele Jahrzehnte andauern können.

Investitionen sollen sich lohnen

Der Gesetzgeber geht von der Erkenntnis aus, dass Investitionen in der Regel nur vorgenommen werden, wenn diese sich wirtschaftlich lohnen. Es wird etwa angenommen, dass die Qualität des westdeutschen Wohnungsbestandes ganz wesentlich auf der Möglichkeit beruht, Investitionskosten im laufenden Mietverhältnis auf den Mieter umzulegen. Dieser Möglichkeit kommt darüber hinaus auch eine umweltpolitische Bedeutung zu, denn auch die Kosten der sogenannten energetischen Modernisierung können auf den Mieter umgelegt werden.

Modernisierung gegen die Mieter

In einer Stadt wie Berlin mit einem im höchsten Maße angespannten Wohnungsmarkt tritt der problematische Aspekt der Umlage von Modernisierungskosten aber immer mehr in den Vordergrund. Durch die Umlage von Modernisierungskosten steigen die Mieten in einem Umfang, der die Mieterhöhungen nach dem Mietspiegel deutlich überschreitet. Was bringt es, wenn Berliner Mietshäuser reihenweise mit Fahrstühlen oder Balkonen ausgestattet werden, wenn die Berliner sich diese Wohnungen dann aber nicht mehr leisten können?

Diese Problematik bekommt einen besonders negativen Beigeschmack wenn man Folgendes beobachtet: Die meisten Prozesse, die wegen der Modernisierung von Mietwohungen geführt werden, werden nicht von Privatvermietern angestrengt, die das seit mehreren Generationen im Familienbesitz befindliche Mietshaus – vielleicht sogar im Interesse der Mieter – mal auf Vordermann bringen wollen.

Die meisten Prozesse werden von Unternehmen geführt, die das betreffende Mietshaus typischerweise gerade erst erworben und es alsbald auch wieder – mit Gewinn und gegebenenfalls nach Aufteilung in Eigentumswohnungen – wieder verkaufen wollen. Zweck der Modernisierung ist in diesen Fällen allein die Steigerung der Miete, um das Ziel, mit Gewinn wieder zu verkaufen, besser erreichen zu können.
Was dann modernisiert wird, ist dem Vermieter völlig egal. So werden etwa in Innenhöfen Balkone angebracht, die keiner der betroffenen Mieter haben will. Die Gerichte winken diese Maßnahmen durch, denn, wenn keine besonderen Umstände gegeben sind, erhöhen Balkone auch im Innenhof „objektiv“ den wohnwert.

Die nachvollziehbaren Ziele des Gesetzgebers sind hier teilweise pervertiert. Die Berliner Mieter geraten immer mehr unter Druck, dies zu Gunsten von Investoren, denen es allein um ihre Rendite geht. Das volkswirtschaftliche Ziel, die Investitionsbereitschaft zu steigern, ist jedenfalls in Frage gestellt, wenn die Werkunternehmer und ihre Mitarbeiter, die die Balkone an- und die Fahrstühle einbauen, sich die betreffenden Wohnungen trotz voller Auftragsbücher nicht leisten können.

Mögliche Reaktionen

Justizminister Heiko Maas plant, die Umlage der Modernisierungskosten einzuschränken. Statt jährlich 11 %, sollen nur noch jährlich 8 % der Kosten umgelegt werden können. Hinzu kommen soll eine Obergrenze, wonach die Miete sich wegen Modernisierung in acht Jahren nur noch um 3 EUR pro Quadratmeter erhöhen können soll.

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber man sollte sich die Frage stellen, ob nicht angesichts der gegenwärtigen Situation auf Wohnungsmärkten wie in Berlin die Interessen der Mieter noch deutlich stärker in den Vordergrund rücken sollten. Warum soll der Gesetzgeber etwa den Anbau von Balkonen fördern, wenn sämtliche Mieter einen solchen Balkon gar nicht wünschen? Sind billigere Mietwohnungen ohne neu angebaute Balkone nicht besser, als teurere Mietwohnung mit neu angebauten Balkonen?

Eine Lösung könnte – jedenfalls auf Wohnungsmärkten wie in Berlin – darin liegen, dass eine Modernisierungsmaßnahme zu unterbleiben hat, wenn sich die davon betroffenen Mieter zu 3/4 gegen diese Maßnahme aussprechen. Die energetische Modernisierung könnte man von dieser Einschränkung ausnehmen. Das dies nur auf den ersten Blick eine radikale Lösung ist, zeigt sich, wenn man sich vor Augen führt, dass bei Mietverträgen im Grundsatz keine einseitige Veränderung des Vertragsinhaltes möglich ist. Das Modernisierungsrecht des Vermieters ist also die Ausnahme, nicht andersherum. Und weiter ist zu bedenken: Modernisierung ist keine Instandhaltung. Die Instandhaltung der vorhandenen Bausubstanz hat der Vermieter ohnehin vorzunehmen, auf eigene Kosten.

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