Sehnsucht nach Transzendenz

F. Baumgartner Felix Baumgartner ist als erster Mensch aus einer Höhe von 39.000 Meter zur Erde gesprungen. Dahinter steht eine Sehnsucht nach Transzendenz.

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Am 14.10.2012 um 9:30 Uhr Ortszeit war es endlich so weit. Ein Heliumballon stieg von Roswell (New Mexiko) aus in die Höhe und trug den österreichischen Extremsportler Felix Baumgartner in einer speziell angefertigten Kapsel bis auf eine Höhe von 39.000 Meter.

Unwirtliche Bedingungen

Dort, in der Stratosphäre, ist der Luftdruck etwa hunderfach dünner als auf Meereshöhe, zunächst die Kapsel und später der Raumanzug schützten Felix Baumgartner vor diesen Bedingungen. Wie lebensfeindlich die Bedingungen in der Stratosphäre sind, erlebte Joseph Kittinger, Berater von Felix Baumgartner bei dieser Mission, im Jahr 1960 am eigenen Leib. Der damalige Testpilot der U.S. Air Force stieg auf eine Höhe von 31.000 Metern, aufgrund eines undichten Handschuhs schwoll seine Hand an wie Hefeteig.

Der geringe Luftdruck bewirkt auch, dass ein Sprung kaum kontrolliert werden kann, es ist ein Sprung ins Nichts, eine falsche Bewegung kann zu einem rasenden Routieren um die eigene Achse führen, Bewusstlosigkeit ist unter den möglichen Folgen noch vergleichsweise harmlos.

Große mediale Wirkung

Den waghalsigen Sprung beobachteten Millionen Menschen weltweit in einem um zwanzig Sekunden verzögerten Livestream. Es scheint unumstritten, dass sich die 50 Millionen, die der Sponsor für diese Unternehmung aufgewendet haben soll, mehr als gelohnt haben. Auch wenn die Leserkommentare zu den Berichten im Internet immer wieder die ganze Aktion als "Werbeveranstaltung" herunterspielen, scheint Felix Baumgartner, scheinen die Livebilder aus der Stratosphäre die Menschen weltweit fasziniert zu haben. Ein Grund dafür könnte eine dem Menschen eigene Sehnsucht nach Transzendenz sein, die seit Jahren als ungebrochen bezeichnet wird, trotz des Bedeutungsverlustes der Religionen.

Sehnsucht nach Transzendenz

Der Rekordsprung war zutiefst transzendental. Durch den Aufbruch in die Stratosphäre, durch den Sprung zurück zur Erde, hat Felix Baumgartner Grenzen überschritten, er hat sich in einem Bereich vorgewagt, der wahrhaft unwirtlich ist, in eine Höhe, die jede Höhenangst der Lächerlichkeit preisgibt.

Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass die Menschheit schon längst viel weiter hinausgekommen ist, denn der Rekordsprung kann mit einer bemannten Mondmission, mit internationalen Raumstationen, nicht ohne weiteres verglichen werden. Felix Baumgartner hat sich alleine auf den Weg gemacht, ausgestattet bloß mit Raumanzug, Ballon und Kapsel, er ist dann gesprungen von einer Art Trittbrett, welches so gar nicht an Nasa und Spitzentechnologie erinnerte. Es war ein Fallschirmsprung, aber einer von transzendentaler Bedeutung.

Mit seiner Leistung hat Felix Baumgartner bei den Menschen daher möglicherweise eine Sehnsucht nach Entgrenzung angesprochen, eine Sehnsucht, welche die Religion nicht mehr befriedigt, eine Sehnsucht, die man auch hinter der Sexualität, hinter dem Drogenrausch, hinter der Meditation vermuten kann.

Ist damit der Bezeichnung als "Werbeveranstaltung" widersprochen? Nein! Mit dem Privatfernsehen, mit dem Internet sind wir schon längt in einer Gratis-Kultur angekommen. Viele herausragende Leistungen sind ohne Sponsoring nicht möglich, die wichtigsten Internetseiten sind kostenlos, finanziert mit Werbung. Der Rekordsprung von Felixbaumgartner war in der Tat eine Werbeverantstaltung, großartig war diese Unternehmung trotzdem.

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