Flight

Kino Für den Süchtigen gibt es nur die Sucht. Das Geschehen um ihn herum ist irrelevant. Der Film Flight, mit Denzel Washington in der Hauptrolle, erzählt davon

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Der Beispiele sind viele: wie hat sich zum Beispiel der Milliarden-Betrüger Bernard Madoff gefühlt, mit seinem Reichtum, mit seinem scheinbaren Erfolg, wissend, dass das Vertrauen, dass die Anerkennung der Öffentlichkeit unberechtigt war, wissend, dass er kein großer Held, sondern ein großer Verbrecher war?

Können Dopingsünder ihre Erfolge genießen, die Medaillen, Zeremonien, den Jubel, wissend, dass sie all das nicht verdient haben?

In dem Film Flight von Regisseur Robert Zemeckis, mit Denzel Washington als Flugpilot Whip Whitaker, geht es um diesen Widerspruch zwischen der Wahrnehmung der Öffentlichkeit von einer Person als Held und der dunklen Seite dieser Person, welche der Öffentlichkeit (noch) unbekannt ist.

Der Pilot Whip Whitaker hat eine solche dunkle, der Öffentlichkeit unbekannte Seite, das erfährt der Zuschauer gleich zu Beginn. Whitaker wacht in einem Flughafenhotel auf, neben sich eine nackte Flugbegleiterin, umringt von den gelehrten Flaschen der Minibar. Um für den anstehenden Flug einigermaßen fit zu sein, nimmt er Kokain. Während des Fluges trinkt Whitaker weiter. Als das Flugzeug zum Landeanflug ansetzt, zeigt sich, dass das Flugzeug unzureichend gewartet wurde, der Pilot verliert die Kontrolle über das Flugzeug, die Katastrophe erscheint unausweichlich. Doch mit einem kühnen Manöver – Whitaker dreht das Flugzeug um, die Passagiere hängen kopfüber in ihren Sitzen – kann der Pilot den unkontrollierten Sturzflug stoppen und schließlich auf einem Feld notlanden. Sechs Menschen sterben, aber fast 100 Menschenleben werden gerettet, Whitaker ist ein Held, eigentlich.

Der Film Flight erzählt von einem Zusammentreffen von Glück und Unglück, bei dem sich die Frage lohnt, wer denn wo Glück und wo Unglück hat. Unglücklich für alle Beteiligten ist zunächst natürlich das defekte Flugzeug. Die Passagiere haben dann aber das Glück, Whitaker als Piloten zu haben, denn man kann davon ausgehen, dass ein anderer Pilot einen Absturz nicht hätte verhindern können. Whitaker konnte es, obwohl (oder vielleicht gerade weil?) er über zwei Promille Alkohol im Blut hatte. Im Krankenhaus wird Whitaker Blut abgenommen, sein Alkohol- und Kokainkonsum wird bekannt, ein Strafverfahren gegen Whitaker wird eingeleitet. Für den Piloten ist dies unglücklich, denn die sechs Todesopfer sind nicht seinem Drogenkonsum geschuldet, es könnte aber gleichzeitig auch ein Glück sein, denn das Strafverfahren gegen ihn bietet Whitaker die Chance, sich von seiner Sucht zu befreien.

In Flight geht es um Sucht, es geht um einen Süchtigen, den Denzel Washington überzeugend spielt (er ist als bester Hauptdarsteller für den Oscar nominiert). Ob im Suff oder nüchtern: dem Schauspieler gelingt es, das Weltabgewandte, das Distanzierte, das Unbeteiligte eines Süchtigen deutlich zu machen, eines Süchtigen, für den das Geschehen um ihn herum eigentlich irrelevant ist, weil es nur die Sucht gibt, weil die Sucht das einzige Thema ist.

Der Pilot Whitaker wacht nach der Notlandung im Krankenhaus auf, er hat nur eine Gehirnerschütterung und leichte Verletzungen, er hat vielen Menschen das Leben gerettet, er wird im Fernsehen als Held gefeiert, doch es scheint, als gebe es keinen Moment, in dem für ihn die Sucht nicht im Mittelpunkt steht. Whitaker ist kein Held, er lebt, wie er am Ende des Films selbst feststellt, in einem inneren Gefängnis, was außerhalb dieses Gefängnisses geschieht ist für ihn bedeutungslos.

Farin Urlaub hat einen Song geschrieben, in dem es um den Verlust eines geliebten Menschen geht. Der Song heißt „Sonne“ und in einer Strophe heißt es:

Und ob man schwitzt, und ob man friert
Und ob man den Verstand verliert
Ob man allein im Dreck krepiert
Die Sonne scheint, als wäre nichts passiert

Dieses Gefühl, welches Farin Urlaub beschreibt, diese Einsamkeit mit dem eigenen, inneren Leid, die Einsamkeit die sich daraus ergibt, dass man mit dem Geschehen um sich herum immer weniger anfangen kann, dieses Gefühl hat auch der Süchtige. Um diese Art der Einsamkeit geht es in dem Film Flight und es geht um die Frage was zu tun ist, um dieser Einsamkeit zu entrinnen.

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