Greg Merson ist neuer Poker-Weltmeister

Las Vegas Heute ist der neue Poker-Weltmeister gekürt worden. Merson wird in die Poker-Geschichtsbücher eingehen. Die Verlierer des Poker-Booms stehen im Schatten.

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Seit dem heutigen Tag gibt es einen neuen Poker-Weltmeister. Der Amerikaner Greg Merson ist 24 Jahre alt und gewann 8,5 Millionen Dollar. Er ist der Nachfolger des deutschen Pokerspielers Pius Heinz, der vor einem Jahr den Titel in Las Vergas erringen konnte und dabei ein Preisgeld von 8,7 Millionen Dollar erhielt.

„Poker-Weltmeister“ ist ein inoffizieller Titel, offiziell geht es um den Sieger des Main Events - also des Hauptturnieres - bei der World Series of Poker (WSOP). Hierbei handelt es sich um eine jährlich stattfindende Poker-Turnier-Serie in Las Vergas. Bei der diesjährigen 43. Ausgabe der WSOP wurden insgesamt 61 Turniere in zwölf verschiedenen Pokervarianten ausgetragen.

Die Geschichte der WSOP steht exemplarisch für die Geschichte des Poker in diesem und im vergangenen Jahrhundert. Vor Beginn der WSOP 1970 wurde Poker als reines Glücksspiel betrachtet, welches von zwielichtigen Gesellen unter Einsatz von Betrug und Waffengewalt gespielt wurde. Mit der Krönung eines inoffiziellen Weltmeisters bei der WSOP wurde dann jedoch der strategische Aspekt des Pokerspiels in den Mittelpunkt gerückt. Weltmeister wurde der beste Spieler, nicht derjenige, der die Karten gezinkt oder am schnellsten den Revolver gezückt hatte.

Von Beginn an stieg die Teilnehmerzahl bei der WSOP kontinuierlich. 1970 nahmen am Main Event sieben Spieler teil, der Sieger (der Amerikaner Jonny Moss) erhielt einen Silberpokal. Zehn Jahre nach der Gründung, im Jahr 1980, waren es bereits 73 Spieler und der legendäre Stu „the kid“ Hungar (ebenfalls ein Amerikaner) gewann als Sieger schon beachtliche 385.000 Dollar. 1991 stieg das Preisgeld für den Sieger (den Amerikaner Brad Daugherty) dann erstmals auf eine Millionen Dollar, die Teilnehmerzahl hatte sich unterdessen auf 215 erhöht.

Ein wahrer Meilenstein war dann jedoch der Sieg des Amerikaners Chris Moneymaker 2003. Der Buchhalter aus Tennessee, dessen Nachname tatsächlich „Moneymaker“ lautet, hatte sich unter Einsatz von 39 Dollar online auf dem Pokerportal Pokerstars.com für den Main Event der WSOP 2003 qualifiziert und bei einer Teilnehmerzahl von 839 Spielern 2,5 Millionen Dollar gewonnen.

Dieses Ereignis löste einen Poker-Boom aus, der bis heute anhält. Dabei haben die virtuellen Pokerräume des Internets die realen Pokerräume der Casinos im Hinblick auf ihre Bedeutung längst übertroffen. Der größte Anbieter, die bereits erwähnte Plattform Pokerstars.com, setzte im Jahr 2010 1,4 Milliarden Dollar um und machte einen Gewinn von 500 Millionen Dollar.

Es liegt auf der Hand, worin der Dienst liegt, den Chris Moneymaker denjenigen erwiesen hat, die mit dem Pokerboom Geld verdienen. Chris Moneymaker hat vorgemacht, was eine zunehmende Zahl an Pokerspielern vor allem online nachzumachen versucht. Mit mathematischem Denken, mit Disziplin und Erfahrung versuchen die Spieler das große Geld zu machen, „life-changing money“, wie es in der Pokerszene gerne bezeichnet wird. Mit über 4 Millionen Spielern war der deutsche Online-Poker-Markt 2011 der zweitgrößte der Welt. Angeheizt nicht nur durch Beispiele wie vor allem Chris Moneymaker, sondern auch durch Werbung mit Boris Becker auf Sport1 oder durch die TV Total Pokerstars.de Nacht auf Pro7 mit Stefan Raab.

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass den großen Gewinnern eine ungleich größere Zahl an Verlieren gegenüber steht. Denn die Verlierer bezahlen mit dem Geld, welches sie im Poker verlieren, ja nicht nur die Gewinner, die zum Teil auch online Millionen machen, sondern auch die Anbieter der Online-Plattformen, die von dem eingesetzten Geld bis zu 10%, teilweise 15 % an Tischgebühren (sog. Rake) abziehen.

Unter den Verlieren wird eine beträchtliche Zahl an Süchtigen sein. Das große Suchtpotential liegt beim Poker darin, dass trotz der Möglichkeit, strategisch richtige oder falsche Spielentscheidungen zu treffen, der Einfluss des Glücks sehr hoch ist. Während etwa beim Schach der Amateur sicher jede Partie gegen den Weltmeister Viswanathan Anand verlieren würde, könnte ein durchschnittlicher Online-Spieler durchaus gegen den Weltmeister von 2011 Pius Heinz beachtliche Erfolge einfahren, auch wenn seine strategischen Fähigkeiten deutlich schlechter sind als die des Weltmeisters.

Anders gesagt: Während beim Schach eine einzige Partie ausreicht, um eklatante Unterschiede in der Spielfertigkeit im Ergebnis deutlich zu machen, muss beim Poker eine Vielzahl von Runden (sog. „Händen“) gespielt werden, um das Ergebnis den Fertigkeiten der teilnehmenden Spieler und nicht dem Glück zuschreiben zu können.

Die Möglichkeit, auch als schwacher Spieler jederzeit gewinnen zu können, führt 1. zu einer weit verbreiteten Selbstüberschätzung der Spieler und 2. zu einer großen Suchtentwicklung. Wie etwa beim Roulette kann auch beim Poker jederzeit die Stunde des großen Glücks und damit der großen Gewinne kommen.

Rechtlich bewegt sich Online-Poker in einer Grauzone. Abgesehen von Schleswig-Holstein, das den gegenwärtig geltenden Glückspielstaatsvertrag nicht unterzeichnet und sich ein eigenes Gesetz gegeben hat (das sogenannte Glücksspielgesetz), gilt Online-Poker in Deutschland als verboten. Die §§ 284 und 285 Strafgesetzbuch stellen die Veranstaltung von bzw. die Teilnahme an behördlich nicht genehmigtem Glücksspiel sogar unter Strafe. Andererseits erfreut sich Online-Poker in Deutschland großer Beliebtheit und die zuständigen Behörden machen nicht den Eindruck, dies nachhaltig verändern zu wollen. Hinzu kommt, dass zwar die meisten Gerichte in Deutschland Poker nach wie vor als Glücksspiel einordnen, dass in anderen europäischen Ländern die Gerichte aber durchaus auch zu gegenteiligen Ergebnissen kommen. Der Grund dafür ist, dass Poker zwar vom Glücksaspekt sehr beeinflusst ist, dass auf lange Sicht aber dann doch der gewinnt, der in strategischer Hinsicht der beste ist.

Der zuständigen Behörden sind demnach in Deutschland im Bezug auf Online-Poker im Wesentlichen untätig. Eine staatliche Regulierung, wie sie zum Beispiel in Spanien schon auf dem Weg ist, könnte durchaus von positiver Wirkung sein. Sie könnte zum Beispiel das Schicksal der vielen, bisher stillen Verlierer zum Gegenstand der Diskussion machen. Der Gewinn von „Live-changing-money“ ist nämlich nur die eine Seite der Medaille.

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