Joey Heindle, das Kind

RTL-Camp Joey Heindle ist neuer Dschungel-König. Seine Beliebtheit folgt daraus, dass er, trotz seiner 19 Jahre, im Innern immer noch ein Kind ist

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Joey Heindle wurde jahrelang von seinem alkoholabhängigen und gewalttätigen Vater misshandelt. Dass dieser ihn „Dämon“ nannte, erscheint fast gering, denkt man an die körperlichen Gewalttaten: mit 14 wehrte sich Joey, er spricht von „dem letzten Kampf“, die Weinflasche, die der Vater dem Sohn eigentlich ins Gesicht schlagen wollte, traf nur die Arme und hinterließ bleibende Narben. Viele Narben am Rücken kommen von einem „Schuhlöffel“ aus Holz und Metall, andere Narben zeugen davon, dass Joey von seinem Vater „durch die Küchenscheibe geboxt wurde“. Joey spricht von „Scherbenkindheit“. Ein stattgefundener Selbstmordversuch Joeys erscheint in trauriger Weise folgerichtig.

Mit 18 nahm Joey Heindle an „Deutschland sucht den Superstar teil“, er erreichte die Mottoshows, wurde schließlich Fünfter. In Erinnerung geblieben ist ein Auftritt, während dessen Chef-Juror Dieter Bohlen aus Protest gegen den schlechten Gesang das Studio verließ, ein Novum, eine Demütigung.

Mit 19 hat Joey Heindle schließlich an der gerade beendeten siebten Staffel der Sendung „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ teilgenommen und ist gestern Dschungelkönig geworden. Kenntnis von seiner schrecklichen Kindheit haben wir durch einen Bericht, den er vor laufenden Kameras, von seinen Mitcampern auf seine Narben angesprochen, am Lagerfeuer abgegeben hat. Dieser Bericht fügt sich ein in eine Reihe von Offenbarungen, zu denen sich die „Stars“, möglicherweise wegen Ausnahmesituation im Camp, veranlasst sahen. Patrick Nuo berichtete von seiner Pornosucht, Claudelle Deckert wurde Opfer von einem Mann, der die Beziehung zu ihr nutzte, um sie finanziell auszunehmen, Iris Klein wurde als Teenager wegen ihrer Schwangerschaft von den Eltern auf die Straße gesetzt und von dem Vater regelmäßig geschlagen, Fiona Erdmanns Mutter ist schwer krank und Fiona kann ihr nicht helfen, bei Olivia Jones schließlich war auch irgendwas.

Bei der Berichterstattung über Joey Heindle stand dessen angebliche Dummheit im Mittelpunkt. Stefan Raab sprach regelmäßig von dem „kleinen dummen Jungen“.
Der vermeintlichen Anlässe waren viele: Joey Heindle dachte, die Dschungel-Show fände in Köln in einem Studio statt, sein Schlachtruf war „let’s getty to rambo“ (statt let’s get ready to rumble), einmal äußerte er die Angst, am nächsten Morgen tot aufzuwachen.

Das Dschungel-Camp ist ja mittlerweile salonfähig und zur Begründung wird dann oft angeführt, man könne eben in dieser Show eine Art Sozialstudie durchführen. Problematisch daran ist aber, dass liegt auf der Hand, dass RTL Unmengen an Material zu wenigen, kurzen Filmchen zusammenschneidet, das Bild, welches uns vermittelt wird, ist also im Wortsinne manipuliert. Darüber hinaus wissen wir auch nicht, inwieweit bestimmte zwischenmenschliche Konflikte, von denen die Show unter anderem lebt, inszeniert sind (davon berichtete die ehemalige Teilnehmerin Sarah Knappik am 16.1.2013 bei Markus Lanz).

Unverfälschte Beobachtungen kann man jedoch im Hinblick auf das Zuschauer-Voting machen (vorausgesetzt, dieses wird von RTL real gemessen und wiedergegeben). Warum haben die meisten Anrufer für Joey Heindle gestimmt? Favorisiert war ja, nicht nur von mir, die Drag Queen Olivia Jones.

Das Image des Dummen wird man nicht heranziehen können, Dummheit ist nicht sympathisch, Dummheit ist ärgerlich, sie nervt. Désirée Nick, eine ehemalige Dschungel-Queen, hat am 22. Februar bei Markus Lanz gesagt, dass Geheimnis von Joey Heindle sei, dass er ins Fernsehen erstmals Werte wie Unschuld, Unbedarftheit und Liebenswürdigkeit bringe.

Wenn man mal von „Liebenswürdigkeit“ absieht (diese gibt es im Fernsehen wohl doch öfters, allerdings ist es nicht verwunderlich, dass Désirée Nick „Liebenswürdigkeit“ für außerordentlich bemerkenswert hält), dann scheint mir Joey Heindle recht gut beschrieben. Und Eigenschaften wie unschuldig und unbedarft sind, im Gegensatz zu Dummheit, tatsächlich sehr sympathisch.

Das ist aber leider nur die eine Seite der Medaille. Denn unschuldig und unbedarft sind eigentlich nur Kinder, ein 19 jähriger sollte sich mit anderen Eigenschaften profilieren. Jeder Anrufer, der Joey Heindle in sein Herz geschlossen hat, ist mir sehr Recht, denn ins Herz geschlossen wurde der junge Mann sicher bisher viel zu wenig. Die Menschen sollten aber nicht vergessen, dass sie da einen 19-jährigen vor sich haben.

Es ist bemerkenswert: Joey Heindle scheint keine Kindheit gehabt zu haben, die diesen Namen verdient. Mit 18, innerlich immer noch Kind, wirft er sich dann, nach Anerkennung suchend, RTL, Dieter Bohlen, Sonja Zietlow und Daniel Harwich in die Arme. Armer Junge! Man kann nur hoffen, dass seine gegenwärtige Freundin ihn nicht enttäuscht. Dieser versprach Joey Heindle direkt nach seinem Sieg, dass er sie lieben werde, für immer.

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