Lasst mich in Ruhe

Gesundheit Wussten Sie schon, dass schwimmen schlecht ist für den Rücken? Ich auch nicht. Und ich glaube es auch nicht.

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Lasst mich in Ruhe

Foto: Warrick Page/ AFP/ Getty Images

Als meine Chefin letzte Woche in der Kantine verkündete, schwimmen sei nicht gut für den Rücken – und zwar generell, nicht schwimm-stil-bezogen – da habe ich Schluss gemacht. Schluss mit all diesen Studien bezogen auf die Gesundheit, mit denen mich in meinem bisherigen Leben bauernschlaue Menschen konfrontiert haben.

Was hat man nicht alles gehört: Alkohol generell ist natürlich schlecht – aber ein Glas Wein – am Abend – bewirkt geradezu Wunder – jedenfalls bei Männern. Kaffee entwässert – dann wieder nicht – aber ganz unabhängig davon – zwei Liter Wasser pro Tag müssen es schon sein – oder waren es drei? Kräutertee ist natürlich gut – aber von allem zu viel ist nie gut – Rohkost am Abend geht gar nicht – ein Ei pro Tag ist zu viel – Fleisch braucht der Mensch nicht – aber Fisch vielleicht schon – jedenfalls bei schwachen Gelenken – apropos Gelenke – Joggen geht gar nicht – für die Knie – aber wenn man quasi auf Zehenspitzen joggt – dann geht es – obwohl auch das wieder problematisch ist – Rennrad ist ohnehin ganz schlecht – wegen der Haltung – man muss wohl doch nordic-walken – andererseits, wer will sich denn schon zum Affen machen?

Diesen Studien-Irrgarten hat der Gesundheits- und Ernährungsbereich natürlich nicht exklusiv für sich. Die Notwendigkeit Wasser zu sparen hat man mir sicher schon als Kind eingebläut, aber dann hört man als Erwachsener, dass die Wasserwerke täglich Unmengen an Wasser durch die Kanalisation jagen müssen, nur um alles im Fluss zu halten, weil sonst nämlich Keime entstehen und so weiter. Das hört man – und ist verwirrt. Oder das mit dem Müll trennen: Das tue ich, grundsätzlich jedenfalls, aber so ganz sicher bin ich mir nicht, dass das wirklich so alles seinen Sinn hat, und wegen dieser latenten Unsicherheit landet dann doch schon mal hin und wieder etwas im Biomüll, was da nicht reingehört, jedenfalls nicht vollständig.

Aus der Haltung heraus, man müsse die Dinge nur mal in die Hand nehmen, dann seien sie auch zu regeln und zu ordnen, habe ich mal gedacht, es sei eigentlich die Aufgabe der Regierung, vielleicht der Bildungs- und Forschungsministerin, eine Internetseite zu erschaffen, wo die Studien zu finden sind, die wirklich stimmen, an die man sich halten kann, wo keine Gegenstudie zu erwarten ist, die alles wieder über den Haufen wirft. Dort hätte man dann schauen können wie das wirklich ist mit dem Kaffee, dem Alkohol, dem Sport, eine solche Seite hätte all den Bauernschlauen den Wind aus den Segeln genommen, weil dann nämlich alle gleich schlau gewesen wären, staatlich verordnet sozusagen.

Aber diese Vorstellung missachtet wohl wissenschaftliche Realität, hat nicht der Physiklehrer in der Schule schon gesagt, dass der Naturwissenschaftler Behauptungen aufstellt und sie so lange für bare Münze nimmt, bis sie widerlegt werden, na toll. Und dass all diese Studien auch immer wirtschaftliche Interessen tangieren, ist mir natürlich auch bewusst.

Dass Schluss machen mit all diesen Studien, mit diesem Wirrwarr, war eine Befreiung. Denn zurück auf mich geworfen habe ich mich wieder auf etwas besonnen, was von diesen Studien allzu gerne verdrängt wird: auf mein Gefühl. Ich trinke jetzt so viel Kaffee wie mir gut tut, heißt, ich trinke so viel bis kurz bevor ich mich nicht mehr gut fühle. Wasser trinke ich soviel wie ich Durst habe, Rauchen tue ich seit einigen Monaten nicht mehr und das eine oder andere Bier am Wochenende ist mir sehr willkommen. Und eines ist klar: auch wenn Studien mir Gesundheit bis ins hohe Alter versprechen: nordic-walken werde ich nie!

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