"Schluss mit kostenlos" - noch eine Gegenrede

Paywall noch eine Replik auf Jakob Augsteins Artikel im Freitag, Ausgabe 22/13

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Wahrscheinlich wurde schon wieder alles gesagt zu dem Augstein-Artikel „Schluss mit kostenlos“ und ich komme ja auch reichlich spät. Aber da ist dieser eine Satz, zu dem ich dann doch noch meinen Senf geben will. Im vierten Absatz heißt es:

"Ohne Journalismus gibt es keine Demokratie. Vielleicht ist unser Journalismus nicht gut genug. Sicher ist unsere Demokratie nicht gut genug. Aber das eine braucht das andere, und das Netz untergräbt beides."

Die Aussage, dass das Netz die Demokratie untergräbt, gehört zu denjenigen Aussagen, die mir so abwegig erscheinen, dass ich zunächst meine, ich werde entweder genasführt (bzw. verarscht) oder aber ich verstehe den Satz schlichtweg falsch.

Da die Umstände so sind, dass das mit dem Nasführen auszuscheiden scheint, da also das mit dem Missverstehen eigentlich nur übrigbleibt, habe ich den Satz jetzt sicher zehn Mal gelesen, eigentlich den ganzen Absatz, aber ich kann mir nicht helfen: „beides“ bezieht sich auf „Journalismus“ und „Demokratie“.

Und wenn ich mich dann jetzt ermahne, meinen Sinnen zu trauen, dann nähern sich wieder diese schwankenden Gestalten, diese Anwandlungen, die ich habe, seit ich Mitglied der Freitag-Community bin:

Da ist dieser Freitag, der, vor dem Hintergrund meiner persönlichen Erfahrung, in gewisser Hinsicht ein Vorreiter im Internet ist, und dann ist da dieser Jakob Augstein, der Chef des Ganzen, der mit dem Internet so viel anfangen zu können scheint, wie ein „Früher-war-alles-besser-Opa“.

Als ich erst ganz kurz Mitglied der Community war, da antwortete Augstein etwa auf einen Kommentarbeitrag eines anderen Mitglieds sinngemäß: „Wegen Nutzern wie Ihnen ist das Leben im Internet so deprimierend“. Da dachte ich:

Aber es geht hier ja um das Internet und die Demokratie und nicht um Jakob Augstein:

Also, wie schon gesagt: Die Aussage, dass das Internet die Demokratie untergrabe, finde ich abwegig. Ich will jetzt nicht schon wieder den arabischen Frühling erwähnen und auch nicht Wikileaks, ich will mir aber erlauben, nochmals Christian Hellers Buch „Post-Privacy, Prima Leben ohne Privatsphäre“ zu erwähnen. Dort geht es dann eben um Informationen, die über das Internet jedem zugänglich sind (ohne paywall), die also nicht nur den Mächtigen zur Verfügung stehen. Es geht zum Beispiel um Seiten, auf denen Arbeitnehmer ihr Einkommen veröffentlichen, was Unternehmen dazu zwingen kann, ihre Angestellten gerecht zu entlohnen und so weiter und so fort.

Dass das Internet die Riesen begünstige – wie Augstein dann im letzten Absatz schreibt – ist meines Erachtens völlig falsch.
Natürlich gibt es Giganten wie Google und Facebook. Aber an der Größe von Google und Facebook trägt nicht das Internet die Schuld, sondern die Nutzer. Das Internet bietet, ganz im Gegensatz zur analogen Welt, jedem die Chance sich zu äußern, sich zu beteiligen, sich zu informieren, zu kommunizieren. Mit seinem basisdemokratischen Potential untergräbt das Internet nicht die Demokratie, es ist ihre Zukunft.

Ich räume ein, dass ich mich im Bezug auf journalistische Internetseiten hauptsächlich auf Spiegel-online (noch so ein Gigant) rumtreibe. Aber sobald es um etwas abseitigere Themen geht habe ich von Diskussion-Foren, privaten Blogs und Twitter schon viel profitiert, kostenlos wohlgemerkt. Dieses werde ich, da bin ich sicher, in Zukunft noch viel umfangreicher tun. Der Rausch den freien Netzes hat gerade erst angefangen (das heißt aber nicht, dass ich für Spiegel-online nicht bezahlen würde, ehrlich nicht).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden