Zu unbedeutend

NPD Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag auf Verbot der NPD zurückgewiesen. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass diese Partei mit ihren Zielen Erfolg haben könnte

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Das Gericht hat die NPD für zu leicht befunden
Das Gericht hat die NPD für zu leicht befunden

Bild: ULI DECK/AFP/Getty Images

Wenn ein Angeklagter aus Mangel an Beweisen freigesprochen wird, spricht man von einem „Freispruch zweiter Klasse“. Rechtlich gesehen gilt der Angeklagte zwar als unschuldig, der Verdacht aber bleibt und kann das Bild der Öffentlichkeit oder des Umfeldes weiter prägen. Nur der Angeklagte, der wegen erwiesener Unschuld freigesprochen wird, kann wirklich als Sieger den Gerichtssaal verlassen.

Gestern hat das Bundesverfassungsgericht den Verbotsantrag des Bundesrates gegen die NPD als unbegründet zurückgewiesen. Das ist gut für die NPD. Aber das Urteil ist dennoch eine Ohrfeige für diese Partei und die Bezeichnung „Freispruch zweiter Klasse“ wäre beschönigend.

Die NPD ist verfassungsfeindlich

Das Gericht kommt zu der klaren Feststellung, dass das politische Konzept der NPD auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet sei. Mit ihrem Volksbegriff verletze die Partei die Menschenwürde, indem sie gesellschaftliche Gruppen ausgrenze, verächtlich mache und rechtlos stelle. Ferner missachte sie die demokratische Grundordnung, indem sie ethnischen Nichtdeutschen die Beteiligung an der politischen Willensbildung versage. Schließlich stellt das Gericht eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus fest.

Keine Erfolgsaussichten

Wenn nicht so manches NPD-Mitglied auf diese Feststellungen stolz wäre, wären diese eigentlich schon Ohrfeige genug. Die eigentliche Ohrfeige liegt aber in der Begründung des Gerichts dafür, dass der Verbotsantrag dennoch unbegründet ist.
Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz setzt voraus, dass eine Partei „darauf ausgeht“, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.
In diese, nach heutigem Sprachgefühl etwas gestelzte, Formulierung „darauf ausgehen“ liest das Gericht ein Tatbestandsmerkmal hinein, welches auf den ersten Blick überrascht. Dieses „Ausgehen“ sei nur dann gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte von Gewicht vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann.
Mit dieser Auslegung weicht das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich von seiner im KPD-Verbotsverfahren geäußerten Rechtsansicht ab, wonach es einem Parteiverbot nicht entgegenstehe, wenn für die Partei nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können.

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sind im Bezug auf die NPD keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche es zumindest möglich erscheinen lassen, dass die NPD ihre Ziele verwirklichen kann. Das ist die eigentliche Ohrfeige. Wenn das Bundesverfassungsgericht nicht das höchste deutsche Gericht wäre, hätte es auch sagen können: „Du, NPD, bist einfach zu unbedeutend, als das wir dich verbieten müssten. Du bist ein Schuljunge, der zwar bei den Großen mitspielen will, dem dazu aber die Mittel und Fähigkeiten fehlen.“
Es verwundert nicht, dass die NPD auf ihrer Homepage das Urteil zwar feiert, jedoch mit keinem Wort erwähnt, warum der Verbotsantrag zurückgewiesen worden ist.

Parteiverbot kein Gesinnungsverbot

Das gestrige Urteil ist ein gutes Urteil. Das Parteiverbot ist, so sagt es das Gericht selbst, kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot. Es würde auch gar keinen Sinn machen, eine Partei nur deshalb zu verbieten, weil sie eine verwerfliche Gesinnung hat. Denn wenn eine Partei nicht mehr ist als ihre verwerfliche Gesinnung, dann hat ein Verbot keine Wirkung, denn mit einem Parteiverbot verschwindet niemals die Gesinnung, die die Partei verkörpert hat. Ein Parteiverbot ist erst dann sinnvoll, wenn die Partei Anstalten macht, mit ihrer verwerflichen Gesinnung grundlegend etwas in unserer Gesellschaft zu verändern.

Das Urteil ist eine Momentaufnahme. Das Gericht führt aus, dass eine Grundtendenz der NPD zur Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Absichten mit Gewalt oder durch die Begehung von Straftaten den im Verfahren geschilderten Einzelfällen (noch) nicht entnommen werden könne. Durch das in Klammern gesetzte „noch“ gibt das Gericht zu erkennen, dass es die Möglichkeit einer Entwicklung in die falsche Richtung trotz allem als gegeben ansieht. Ein bisschen Beachtung wird der für ein Verbot „unwürdigen“ Partei also auch in Zukunft zuteil werden.

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