Es ist Mittwochnachmittag, als der Aufseher an den Tisch der Arbeiterinnen tritt und sie für die restliche Woche entlässt. „Ach, welcher Jammer herrschte da!“, schreibt Minna Wettstein-Adelt 1893. Die gelernte Hutmacherin hat sich heimlich in eine Strumpffabrik in Chemnitz eingeschleust. Sie ist Anfang 20 und – wenn man so will – eine der ersten investigativen Journalistinnen. Später wird sie verschiedenste Frauenzeitschriften herausgeben, nun will sie herausfinden, unter welchen Bedingungen die Arbeiterinnen in den Fabriken arbeiten.
Wettstein-Adelt schreibt: „Die meisten hatten erst zwischen 60 Pfennig und einer Mark 20 verdient und sollten ihre vier bis sechs Mark Kostgeld wöchentlich entrichten. Besonders jene Witwe mit zwei Kindern war äußerst unglücklich. Sie hatte seit vierzehn Tagen nur Graubrot und schwarzen, bitteren Kaffee genossen, der den Namen Kaffee mit Unrecht führte, und nun fehlte ihr selbst dies.“ Frauen machten im 19. Jahrhundert einen erheblichen Anteil der Beschäftigten in Fabriken aus. Qualitative Studien legen nahe, dass sie im 19. Jahrhundert ein Drittel weniger verdienten als ungelernte Arbeiter und die Hälfte weniger als Männer mit einer Berufsausbildung.
Megan Rapinoe, geh du voran
Zeitsprung, 2019, Frauen-Fußballweltmeisterschaft. Die US-Amerikanerin Megan Rapinoe gewinnt mit ihrem Team. Der Fanblock tobt, Tausende Besucher im Fußballstadion skandieren: „Equal Pay! Equal Pay!“ Vor jedem Mikrofon machte Rapinoe während dieser Meisterschaft deutlich: Sie will so viel Geld verdienen wie ihre männlichen Pendants. Denn obwohl die US-Fußballerinnen ungleich erfolgreicher sind, verdienen sie pro Spiel weniger als die Hälfte als ihrer männlichen Kollegen. „Es geht nicht nur um uns“, sagte Rapinoe dem Fernsehsender NBC. „Wir stehen ja ganz oben auf der Karriereleiter. Es geht hier um einen gerechteren Fußball und: Es ist eine soziale Frage für alle Frauen.“
Dass Frauen weniger verdienen als Männer, ist eine wirtschaftliche Tatsache. 21 Prozent beträgt die geschlechtsspezifische Lohnlücke in Deutschland. Dafür gibt es ein Gewirr unterschiedlicher Ursachen – die sich über die letzten beiden Jahrhunderte gehalten haben. Wie kann das sein, mag man fragen, dass die ungerechte Bezahlung die Zeiten so hartnäckig überdauert? Da ist es erhellend, sich die Geschichte der letzten zweihundert Jahre noch einmal zu vergegenwärtigen.
Bis heute ist der Gender Pay Gap in allen Ländern Wirklichkeit: Besonders weit klaffen die Gehälter im weltweiten Vergleich in Südafrika, Südkorea oder Pakistan auseinander, mit jeweils deutlich mehr als 30 Prozent. Weniger groß ist der Abstand in Belgien, Griechenland oder Costa Rica mit weniger als zehn Prozent. In Deutschland ist der Pay Gap zwischen den Geschlechtern im europäischen Vergleich besonders hoch. Nur in Estland und Tschechien sind die Gehälter noch ungleicher.
Die Lohnlücke berechnet sich aus den durchschnittlichen Einkommen aller Männer und Frauen, ungeachtet Ausbildung, Branche oder Position. Bei Frauen und Männern mit vergleichbaren Qualifikationen in einer ähnlichen Tätigkeit seien es zwar nur sechs Prozent Lohndifferenz, sagt Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Trotzdem findet sie, dass diese 21 Prozent – der sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap – aussagekräftig seien.
„Da steckt alles mit drin“, sagt Wrohlich, die die Lohnlücke erforscht. „Da steckt mit drin, dass Frauen in anderen Berufen arbeiten, dass sie andere Arbeitszeiten haben, dass sie im Durchschnitt in kleineren Unternehmen arbeiten, dass sie auch in anderen Branchen arbeiten. Und die Frage ist, sind das wirklich alles freiwillige Entscheidungen oder sind es Tatsachen, die nicht nur auf Präferenzen der Frauen zurückzuführen sind, sondern auch auf Restriktionen, die sie vorfinden.“
Grau, müde, unterbezahlt
Zurück also in die Fabriken des 19. Jahrhunderts. Die Arbeitsbedingungen zu dieser Zeit sind in allen Branchen und für alle Arbeitskräfte furchtbar, in den Fabriken sind sie verheerend. Minna Wettstein-Adelt berichtet davon, wie ihre Kolleginnen an Bleichsucht leiden, also an einem durch schlechte Ernährung hervorgerufenen Eisenmangel, der zu Müdigkeit, Kopf- und Unterleibsschmerzen führt. Die Maschinenarbeiterinnen altern sehr schnell, ihre Gesichtsfarbe ist „schmutzig grau“, ihr Gang „schlaff und müde“. Zwar trägt der Lohn dieser Frauen schon damals einen Großteil zum Familieneinkommen bei – nach dem gesellschaftlichen Ideal sind sie trotzdem nicht für das Geldverdienen zuständig. Als Ehefrauen ist ihr gesellschaftlicher Platz: im Haus bei den Kindern – und hinter dem Mann.
Die Frauenrechtlerin Lily Braun schreibt in ihrer umfassenden Studie Die Frauenfrage um die Jahrhundertwende: „Zunächst ist die Frau als selbständig Erwerbende ein Begriff, der dem traditionellen, von dem durch den Mann zu ernährenden Weibe, vollständig widerspricht. Die Entlohnung ihrer Arbeit gilt daher nur für einen Zuschuss zum Lebensunterhalt, nicht für seine vollständigen Kosten.“ Frauenlohn ist Zuverdienst, so lautet die Logik. Bürgerliche Frauen, schreibt Braun, seien durch ihre Familien oder Ehemänner abgesichert. Doch für all die Witwen, die Alleinverdienerinnen und für all die Ehefrauen mit arbeitslosen oder verschollenen Ehemännern ist dieser „Zuverdienst“ das eigentliche Haushaltseinkommen.
Mit der Industrialisierung wächst die Nachfrage an Arbeitskräften. Jede dritte Arbeitskraft Ende des 19. Jahrhunderts ist eine Frau. Dabei werden die Arbeiterinnen vor allem für anstrengendere oder weniger qualifizierte Arbeit eingesetzt. In den Zuckerfabriken beispielsweise zerhacken die Frauen mehrere Hundert Zentner Rüben, während die männlichen Siedemeister den Zustand des Zuckerrübensaftes überprüfen, eine Aufgabe mit mehr Verantwortung und Hintergrundkenntnissen, die sich die Frauen allerdings auch hätten aneignen können.
Doch Frauen werden von Bildung und beruflicher Qualifikation ausgeschlossen. Die Fabrikarbeiterinnen können in der Regel weder lesen noch schreiben. Die Frau verkörpere die billige Arbeitskraft, formuliert es Lily Braun.
Billige Arbeit heißt aber nicht leichte Arbeit. In den Tabakfabriken beispielsweise sind es vorwiegend weibliche Arbeitskräfte, die die Zigarren wickeln und drehen. Dafür gibt es keine Ausbildung, aber normalerweise dauert es mehrere Monate, bis man die Zigarren schnell und sauber gewickelt hat. Für schlecht produzierte Ware gibt es keinen Lohn. Die Männer hingegen sind für das Sortieren der Zigarren nach Farben zuständig, wofür es weder eine Ausbildung noch besondere Erfahrung, sondern lediglich gute Augen braucht. Sie werden trotzdem besser bezahlt.
Clara Zetkin
Obwohl Frauen Ende des 19. Jahrhunderts immer noch keinerlei politische Rechte haben, gehen Französische Revolution und Märzrevolution nicht spurlos an ihnen vorbei. Immer mehr Frauen organisieren sich in als Bildungsvereinen getarnten Arbeiterinnenvereinen, denn die Sozialistengesetze verbieten Versammlungen mit sozialistischen oder sozialdemokratischen Ambitionen. Sie formulieren politische Forderungen nach einem Mindestlohn oder Hilfe für Arbeitslose. Mit der Aufhebung der Sozialistengesetze 1890 treten immer mehr Arbeiterinnen in die Gewerkschaften ein. Dort sind sie zunächst sehr willkommen, denn mehr Mitglieder heißt für die Gewerkschaften auch mehr Einfluss. Doch die Gewerkschafterinnen treten immer selbstbewusster auf – den Genossen wird das schnell zu viel.
Anfang des 20. Jahrhunderts vernetzen sich die Sozialistinnen, unter anderem die Marxistin Clara Zetkin, mit Arbeiterinnen auf der ganzen Welt. Am 19. März 1911 findet der erste Frauenkampftag statt, Millionen von Frauen in den USA, Deutschland, in der Schweiz und in Österreich gehen auf die Straße und fordern die soziale und politische Gleichberechtigung. Doch dann versinkt die Welt im Ersten Weltkrieg und die sozialistische und internationale Frauenbewegung zerfällt in ihre nationalen Einzelteile – der Frauenkampftag wird unter Androhung von Strafe verboten.
Im Ersten Weltkrieg werden Arbeitskräfte knapp. Während die Männer an den Fronten kämpfen, halten die Frauen das Land am Laufen. Sie gelangen in Berufe, die ihnen vorher verschlossen waren: Sie fahren Straßenbahnen, tragen Post aus oder sammeln Müll ein. Auch das führt dazu, dass nach Ende des Krieges und mit Einführung der ersten deutschen Demokratie das allgemeine Wahlrecht für Frauen eingeführt wird. Doch das erste Hoch der Frauenbewegung ist schnell vorbei. Spätestens im Nationalsozialismus sind Männerberufe für Frauen wieder verschlossen. In den 1930er Jahren sind Frauen nur noch auf eine „Aufgabe“ reduziert: Mutterschaft.
Doch schon im und dann vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Frau wieder als Arbeitskraft gebraucht: Es fehlen Männer, die Gesellschaft muss wieder aufgebaut werden – in beiden Teilen Deutschlands. Während sich im Westen die Hausfrauenrolle fortschreibt – deren Arbeit als Köchin, Wäscherin, Putzfrau und Erzieherin unbezahlt ist – und Frauen nur mit Erlaubnis ihres Ehemannes einer Beschäftigung nachgehen dürfen, wird in der DDR die Gleichberechtigung per Gesetz verordnet. Es gilt für Frauen als verpönt, nicht zu arbeiten. Offiziell gilt: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Überprüft wird das aber nicht. Zahlen über die Lohnhöhen werden erst 1984 erhoben und bleiben unter Verschluss der SED-Führung. Nach der Wende werden die Details öffentlich: Egal ob als Hochschullehrerin oder Bauingenieurin, Frauen in der DDR verdienen bis zu 21 Prozent weniger als Männer.
Doch die Bedingungen der Frauen in der DDR waren andere – man könnte sagen: bessere. In ihrem kürzlich erschienenen Buch Warum Frauen im Sozialismus besseren Sex haben – Und andere Argumente für ökonomische Unabhängigkeit (der Freitag 44/2019) erklärt die amerikanische Historikerin Kristen R. Ghodsee, dass Frauen in den sozialistischen Staaten – trotz Diktatur und staatlicher Willkür – insgesamt besser abgesichert waren als in den kapitalistischen Ländern: „Der Lohn spielte eine geringere Rolle, da es weniger gab, wofür man das Geld hätte ausgeben können, und weil ein geregeltes Arbeitsverhältnis ausreichte, um Anspruch auf staatliche Sozialleistungen zu haben. Als Angestellte zahlten Frauen in ihre eigene Altersversorgung ein und entwickelten ihre eigenen Fähigkeiten. Sie profitierten von kostenloser Gesundheitsversorgung, einem kostenfreien Bildungssystem und einem engmaschigen sozialen Netz mit staatlichen Subventionen für Wohnen, Nebenkosten, öffentlichen Verkehr und Grundnahrungsmittel.“
In der BRD können sich Frauen zwar alles Mögliche kaufen, doch in den 1970ern verdienen sie 30 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen ist in der jungen Bundesrepublik sogar in einigen Tarifverträgen, etwa der Metallindustrie, festgeschrieben. Frauen bekommen zehn bis 25 Prozent weniger Lohn, einfach nur, weil sie Frauen sind. Wie im Jahrhundert davor greift auch jetzt die patriarchale Struktur: Frauen haben eigentlich auf dem Arbeitsmarkt nichts zu suchen, so der Tenor. Und wenn, dann bekommen sie eben nur ein Taschengeld.
Auch wenn das Bundesarbeitsgericht 1955 urteilt, dass diese „Frauenlohngruppen“ verfassungswidrig sind, bleiben Frauen strukturell benachteiligt. Es werden sogenannte Leichtlohngruppen eingeführt. Für Frauentätigkeiten.
Aufstand bei Heinze
Die Fabrikarbeiterinnen der Firma Heinze fallen in diese Leichtlohngruppen. Heinze ist in den 1970er Jahren ein Fotolabor, das die Bilder für das gesamte Ruhrgebiet entwickelt. Hier arbeiten Männer und Frauen, doch Letztere bekommen für die gleiche Arbeit weniger Lohn. Dass sie davon erfahren, ist Zufall. Eine der Arbeiterinnen entdeckt beim Aufräumen in der Dunkelkammer den Lohnzettel eines Kollegen. 1,50 Mark mehr bekommt er pro Stunde, für dieselben Aufgaben. Also ziehen die Arbeiterinnen vor Gericht. Der Fall wird bundesweit bekannt, weil die Frauen bis vor das Bundesarbeitsgericht in Kassel ziehen – und 1981 recht bekommen. Die Firma muss 22.000 Mark nachzahlen. Zwar geht das Unternehmen pleite, bevor es das Geld zurückgezahlt hat, trotzdem schreiben die Heinze-Frauen Geschichte. Sie sind eine der ersten Belegschaften in der Bundesrepublik, die sich ihre Benachteiligung nicht stillschweigend gefallen lassen.
Vier Jahrzehnte später macht das Geschlecht immer noch einen deutlichen Unterschied auf der Gehaltsabrechnung. Die „Leichtlohngruppen“ aus der Zeit der Heinze-Frauen sind längst abgeschafft. Doch immer noch gilt: Frauen verdienen nicht nur weniger als Männer, sie steigen auch erst gar nicht in die Positionen auf, in denen die Gehälter hoch sind. Und Frauen sind immer noch vorwiegend in den Berufen zu finden, die deutlich geringer entlohnt werden als männerdominierte Jobs.
Die Abschaffung der Frauenlohngruppen 1955, das Ende der Hausfrauen-Ehe durch das „paritätische Ehemodell“ von 1977, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von 2006, nach dem die Diskriminierung von Frauen in Jobs verboten ist, oder das Entgelttransparenzgesetz von 2017, mit dem Beschäftigte größerer Unternehmen Einsicht in die Gehälter ihrer Kollegen erhalten können: Das alles sind Schritte hin zur Gleichbehandlung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, natürlich. Und noch immer bleibt die Lücke. 21 Prozent. Längst hat sich diese Zahl auch in die Köpfe eingebrannt. Denn als das Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit Studentinnen kurz vor dem Jobeinstieg nach ihren Gehaltsvorstellungen befragte, gaben diese einen Betrag an, der exakt 21 Prozent unter dem liegt, den ihre Kommilitonen angaben.
Veränderungen sind nur dann möglich, wenn der Druck steigt. Das zeigt die Geschichte. Diesen Druck braucht es auch weiterhin: wenn Frauen sich in Gewerkschaften organisieren und sich über Ländergrenzen hinweg vernetzen wie bei den Internationalen Kampftagen für das allgemeine Wahlrecht Anfang des Jahrhunderts oder wie beim Internationalen Frauenstreiktag im März 2019. Wenn Frauen gemeinsam streiken wie im Februar für die Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Dienst. Oder eben: wenn die Fußballerinnen aus den USA im Jahr 2019 öffentlich ihren Arbeitgeber in der Männerdomäne schlechthin herausfordern: im Fußball. Nun verklagen Megan Rapinoe und ihre Teamkolleginnen ihren Verband, damit er ihnen das gleiche Gehalt zahlt wie den männlichen Kickern. Im Frühjahr beginnt die Verhandlung.
Wer Kinder kriegt, bekommt im Laufe des Lebens weniger Gehalt
Katharina Wrohlich ist Volkswirtin am DIW in Berlin. Sie erforscht, wie die Lohnlücke entsteht – und, wie sie verkleinert werden könnte. Etwa durch längere Väterzeit.
der Freitag: Frau Wrohlich, was sind die Hauptgründe für den Gender Pay Gap?
Katharina Wrohlich: Frauen arbeiten im Durchschnitt häufiger in Berufen, die geringer entlohnt werden als die der Männer. Eine andere Erklärungsgröße ist, dass Frauen viel häufiger ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, und das auch in der Regel für länger.
Weil sie sich um die Familie kümmern?
Ja, in Deutschland ist es immer noch so, dass die Sorgearbeit zum allergrößten Teil von Frauen übernommen wird. Sie steigen dann teilweise aus dem Job aus oder arbeiten Teilzeit. Das wirkt sich enorm negativ auf die Lohnentwicklung aus.
Das heißt, wer Kinder kriegt, bekommt im Laufe seines Lebens weniger Gehalt.
Die Entwicklung der Männerlöhne und der Frauenlöhne ist in ihren 20ern relativ ähnlich, das zeigen die Daten. Ab dem 30. Lebensjahr sehen wir, dass sich die Männerlöhne stark nach oben entwickeln. Männer verdienen am meisten zwischen 45 und 50 Jahren, während Frauen da im Durchschnitt noch genauso viel verdienen wie Anfang 30. Frauen bekommen ihr erstes Kind mit 29,5 Jahren. Da gibt es einen direkten Zusammenhang.
Wie hat sich der Gender Pay Gap über die letzten Jahre entwickelt?
Generell kann man sagen, dass die Lohnlücke in den 80er Jahren noch höher war. Aber vor allem für die älteren Frauen, die 40- bis 49-Jährigen, die die Phasen der familienbedingten Unterbrechungen oder die Teilzeit hinter sich haben, hat sich der Gender Pay Gap überhaupt nicht verändert. Der lag damals bei 23 Prozent und liegt heute bei 22 Prozent. Für die Jüngeren hingegen können wir feststellen, dass sich die Lücke für die 25- bis 30-Jährigen enorm verringert hat. Von 17 Prozent damals auf unter fünf Prozent Lohnunterschied heute. Das erklären wir vor allem damit, dass die Frauen, was die Ausbildung betrifft, aufgeholt haben.
Zur Person
Katharina Wrohlich leitet die Forschungsgruppe Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Sie hat in Wien, Washington und Berlin VWL studiert
Oft hört man, dass Frauen zu Hause bleiben, weil sie ja eh viel weniger verdienten als die Männer. Aber das scheint ja gar nicht zu stimmen!
Ja, unsere Daten zeigen: Das stimmt nur zum sehr kleinen Teil! Das heißt, aus einem sehr kleinen Unterschied in den 20ern wird später ein sehr großer Unterschied.
Der Gender Pay Gap wird später zum Pension Gap.
Ja, das passiert dadurch, dass wir ein Rentensystem haben, das sehr stark gekoppelt ist an die Verdienste während der Erwerbsphase.
Wie könnte man die Lücke schließen?
Durch Maßnahmen aus der Politik, die darauf abzielen, die Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen gleichmäßiger zu verteilen, wie Elterngeld oder Kitaausbau. Väter nehmen immer häufiger Elternzeit, aber immer noch nicht sehr lange. Aber es bleiben die Stereotype.
Was meinen Sie damit?
Es gibt eine Studie von SoziologInnen, bei der Teilnehmern fiktive Bewerbungen vorgelegt wurden. Die Befragten sollten angeben, welchen Lohn sie für die jeweiligen Personen als gerecht empfinden würden. Und siehe da: Sowohl die weiblichen als auch die männlichen Studienteilnehmer schrieben den Frauen einen deutlich niedrigeren Lohn von acht Prozent zu. Das zeigt, wie stark dieser „implicit bias“, diese unbewusste Befangenheit, ist.
Was ist Ihre Meinung?
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