Mit Commons aus der Krise?

eine Rezension Der Kapitalismus zerstört uns und unsere Erde. Doch wie sehen mögliche Alternativen aus? Friederike Habermann bietet erste Vorschläge..

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Friederike Habermann ist Aktivistin, Ökonomin, Historikerin, Dr. phil der politischen Wissenschaft und außerdem Autorin. Sie hat das Buch „Ecommony – UmCARE zum Miteinander“ geschrieben, in dem es um die Verwobenheit von Herrschaft und Ökonomie geht. In diesem skizziert sie eine commons-basierte Gesellschaft, zu der jeder Mensch nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen beiträgt. Hiermit verbindet sie die Vision eines nichtkapitalistischen gesamtgesellschaftlichen Wirtschaftens, das auf „struktureller Gemeinschaftlichkeit“ statt auf dem „strukturellen Hass“ der Konkurrenz beruht. Eine Gesellschaft, in der Geld- und Tauschlogik abgeschafft sind und Menschen aus bloßem guten Willen miteinander wirtschaften und sich dabei gegenseitig unterstützen. Weder existieren eine systematische Ausgrenzung noch irgendwelche Zwänge (außer die der Natur). Ein anderes Wirtschaftssystem basierend auf den Hauptprinzipien „Besitz statt Eigentum“ und „Beitragen statt Tauschen“.

Doch warum machen sich Menschen Gedanken um ein anderes Wirtschaftssystem - und ist das sinnvoll? Kurzum: Der Kapitalismus zerstört uns und unseren Planeten. Langsam aber sicher und immer mehr, merken wir die sozialen, ökologischen und persönlichen Folgen. Zuerst spürten es die Menschen des globalen Südens und wir konnten die Augen davor verschließen. Doch mittlerweile trifft es auch Menschen in Europa.

Aktuell leben mehr als sieben Milliarden Menschen auf und von der Erde. Die Nutzung und der Nutzen sind jedoch ungleich verteilt. Am deutlichsten wird das bei der Betrachtung der Vermögensverhältnisse: Die reichsten ein Prozent besitzen mehr als die restlichen 99 Prozent zusammen, Tendenz steigend. Dies zeigt sich daran, dass 82 % des im Vorjahr global-erwirtschafteten Wachstums an das reichste Prozent gingen (vgl. Hope 2018). Des Weiteren werden die ökologischen Folgen deutlich spürbar. Sollten wir so weitermachen, werden wir im Jahr 2050 das Dreifache von dem verbrauchen, was unsere Erde uns bieten kann. Dazu kommt, dass die genutzten Ressourcen nicht sinnvoll ausgeschöpft werden. Fast ein Drittel aller produzierten Nahrungsmittel werden nicht konsumiert. Umgerechnet entspricht das in etwa 1,4 Milliarden Hektar landwirtschaftlicher Fläche (vgl. Nehls 2015). Trotzdem, oder gerade deswegen, geht jeder neunte Mensch mit leerem Magen schlafen (vgl. WFP o. J.) und alle zehn Sekunden stirbt ein Kind an den Folgen von Mangel- und Unterernährung. Dabei ist genug für alle da (vgl. WHH 2017). Neben den Auswirkungen auf den Menschen wirkt sich unser Wirtschaften auch auf die Natur aus. Die Folgen für das Klima sind bereits heute über weite Bereiche spürbar. So beeinträchtigen Hitzewellen unsere Gesundheit, verschobene Vegetationsperioden beeinflussen unsere Landwirtschaft und das aufgewärmte Kühlwasser aus Kraftwerken belastet die Flüsse, in die es wieder entlassen wird (vgl. UBA 2017). Das tangiert auch die Lebensbedingungen vieler Menschen, besonders für die auf der südlichen Hemisphäre. So wurden bereits 2015 20 Millionen Menschen von eben diesen Hitzewellen und anderen Naturkatastrophen, wie Stürmen und Überschwemmungen, aus ihrem Zuhause vertrieben. Schuld daran, so Greenpeace, ist der Klimawandel (vgl. Greenpeace 2014). Er vertreibe mehr Menschen aus ihrem Zuhause als alle Kriege der Welt zusammen (vgl. Pinzler 2017). Sollte diese Entwicklung nicht gestoppt werden, so werden bis 2040 200 Millionen Menschen durch das Klima aus ihrem Zuhause vertrieben (vgl. Greenpeace 2014). Die Wissenschaft hat gezeigt, dass diese Folgen direkt mit dem Ausstoß von Treibhausgasen durch den Menschen zusammenhängen (vgl. UBA 2017). Außerdem versklavt der Kapitalismus 40 Millionen Menschen und zwingt 152 Millionen Kinder im Alter von fünf bis siebzehn Jahren zur Arbeit. 71 % dieser zur Arbeit gezwungenen Menschen sind Frauen (vgl. ILO 2017).

Doch auch die Menschen, die „freiwillig“ arbeiten, leiden unter dem Konkurrenzdruck, Zukunftsängsten und der Angst, zu versagen. Das zeigen die Zahlen der an Depression erkrankten Menschen. Beispielsweise leiden in Deutschland rund 10 % der Menschen an Depressionen (vgl. Vergleich.de 2011). Betrachtet man das global und unterscheidet nach der Herkunft, so zeigt sich, dass Afrika am wenigsten und die wirtschaftlich starken Gebiete am häufigsten betroffen sind (vgl. Statista 2017). Dem besonders ausgesetzt sind Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren mit einem mittleren bis niedrigen sozioökonomischen Status (vgl. Statista 2013). All dies, und noch viele weitere Faktoren, spiegeln die aktuelle Lage und die allgemeine globale Ungerechtigkeit wider.

Deshalb müssen wir uns darüber Gedanken machen, einen Weg finden, wie wir besser zusammenleben können. Eine Alternative zum aktuellen. Habermann zeigt eine Alternative auf, nämlich einen alltäglichen Weg zu globaler Gerechtigkeit. Mit ihrem Buch „ECOMMONY: UmCARE zum Miteinander“ möchte Frau Habermann „aufzeigen was an gelebten Alternativen zum Kapitalismus, Geld und Tauschlogik existiert“. Dabei geht es in erster Linie um Projekte in Deutschland (vgl. Habermann 2016: 9). Es sei weder das Ziel, einen vollständigen Überblick zu liefern, noch liefert dieses Buch ein Handbuch, wie man den Kapitalismus abschafft. Es geht darum „unterschiedliche Ansätze darzustellen, um die Vielfalt des bereits Gelebten aufzuzeigen“ (Habermann 2016: 12). Dabei sei es ihr wichtig, Alternativen einfach auszuprobieren und die Entwicklung zu beobachten, zu analysieren und zu reflektieren.

Um diese Gesellschaft zu verwirklichen, müsse man einfach anfangen und ausprobieren. Wir müssten beginnen, Alternativen zu leben, um die Welt zu gestalten. Dadurch machen wir Menschen darauf aufmerksam, dass es mehr gibt als das, was sie sich aktuell vorstellen können. So wird ihr Horizont erweitert und ihr Alltagsverstand wird verändert. Die Menschen würden lernen, sich frei zu entfalten, frei von Zwängen, Konkurrenz und der Angst, zu versagen. In dieser auf Commons basierenden Gesellschaft wären auch die Umwelt und der Klimaschutz zentral. Durch die gemeinsame Nutzung nicht-alltäglicher Gebrauchsgegenstände soll der Verschwendung Einhalt geboten werden. Ebenfalls soll beim Wirtschaften auf die Natur gehört werden und mit ihr im Einklang gelebt werden. Dadurch, dass Arbeit nicht mehr als Zwang, sondern als Leidenschaft und Erholung verstanden wird, müssten auch die Zahlen der von psychosozialen Krankheiten Betroffenen sinken. Ebenso würden die ökologischen Folgen abgebremst und vermindert werden, was positive Folgen für alle bedeuten würde. Dies wäre besonders für jene der Fall, welche am meisten unter den Bedingungen leiden, aber am wenigsten Schuld an diesen tragen.

Dieses Buch ist eine Kritik an der Globalisierung, der (Welt-)Wirtschaft und der Gesellschaft. Doch wie realistisch ist das? Habermann lebt ihre Utopie bereits vor, indem sie gemeinsam mit ein paar gleichgesinnten Freund*innen in der Ecommony lebt. Sie teilen ihr Eigentum wie Bohrmaschinen, Rasenmäher, Bücher etc., ohne Angst, zu wenig zu haben. Durch ihr Vorleben und ihr Buch hat sie den Horizont vieler Menschen erweitert, unter anderem auch meinen. Sie verleitet einen dazu, die Gedanken schweifen zu lassen und sich vorzustellen, ähnliches hier vor Ort zu schaffen. Einen Schrank zu besorgen, ihn auf die Straße zu stellen und alte Bücher „auszumisten“. Kurz gesagt: Sie hat meinen Alltagsverstand verändert. Deswegen halte ich es für wichtig, dass solche Bücher publiziert werden, denn mit ihrem Buch liefert Habermann eine mögliche Alternative, einen möglichen Weg zu globaler Gerechtigkeit. Sie bietet uns einen Ausweg und lebt diesen vor. Aus Gründen der Menschlichkeit und der internationalen Solidarität sollten wir alle angehalten sein, diese Welt gerechter zu gestalten. Dafür ist es nötig, die Gedanken schweifen zu lassen und sich vorzustellen, wie eine bessere Welt auszusehen hat. Genau das macht Frau Habermann und hilft damit uns allen. Commons bieten hier alltägliche Mittel und Wege, lokal zu handeln, um zumindest auf kommunaler Ebene mehr Gerechtigkeit zu erreichen.

Das Buch gibt es kostenlos als Download.

Literaturverzeichnis

  • Greenpeace (2014): 200 Millionen Klimaflüchtlinge bis 2040, [online] https://www.greenpeace.de/presse/presseerklaerungen/200-millionen-klimafluchtlinge-bis-2040 [30.06.2020].
  • Habermann, Friederike (2016): UmCARE zum Miteinander, Sulzbach am Taunus: Ulrike Helmer Verlag.
  • Hope, Katie (2018): 'World's richest 1% get 82% of the wealth', says Oxfam, [online] https://www.bbc.com/news/business-42745853 [30.06.2020].
  • Internationale Arbeitsorganisation (ILO) (2017): Weltweit leben 40 Millionen Menschen in moderner Sklaverei und 152 Millionen Kinder müssen arbeiten, [online] http://www.ilo.org/berlin/presseinformationen/WCMS_575502/lang--de/index.htm [30.06.2020].
  • Nehls, Anja (2015): Schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen, [online] http://www.deutschlandfunk.de/nachhaltigkeit-schonender-umgang-mit-natuerlichen-ressourcen.697.de.html?dram:article_id=314071 [30.06.2020].
  • Pinzler, Petra (2017): Von Stürmen vertrieben, [online] https://www.zeit.de/2017/22/klimawandel-flucht-wetter-umweltkatastrophen [30.06.2020].
  • Statista (2013): Prävalenz von Depressionen in Deutschland nach Geschlecht, Alter und sozialem Status im Jahr 2011, [online] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/233487/umfrage/praevalenz-von-depressionen-nach-geschlecht-alter-und-sozialem-status/ [30.06.2020].
  • Statista (20017): Anzahl der Fälle von depressiven Erkrankungen und Angststörungen weltweit nach WHO-Region im Jahr 2015 (in Millionen), [online] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/692950/umfrage/faelle-depressiver-erkrankungen-und-angststoerungen-weltweit-nach-who-region/ [30.06.2020].
  • Umweltbundesamt (UBA) (2017): Folgen des Klimawandels, [online] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/folgen-des-klimawandels#textpart-1 [30.06.2020].
  • de (2011): Volkskrankheiten, [online] http://www.transparenter.de/versicherung/krankenversicherungen/volkskrankheiten.html [30.06.2020].
  • Welthungerhilfe (WHH) (2017): Hunger: Verbreitung, Ursachen & Folgen, [online] https://www.welthungerhilfe.de/hunger/ [30.06.2020].
  • World Food Programme (WFP) (o.J.): Zero Hunger, [online] http://de1.wfp.org/zero-hunger [30.06.2020].

Dieser Text ist von Matthias. Er ist 25 Jahre alt und arbeitet als Wahlkreismitarbeiter von Elisabeth Kula (MdL).

Dieser Beitrag ist die Meinung eines Linksjugend-Mitglieds. In diesem Blog soll regelmäßig von Mitgliedern zu aktuellen Themen Stellung bezogen werden.

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