Gegenstand besagter Vorwürfe ist die Weigerung des Freitags, für die gesamten Gerichtskosten eines verlorenen Prozesses aufzukommen, der infolge eines von Frau Reski verfassten und im Freitag publizierten Artikels von einem dort namentlich genannten Geschäftsmann angestrengt wurde. Konkret lehnt es der Freitag ab, ihre Anwaltskosten in Höhe von 5000 Euro zu übernehmen, hat aber die Kosten der Gegenseite, also des namentlich in Reskis Artikel genannten Klägers, bezahlt. Die FAZ, für die Reski ebenfalls schreibt, hat den Freitag und Herrn Augstein dafür in sehr harscher und einseitiger Weise angegriffen und sogar einen „Fall Augstein“ ausgemacht. Dazu später.
Doch zunächst ein Blick auf die Tweets von Frau Reski, um sich einen Eindruck davon zu verschaffen, auf welchem Niveau sie ihre Auseinandersetzung führt. So fragt sie in einem Tweet: „Wozu die Mafia, wenn es doch auch feige Verleger gibt?“
Eingebetteter MedieninhaltHierbei handelt es sich vermutlich um eine Reaktion auf die Depublikation ihres in der Ausgabe 11/16 erschienenen Artikels, der Passagen enthielt, gegen die eine Unterlassungserklärung erwirkt wurde. Aber kann es sein, dass sie Augstein und die Mafia tatsächlich auf eine Stufe stellt? Meint sie das ernst?
In einem anderen Tweet ist sich Frau Reski nicht zu schade, Augstein wegen seines äußeren Erscheinungsbildes zu verspotten, was, wenn es andersrum geschehen wäre, schnell als sexistisch gebrandmarkt würde.
Eingebetteter MedieninhaltSchlussendlich scheut sie nicht mehr mal davor zurück, den Freitag als „freundliche Unterstützer der Mafia“ zu titulieren.
Eingebetteter MedieninhaltVermutlich meint sie das sogar ernst, da auch die FAZ die Frage stellt, ob die Weigerung des Freitags, für sämtliche Kosten aufzukommen, nicht die Scheu freier Journalisten, heikle Themen anzufassen, signifikant erhöhe. Das mag durchaus der Fall sein, doch bedeutet das noch lange nicht, der Freitag unterstütze die Mafia, was, wenn man´s wörtlich nimmt, eine völlig abwegige Unterstellung ist. Außerdem sollte es sich von selbst verstehen, dass man auch und gerade als freier Journalist sich mit der Redaktion abspricht, wenn man heikle Themen anpackt, von denen man weiß, dass sie justiziabel sind. Und Frau Reski wusste sehr wohl, dass ihr Artikel wahrscheinlich rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. So schrieb sie in einem Artikel in der taz vom 11.04.2015 über ihre Erfahrungen mit einem verlorenen Prozess wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung, der dem jetzigen Fall sehr ähnelt:
Der Mafia ist das nur recht. Zumal sie die meisten Journalisten auch nicht fürchten muss. Und die renitenten kann sie sich mit dem Presserecht vom Leib halten. Mit der vermeintlichen Verletzung des Persönlichkeitsrechts lassen sich nicht nur Berichte über mutmaßliche Stasi-Kontakte eines Politikers stoppen, sondern auch über Mafiosi und ihre Verbindungen in Politik und Wirtschaft. Wer gegen einen Artikel oder ein Buch klagen will, kann sich das Gericht und sogar den Richter aussuchen – und wendet sich dabei an Gerichte, die für ihre Pressefeindlichkeit bekannt sind. Ende der Berichterstattung. Als mein Buch „Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern“ erschien, verklagten mich mehrere italienische Gastronomen – und weder diverse BKA-Berichte, Aussagen hochrangiger Antimafia-Ermittler noch kiloweise Ermittlungsunterlagen italienischer und deutscher Staatsanwaltschaften reichten aus, um die Gerichte zu überzeugen, dass die eigentliche Aufgabe eines Journalisten in der Verdachtsberichterstattung besteht – und nicht darin, lediglich erfolgte Urteile zu referieren. Wir wurden dazu verurteilt, Passagen des Buches zu schwärzen und Schmerzensgeld für das erlittene Unrecht zu zahlen.
Frau Reski hat also bereits einmal einen Prozess wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts der von ihr Verdächtigten verloren und machte sich keinerlei Illusionen darüber, wie aussichtslos es ist, einen solchen Prozess zu gewinnen. Und trotzdem wählt sie in ihrem Freitag-Artikel erneut die exakt gleiche Herangehensweise. Da ist es nur schwer vorstellbar, dass sie den Freitag vorab darüber informiert hat, dass er sich mit ihrem Artikel wahrscheinlich einen Prozess einhandelt, den er mit ziemlicher Sicherheit verlieren wird. Wäre der Freitag darüber im Bilde gewesen, er hätte den Artikel so sicherlich nicht abgedruckt. Eine solche Einschätzung aber zu verschweigen und gleichzeitig als anerkannte Mafia-Expertin (die also weiß, was sie tut) aufzutreten, noch dazu gegenüber einem Medium, das keinen Schwerpunkt auf Kriminalitätsberichterstattung hat, ist an Arglistigkeit kaum zu überbieten. Sie hat den Freitag wissentlich ins offene Messer laufen lassen.
Ihre Unterstützer von der FAZ, denen Frau Reskis eigene Einschätzung der juristischen Risiken anscheinend nicht bekannt ist, kommen dagegen hinsichtlich der Klage gegen den Freitag und Reski zu der Auffassung:
Denn eine Klage, so die Auffassung von im Pressegesetz bewanderten Juristen, schien schon deshalb unwahrscheinlich und eine Aussicht auf Erfolg noch unwahrscheinlicher, weil der beanstandete Name in der Presse zuvor schon mehrmals genannt worden war: So zweimal in der „tageszeitung“, die am 11. Februar 2016 berichtete, dass die Klage des italienischen Geschäftsmanns gegen die MDR-Dokumentation „Die Provinz der Bosse – die Mafia in Mitteldeutschland“ vor dem Landgericht Leipzig Erfolg hatte, und am 23. März 2016 meldete, dass der Sender gegen das Urteil Berufung eingelegt habe.
Die Nennung des Namens erfolgte wohlgemerkt im Kontext einer erfolgreichen Klage gegen die Namensnennung, weshalb der Verfasser des Artikels, Andreas Rossmann, auch ohne Kenntnis von Reskis vormaliger juristischer Selbsteinschätzung, zum gegenteiligen Schluss hätte kommen müssen, nämlich, dass eine abermalige Nennung des Namens des anscheinend nicht rechtskräftig verurteilten Mafia-Verdächtigen höchst riskant ist. Ja, es war sogar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der angeprangerte Geschäftsmann juristisch gegen seine explizite Namensnennung und öffentliche Bloßstellung als Mafiosi vorgehen würde, wenn er schon gegen eine anonymisierte, aber wiedererkennbare Darstellung in der MDR-Doku klagte. Frau Reski hat also trotz eines erstinstanzlich verlorenen Prozesses des MDR noch einen drauf gesetzt und ist ein Wagnis eingegangen, das der MDR mit seiner im Vergleich zum Freitag sicherlich stärkeren Rechtsabteilung nicht auf sich genommen hat. Eine so immense Risikobereitschaft ist für mich rational eigentlich nicht mehr nachvollziehbar (es sei denn, sie zielt darauf ab, dass ihr Gestus der völlig unbeeindruckbaren Anti-Mafia-Kämpferin auf ihr Image als Verfasserin von Mafia-Romanen ["Serena Vitale"] abfärbt) und hätte auf jeden Fall initiativ von ihr mit dem Freitag abgesprochen werden müssen.
Der FAZ-Artikel teilt, wie gesagt, diese Auffassung nicht. Stattdessen rekurriert er auf das Narrativ der selbstlosen Einzelkämpferin („die freie Journalistin“), die sich zum Wohle aller mit dem Bösen schlechthin, der Mafia, anlegt und dabei von einem prinzipienlosen Bonzen, dem Verleger Jakob Augstein, der sie eigentlich unterstützen sollte, hängengelassen wird. Mit dem Ergebnis, dass die selbstlose Einzelkämpferin gegen die Mafia nun einen Kampf für das Recht aller freien Journalisten, in brenzligen Situationen nicht von ihren Redaktionen „hängengelassen“ zu werden, zu führen hat, für den sie freilich allseits Zuspruch erhält. Stilisierung vorerst geglückt, könnte man meinen, doch langfristig können die Folgen für Frau Reski leicht katastrophal sein, denn welche Redaktion druckt bitteschön Texte einer Autorin, die es geradezu darauf anlegt, Prozesse zu verlieren und anschließend eine Kampagne gegen die „Feigheit“ der betreffenden Zeitung lostritt?
Doch im Moment sieht es noch so aus, als könne sie dank des schönen David-gegen-Goliath-Narrativs erfolgreich aus ihrer Auseinandersetzung mit dem Freitag hervorgehen. So stellt sich die mächtige FAZ uneingeschränkt auf ihre Seite und frisiert die Tatsachen sogar nicht wenig, um Jakob Augstein in einem möglichst schlechten Licht dastehen zu lassen:
Denn selbst wenn es sich so verhielte, wie Augstein es darstellt, wäre seine Entscheidung, der freien Mitarbeiterin, die von dem genannten italienischen Geschäftsmann verklagt und vom Landgericht Leipzig verurteilt wurde, keine juristische Unterstützung zu gewähren und sie für die Rechtskosten selbst aufkommen zu lassen [Hervorhebung: T.J.], ein außergewöhnlicher Affront, der, so Hendrik Zörner, Sprecher des „Deutschen Journalisten-Verbands“ (DJV), gegen „ein Grundprinzip der Zusammenarbeit“ zwischen Redaktionen und freien Mitarbeitern verstößt.
Die Behauptung, Augstein habe entschieden, Frau Reski „keine juristische Unterstützung zu gewähren und sie für die Rechtskosten selbst aufkommen zu lassen“, ist falsch. Richtig ist, dass der Freitag die Kosten der Gegenseite im Prozess übernommen hat, wie Meedia berichtet. In diesem Punkt muss sich die FAZ also den Vorwurf gefallen lassen, Fake-News zu verbreiten. Es wird – wie dreist! – einfach so getan, als hätte der Freitag Frau Reski ganz und gar auf ihren Kosten sitzen gelassen. Auch wird Frau Reski irreführend nur als freie Journalistin dargestellt, also als tendenziell armes und besonders schutzbedürftiges Wesen, und kein Wort darüber verloren, dass sie als vielfach ausgezeichnete, renommierte Journalistin keineswegs als "David" durchgeht. Ferner wird Augsteins Reaktion einseitig als „Nachtreten“ charakterisiert, obwohl er sich in seiner Stellungnahme durchaus differenziert äußert und auch explizite Wertschätzung für Frau Reskis Arbeit kundtut („spannender Text“, „engagierte Autorin“). Mithin drängt sich also der Eindruck auf, dass in besagtem Artikel die Fakten so zurechtgebogen werden, dass sie zum Narrativ passen und ein „Fall Augstein“ konstruiert werden kann (wobei Augstein an einer Stelle des Artikels übrigens als Herausgeber des Freitags bezeichnet wird, was ein Schlaglicht auf die unsaubere Arbeit wirft, da der Herausgeber bekanntlich Jürgen Todenhöfer ist).
Doch all das fällt dem durchschnittlichen Leser der FAZ, derer es wesentlich mehr gibt als Leser des Freitags, nicht auf. In zig Tweets und Posts wird die Behauptung, Augstein habe eine „freie Autorin hängengelassen und nachgetreten“, empört wiederholt.
Eingebetteter MedieninhaltEingebetteter MedieninhaltDer Imageschaden ist angerichtet. Mittlerweile wurde der Freitag deswegen sogar für den „Hölle“-Negativpreis der Freischreiber, eines Berufsverbandes freier Journalisten, nominiert. Es macht sich einfach gut, in einem Streit zwischen einer freiberuflichen Autorin und einem reichen Erben für die Schwächere Partei zu ergreifen, doch erkennt man bei genauerem Hinsehen, dass das in diesem Fall gänzlich unangebracht ist. Zwar stimmt es durchaus – und Augstein räumt das in seiner Stellungnahme auch ein –, dass dem Freitag ein Fehler im Korrektorat unterlaufen ist, doch die Verantwortung für den verlorenen Prozess trägt eindeutig Frau Reski. Diese rundheraus abzustreiten und stattdessen eine Kampagne auf niedrigstem persönlichen Niveau gegen diejenigen loszutreten, denen sie einen nicht unerheblichen finanziellen Schaden eingebrockt hat, ist nicht zu rechtfertigen. So bleibt schlussendlich nur zu hoffen, dass die FAZ, will sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, mit Fake-News diffamierenden Kampagnenjournalismus zu betreiben, den Anstand aufbringt, die Sachlage in ihrer ganzen Differenziertheit darzustellen und von ihren Anschuldigungen Abstand zu nehmen.
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Was du schreibst, deutet schon auf die Farben Schwarz und Weiß hin. Das Gute an dem Casus ist, dass die heimelige Pressewelt, wie sie uns Leserinnen und Lesern gerne gezeigt wird, gar nicht so heimelig ist. Die Fragen bleiben bestehen: Wie weit geht die Verantwortung der Redaktion für einen Text? Wie steht es um die Sorgfaltspflicht des Verfassers? Dazu gibt es in juristischen Kreisen sicherlich eine herrschende Meinung, die sich aus mehreren pressrechtlichen Urteilen gebildet hat.
Im Moment scheint der Kampf sich auf der PR-Ebene abzuspielen. Jede Seite wird ihre Taktik ausgefeilt haben. Es kommt sehr auf die Flankenschützer an, die sich der einen oder anderen Seite zugesellen. Dass die inkriminierte Autorin die FAZ hinter sich hat, und nicht nur diese, gereicht ihr sicher nicht zum Nachteil.
Hallo Achtermann,
ja, es sieht schon so aus, als könne das eine längere und unappetitliche Auseinandersetzung werden. Frau Reski will ja jetzt fürs Crowdfunding mobilisieren und da könnte sie ein Interesse daran haben, ein Empörungssüppchen köcheln zu lassen. Auch springt das NDR Medienmagazin Zapp aufs Thema an.
Auf der anderen Seite hat auch Verdi keinen Bock, Frau Reskis Anwaltskosten zu übernehmen (siehe Crowdfunding-Link), weswegen Frau Reski auch dort ihre Mitgliedschaft beendet hat. Wenn sie konsequent wäre, müsste sie jetzt natürlich auch gegen Verdi zu Felde ziehen, weil deren Begründung (sie hätte sich selber einen externen Anwalt ausgesucht) auch nicht philantropischer ist als Augsteins Diktum, der Freitag sei keine Rechtsschutzversicherung. Aber das wird sie wohl nicht tun, was noch ein Grund mehr ist, Augstein und den Freitag gegen dieses Diskreditierungsmanöver in Schutz zu nehmen.
Im Grunde finde ich es auch durchaus angebracht, wenn Frau Reski selber den Schaden begleicht. Andernfalls würde sie dieselbe Chose wohl zum dritten Mal durchziehen und so, wenn sie ihr Lehrgeld aus eigener Tasche blecht, kommt sie vielleicht noch auf den Trichter, ihre Texte so zu verfassen, dass die Gerichte sie ihr nicht um die Ohren hauen, was dem Anti-Mafia-Engagement im Endeffekt auch viel mehr nutzt als verlorene Prozesse mit anschließenden Schlammschlachten.